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Auf dem Magdeburger Theaterschiff feierte das Programm "Nebelhorn-Tango" Premiere Mit Keimzeit und Brecht über die Elbe

Von Klaus-Peter Voigt 08.04.2013, 01:24

Die christliche Seefahrt hat die Gruppe "Nachtschwärmer" ergriffen. Bei einer Fahrt auf der Elbe werden Geschichten von Reisen, der Sehnsucht und fernen Ländern erzählt. "Nebelhorn-Tango", das jüngste Programm auf Sachsen-Anhalts einzigem Theaterschiff, erlebte jetzt seine Premiere.

Magdeburg l "Leinen los, volle Fahrt", die neunte Inszenierung an Bord der MS Marco Polo gibt sich maritim. Für vier Stunden begibt sich der Theatergast an Bord, Langeweile kommt nicht auf. In den Pausen wird an Deck mit Mannschaft und Künstlern geklönt, aus der Kombüse kommt ein Drei-Gänge-Menü, Ulrike Nocker, Matthias Krizek und Oliver Vogt sorgen für den kulturellen Part. Theater ganz anders, losgelöst von der klassischen Bühne, keine klare Trennung von Zuschauern und Akteuren auf dem 27 Meter langen Schiff.

Nicht jeder Gast hat den idealen Platz, aber das stört nur wenig. Sänger und Musiker bespielen eine "Raumbühne", das fordert sie, erweist sich als unglaublich schwer, soll das Publikum auch wirklich am Programm teilhaben können. So herrscht stetig Bewegung, und sie sind überall, die Bretter, die die Welt bedeuten.

Von Magdeburg aus geht es beim "Nebelhorntango" über Flüsse und Meere, an die Themse, nach Singapur und Amsterdam. Regisseur Knut Müller-Ehrecke hat das Konzept des Abends zusammengestrickt, locker und unterhaltsam, ohne dass die Spannung nachlässt. Drei grundsätzlich verschiedene Menschen treffen sich an Bord. Bootsmann, Sängerin und Generalmusikdirektor gehen auf einem Dampfsegler auf große Fahrt, lernen sich kennen. Sie erzählen Geschichten aus ihrem Leben, von der weiten Welt und ihren Träumen.

Musik und Gesang dominieren, dadurch verliert sich manchmal für kurze Zeit der rote Faden der Geschichte. Ein Manko, das die "Nachtschwärmer" mit ihrer Spielfreude doppelt wettmachen. Und, während sie den Nebel wegblasen, wird deutsch gesungen.

Altbewährte Titel von Keimzeit, Silly oder Klaus Hoffmann gehen eine Symbiose ein. Beileibe kein seichtes Programm. Die Auswahl erscheint gelungen, sehr viel Nachdenkliches ist zu hören, ohne dass der Abend zur ernsten Geschichte gerät. Für die drei Akteure gehört der Spaß dazu. Da werden Limericks zum Besten gegeben, Oliver Vogt präsentiert komödiantisch ein Weinkenner-ABC, leicht betrunken und ironisch.

Mit einem Kabinettstückchen erobert Matthias Krizek das Publikum. Als Kellner im Salambo, jenem legendären Nachtlokal auf der Großen Freiheit in Hamburg, zieht er alle Register seines Könnens. "Doch um 12 bin ich die Spitzenattraktion, dann heiße ich Claudia und tanze die Fandango", heißt es im Refrain. Man nimmt\'s ihm ab, vor allem dann, als er statt in seinen schwarzen Tretern in roten Stöckelschuhen "davonschwebt".

Ulrike Nocker wagt sich an Surabaya-Jonny von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Sie unternimmt nicht den Versuch, die großen Interpreten dieses Titels wie Lotte Lenya zu kopieren. Ihr gelingt dadurch eine eigene Sichtweise, das überzeugt.

Mit dem Stück haben sich die "Nachtschwärmer" wohl endgültig auf den Planken eines Schiffes etabliert. Sie agieren souverän im ungewöhnlichen Raum, der erstmals eine eigene Bühnendekoration erhalten hatte.