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Premiere für "Sunset Boulevard" im Theater Magdeburg Musical-Klassiker nach zwölf Jahren wieder in Deutschland

15.11.2010, 04:18

"Nur ein Blick, der dich tief berührt…" Erst wenige Minuten läuft "Sunset Boulevard" auf der Opernbühne des Magdeburger Theaters und es ist der Gesang der Marianne Larsen, der das Publikum tief berührt. Ein Beifallssturm fegt durch den Saal. Er bleibt am Premierenabend vergangenen Sonnabend nicht der einzige.

Von Claudia Klupsch

Magdeburg. Für Musical-Fans ist es ein Knüller, dass "Sunset Boulevard" von Andrew Llloyd Webber nach zwölf Jahren wieder in Deutschland zu sehen ist. Erstmals hat ein deutsches Stadttheater die Erstaufführungsrechte für eine neue Inszenierung ergattert. Drei Millionen Pfund teuer war die Uraufführung 1993 in London. Ähnliche Summen dürften in Magdeburg nicht im Budget liegen.

Stefan Huber, versierter Regisseur zahlreicher Erfolgsproduktionen, liefert statt Pomp einen eigenen Magdeburger "Sunset Boulevard" – wenig spektakulär und dennoch mitreißend, 50er-Jahre-Charme und dennoch modern, düster und gleichzeitig licht.

"Sunset Boulevard" ist traurig. Altern ist nichts für Schwächlinge. Norma Des- mond ist schwach. Die einstige Stummfilm-Diva will nicht wahrhaben, dass ihre Karriere vorbei ist. Marianne Larsen ist mit der Figur verschmolzen, so intensiv zeigt sie ihre Ambivalenz, voller Glamour und Elend, narzisstisch und wahnsinnig, exzentrisch und gebrochen. Sie lässt den Stummfilmstar aufleben mit typischen übertriebenen Gesten und theatralischen Mienen, die in Zeiten des Tonfilms grotesk wirken und die gleichzeitig das Tragische symbolisieren.

Publikum ist immer wieder begeistert

Norma passt nicht in die neue Ära und lebt trotzdem die Illusion ewigen Ruhms. Bravourös, mit eingehender kräftiger Stimme schafft es Marianne Larsen, das Publikum immer wieder zu begeistern. "Träume aus Licht" setzt sich im Gehör fest. Norbert Lamla rührt in der Rolle des traurigen Butlers und seinem Lied "Kein Star wird jemals größer sein".

In die Welt der Diva platzt der erfolglose Drehbuchautor Joe Gillis. Er erzählt höchstselbst in "Sunset Boulevard" die Geschichte seines Ablebens: Wie es dazu kam, dass er sich von Norma kaufen ließ, widerwillig ihr Gigolo wurde, wie sie sich an ihn klammerte und das Ganze im Drama enden muss.

Nikolaj Alexander Brucker hat es schwer, im Glanze der Diva zu leuchten. Doch er spielt und singt solide durch und hat seinen gesanglichen Höhepunkt mit dem Lied "Sunset Boulevard". Das Liebes-Duett mit Milica Jovanovic gerät jedoch zu krampfig, zu kitschig und wirkt unecht.

Die Drehbühne im Opernhaus nutzt Bühnenbildner Michael S. Kraus, um zwischen den Welten hin- und herspringen zu lassen.

Die Welt der Diva: schwarz-weiß, wie ein alter Film, mit Spiel aus Licht und Schatten. Würdevollen Schrittes schreitet Norma eine Showtreppe herunter, ausstaffiert mit von Szene zu Szene wechselnden herrlichen Diva-Kleidern (Kostüme: Susanne Hubrich). Die andere Welt: das bunte, grelle Hollywood, hier wird getanzt und gefeiert, läuft die Filmfabrik auf Hochtouren. Zwischen beiden Welten liegen Welten.

Einlagen steigern den Unterhaltungswert

"Sunset Boulebard" ist wohlklingend. Melancholische Melodien, lebendiger Swing und die wunderbaren Lieder verbreiten einen Hauch vom Broadway. Die Musiker der Magdeburgischen Philharmonie sind hervorragend auf die Sänger eingestellt, verstärken dramatisches Bühnengeschehen und fühlen sich in rührende Szenen glänzend ein.

"Sunset Boulevard" ist unterhaltsam, eröffnet das Musical doch den sarkastischen Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik, entlarvt deren Verlogenheit und Brutalität. Komische Einlagen, etwa der Tanz der Herrenausstatter oder die Armada der Schönheits-Pflegerinnen steigern den Unterhaltungswert enorm.

Traurig und unterhaltsam, wohlklingend und komisch, rührend und kitschig – was braucht es mehr für ein gutes Musical-Erlebnis. Da sind aufkommende Längen zu verkraften. Zu empfehlen: "Sunset Boulevard" in Magdeburg.