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Konzert Ganz und gar nicht tote Hose

Nach Mystery-Tour und Wohnzimmerkonzerten melden sich die Toten Hosen „Zurück auf dem Bolzplatz“.Vor 7000 Fans spielten sie in Magdeburg.

Von Birgit Ahlert 30.05.2017, 18:04

Magdeburg l Kurzfristig verkündet und dann innerhalb weniger Stunden ausverkauft war das Konzert der Toten Hosen in Magdeburg. Wie ein „warm up“, ein Aufwärmen zur Sommertour „Zurück auf den Bolzplatz”. Sogar die Hitze gab es gleich mit dazu. Eine „Laune der Natur“? Passender zum gleichnamigen Albumtitel geht es kaum. Premierenfieber. Testlauf für die neuen Stücke. „Wir haben die neuen Lieder noch nie live gespielt und sind selber gespannt, was passiert“, erklärt Campino. Und wer hätte es gedacht - es funktioniert.

Hochstimmung von der ersten Minute an. Bevor Campino, Breiti, Kuddel, Andi und Vom die Bühne betreten, bricht bereits Jubel aus: Die Leinwand zeigt die Düsseldorfer Punkrocker mit DTH-Auto auf dem Weg nach Magdeburg. Als das Ortseingangsschild erscheint, können die Fans kaum noch an sich halten. Die Erwartung ist hoch, die Vorfreude auch. Wirklich verwunderlich ist es nicht, ist es doch ein Zusammentreffen der „Eingeschworenen“. Vor allem jene haben Tickets für dieses besondere Konzert ergattern können, die sich ständig auf dem Laufenden halten. Dafür sind sie aus ganz Sachsen-Anhalt angereist, aus Niedersachsen, Sachsen.

„Hey ho, let’s go!“ rufen und singen die Fans im Saal, „heut ist unser Tag!” (von dem 84er Titel „Liebesspieler“) werden die Flaggen mit DTH-Logo an den Bühnenseiten hochgezogen. Schließlich ist es soweit: „Schön euch wiederzusehen“, ruft Campino und Freudengeschrei schallt vom Saal als Antwort entgegen. Fast 12 Jahre liegt ihr letzter Auftritt in der Landeshauptstadt zurück. Damals noch mit Wölli, den sie wie andere verstorbene Wegbegleiter „unter den Wolken“ grüßen. Live-Premiere für dieses Lied. Ebenso für den „ICE nach Düsseldorf“, „Die Schöne und das Biest“ und die titelgebende „Laune der Natur“.

Die Zeit des Nichtsehens scheint vergessen mit jedem Song. Alte darunter und ganz alte. Neben den ganz neuen. Wie ein Feuerwerk ziehen Die Toten Hosen damit durch 35 Jahre Bandgeschichte. 35 Jahre ...? War es nicht erst neulich, dass sie „unter falscher Flagge“ auf einem Balkon in der Magdeburger Innenstadt auftauchten? Oder dass Campino in der Stadthalle über die Lautsprecher auf die Balkone hangelte - und damit die Security in Hektik versetzte? 35 Jahre - kaum zu glauben. Ruhiger sind sie nicht geworden. Leiser schon gar nicht. Musikalischer, ja. Textlich flexibler. Die Jägermeister fehlen. Das Stagediving. Wie sich Fallen anfühlt, wissen sie längst. Auch dass Musik eigene Wege geht.

Nicht nur „Tage wie diese“. Es ist das meistgespielte Lied bei Hochzeiten und Beerdigungen, berichtet Campino. Eine Hymne für besondere Tage. Und Konzerte. Wie diesem in Magdeburg, bei dem genau dieses Lied natürlich nicht fehlen darf. Doch bis dahin vergehen gut zwei Stunden.

Zeit, in der Campino singt, schreit, redet, von einer Seite zur nächsten rennt. Die Stimmung hat immer neue Höhepunkte. Gitarrenriffs, Bässe, Drums. Dann wieder Ruhe. Alle setzen sich im Saal und schnellen hoch als Campino singt „Steh auf, wenn du am Boden bist!“ Zwischendurch das Fußballergebnis vom Niedersachsen-Derby und Beileidsbekundung für die aus Braunschweig angereisten Fans.

Heiße Stimmung. Gemeinsames Schwitzen. Die 38 Grad Außentemperatur wirken im Vergleich zum Hallenraum wie eine Abkühlung. Doch die Fans scheinen hart bzw. heiß im Nehmen – lediglich sechs Leute mussten von den Helfern des Deutsches Rotes Kreuz wegen Kreislaufproblemen behandelt werden. „Erstaunlich wenig“, nennt das auch Einsatzleiter Marco Krüper. Den Personen wurde Flüssigkeit verabreicht, ihr Blutdruck gemessen und nach einer kurzen Ruhepause gingen es zurück zum Konzert.

Die Hosen wären nicht DTH, wenn sie nicht auch Stellung beziehen würden – gegen Rechts, gegen Nazis, mit alten wie mit neueren Liedern, mit positionierenden Auftritten wie kürzlich in Dresden und am Montag in Magdeburg. „Hier kommt Alex“ und „Madelaine“ gehören dazu ebenso wie Info-Stände am Rand des Konzerts.

„An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit“. Die Fans auf den Rängen und im Saal bekunden lautstark singend Durchhaltewillen. Doch „Tage wie diese“ läuten das Ende ein. Es ist bereits nach 23 Uhr, als sich die Hosen von der Bühne verabschieden. „Danke, danke, danke“, sagt Campino und wischt sich den Schweiß von der Stirn. So ein Abend schweißt zusammen. „You‘ll never walk alone“ passt als Finalsong - mehr als nur ein Fußballlied, betont Campino. Es verbindet auch die Fans mit der Band, bis zum nächsten Mal, hoffentlich nicht erst wieder in 12 Jahren.