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Polizeiruf 110 Neubeginn in Magdeburg

Neustart beim Magdeburger Polizeiruf. Produzent „filmpool“ übernimmt. Der produziert den Tatort Münster und Polizeiruf Rostock.

Von Oliver Schlicht 27.10.2015, 00:01

Magdeburg l Beim Drehbeginn der fünften Magdeburger Krimifolge von Polizeiruf 110 vor zwei Wochen war ein Name in aller Munde: Matthias Matschke. Der Schauspieler ersetzte den „aus persönlichen Gründen“ ausgeschiedenen Sylvester Groth. Kein Geheimnis ist, dass Groth der Produktion aus Qualitätsgründen den Rücken gekehrt hatte.

Von imposanten Kamerafahrten in der Stadt und den guten Leistungen der Hauptdarsteller abgesehen, schienen die Drehbuchschreiber in den meisten der vier Folgen alle Vorurteile gegenüber Magdeburg bestätigen zu wollen. Schablonenhaft überzeichnete Figuren, die gern auch im rechten Milieu angesiedelt waren, stolperten durch die trübe Osttristesse. Das war weder besonders spannend noch unterhaltsam. Es war einfach nur ärgerlich.

Doch damit könnte nun Schluss sein. Denn nicht nur vor der Kamera agiert mit Matschke ein neuer Hauptdarsteller, auch hinter der Kamera zieht ein komplett neues Produktionsteam die Strippen – „filmpool fiction“ aus Köln, ein privates Unternehmen mit internationalen Eigentümern. Bislang war die MDR-Tochtergesellschaft „Saxonia Media“ zuständig, die mehrheitlich öffentlich-rechtlichen Anstalten gehört.

Dieser Wechsel reiht sich ein in mehrere Änderungen bei der Produktion von Tatort und Polizeiruf 110, die der MDR seit drei Jahren vollzieht. Ziel der mitteldeutschen Anstalt ist es offenbar, die Premiumprodukte mit bundesweiter Ausstrahlung moderner auszurichten.

Zu tun hat das mit dem Führungswechsel beim MDR im Jahr 2011. Nach dem Abgang des langjährigen MDR-Intendanten Udo Reiter übernahm mit Wolf-Dieter Jacobi auch ein neuer und junger (Jahrgang 1965) Fernsehdirektor die Geschäfte.

„Saxonia Media“ entstammt dagegen der MDR-Gründerzeit. Der Firma kommt in der Branche mittlerweile nicht mehr der beste Ruf zu. Die 1995 vom MDR gegründete Filmproduktionsgesellschaft war „das Auffangbecken für die versammelten DDR-Fernsehfritzen“, formuliert es salopp ein TV-Insider. Tatsächlich ist so mancher Produktion des MDR bis heute eine DDR-Fernsehfunkästhetik zueigen, die auf ihre Macher bei „Saxonia“ zurückzugehen scheint.

Die Produzenten eines Filmes bestimmen in Zusammenarbeit mit dem auftraggebenden Sender maßgeblich Stil und Inhalt. Sie entwickeln die Story, lassen das Drehbuch schreiben, wählen die Darsteller und den Regisseur aus, bestimmen die Drehorte und vieles mehr. „Saxonia Media“ hat viele Jahre fast alles produziert, was beim MDR über den Sender ging: „In aller Freundschaft“, „Tierärztin Dr. Mertens“, „Schloss Einstein“ und natürlich Tatort und Polizeiruf 110. Den weitaus überwiegenden Teil des MDR-Programms produziert „Saxonia“ bis heute.

Mit dem personellen Neubeginn beim MDR im Jahr 2011 begann aber ihr langsamer Ausstieg aus der Krimiproduktion zur besten Sendezeit. Zunächst bekam im Juli 2012 die Firma „FFP New Media“ den Zuschlag für den neuen Erfurter Tatort, in dem drei Jung-Kriminalisten ermitteln. FFP New Media wurde 1980 als „Frankfurter Filmproduktion“ von Michael Smeaton gegründet. Das Unternehmen ist in Köln und München ansässig.

Dem Erfurter Tatort war allerdings wenig Erfolg beschieden. Nach nur zwei Folgen wurde er zugunsten des Weimarer Tatorts eingestellt.

Im Oktober 2012 war „Saxonia“ auch bei der Ausschreibung zum Tatort Weimar wieder leer ausgegangen. Den Zuschlag erhielt die Münchner Produktionsfirma Wiedemann & Berg. Das Duo Quirin Berg und Max Wiedemann – beide haben gemeinsam an der Film-Hochschule in München studiert – räumten mit ihrem ersten Kinofilm, „Das Leben der Anderen“ von Regisseur von Donnersmarck, einen Oscar ab. Im Weimar ermitteln die Schauspieler Christian Ulmen und Nora Tschirner. Wiedemann & Berg haben auch kürzlich die Ausschreibung zur Produktion des neuen Dresdner Tatorts gewonnen, wie der MDR vor zwei Wochen mitteilte. 2014 war der „Saxonia“-Tatort aus Leipzig (Ermittlerin Simone Thomalla) vom MDR eingestellt worden. In Dresden sollen zum ersten Mal drei Frauen als Ermittler die Hauptrollen spielen: Karin Hanczewski, Alwara Höfels und Jella Haase. „Saxonia Media“ hat sich für den Tatort Dresden nicht beworben, so die MDR-Tochter.

Sachsen-Anhalt konnte bislang noch nicht vom Hang zum Produzentenwechsel beim MDR profitieren. Als die Reihe „Polizeiruf 110“ 2012 von Halle (Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler) nach Magdeburg (Claudia Michelsen, Sylvester Groth) wechselte, bekam „Saxonia Media“ – wie in den Jahren zuvor bei der Polizeiruf-Reihe üblich – den Produktionszuschlag. Dass nun – in der laufenden Serie – der Vertrag nach vier Folgen nicht verlängert wurde, „gehört in der Marktwirtschaft zur gängigen Praxis“, betont „Saxonia“ auf Nachfrage. Nachdem der Magdeburger Polizeiruf „regulär ausgelaufen“ sei, wünsche man nun „den Kollegen von ,filmpool fiction‘ viel Erfolg“. „filmpool fiction“ aus Köln produziert derzeit den Rostocker Polizeiruf mit Charly Hübner als Ermittler und den deutschen Krimi-Straßenfeger schlechthin: den Münsteraner Tatort mit Ermittler Frank Thiel (Alex Prahl) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) als Rechtsmediziner.

„Der Erfolg dieser beiden Serien hat sicher dabei geholfen, dass wir den Zuschlag für Magdeburg bekommen haben. Wir freuen uns auf die Arbeit“, sagt „filmpool“-Sprecher Felix Wesseler. Sein Unternehmen arbeite zum ersten Mal als Produzent im Auftrag des MDR. Beim „Wendemanöver“-Polizeiruf, der Anfang Oktober ausgestrahlt wurde und in Rostock und Magdeburg spielte, war „filmpool“ bereits neben „Saxonia“ der Koproduzent.

Der MDR lobt auf Nachfrage den „überzeugenden konzeptionellen Ansatz“ der Kölner Produzenten für die neuen Magdeburger Polizeiruf-Folgen. Und er spricht mit Blick auf die Serienerfolge aus Rostock und Münster von „starken Referenzen für vergleichbare Premiumformate“.