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Opernhaus Magdeburg Wahre Liebe besiegt in der "Lustigen Witwe" den Mammon

Zwanzig Millionen, wunderschöne Musik und große Gefühle - mehr braucht es nicht, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Zumindest in der "Lustigen Witwe" von Franz Lehár funktioniert das bestens. Am Sonnabend war im Magdeburger Opernhaus die bejubelte Premiere.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 17.11.2014, 01:19

Magdeburg l Lehárs "Lustige Witwe" hatte mit ihrer Uraufführung 1905 in Wien nicht nur einen sensationellen Erfolg, sondern läutete auch eine neue Ära der "Wienerischen Operette" ein. Die Konstellation der Figuren, die musikalische Ausformung, die szenische Operette in der Operette - all das war Vorbild für vieles, was in den folgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg folgte. Die Magdeburger Inszenierung von Leonard Prinsloo greift genau diese Intention auf, macht das Geschehen zu einem Gesamtwerk, das in vollen Zügen alle Sinne berauscht.

Dabei ist die Handlung eher trivial. Es geht um Liebe und Leidenschaft, um Verwechslungen, Intrigen und 20 Millionen einer jungen Witwe, die durch eine arrangierte Heirat einen Staatsbankrott verhindern sollen.

Wunschdenken triumphiert

Im Laufe des Stücks entwickelt sich dann allerdings doch eine echte Liebesbeziehung zwischen Graf Danilo Danilowitsch, hervorragend gesungen von Tenor Markus Liske, seit Jahren eine feste Größe im Magdeburger Ensemble, und der jungen Witwe Hanna Glawari, der die überragende Sopranistin Lilli Wünscher als Gast ihre enorme Präsenz und Stimme schenkt. Das tiefe Gefühl der Liebenden, die allerdings lange brauchen, um sich das zu gestehen, verdrängt all die Ränkespiele ihrer Umgebung, löst sich vom schnöden Mammon. Dieses Wunschdenken gab es also schon vor gut 100 Jahren.

Neben den beiden Protagonisten zeichneten sich vor allem Bariton Roland Fenes als Baron Mirko Zeta und pontevenidrischer Gesandter in Paris, sowie die junge Sopranistin Julie Martin du Theil als Valencienne und seine Frau, durch einfühlsamen Gesang aus, auch wenn sie nicht immer gegen die klangliche Wucht des Orchesters ankamen.

Das wiederum musizierte unter der Leitung von Pawel Poplawski höchst variabel innerhalb der unterschiedlichen Stilmittel Lehárs, die vom mitreißenden Maxime-Couplet zum Walzer, vom Marsch zum Schlager oder zur opernhaften Arie am Pavillon reichen.

Bühne mit Glanz und Glitter

Monika Biegler, verantwortlich für Bühne und Kostüme, ließ alles an Glanz und Glitter auffahren, was Phantasie und Theaterwerkstätten hergeben, und der Chor unter Martin Wagner zeigte sich erneut als sängerisch wie schauspielerisch unglaublich starke Stütze für das pralle Leben auf der Bühne. Eine wahre Augenweide waren die Damen und Herren des Balletts, die bewiesen, dass ein Cancan durchaus nicht nur durch wirbelnde weibliche Beine beeindrucken kann.

Eine wichtige Figur in Lehárs Operette ist der Njegus als Helfer des Barons Zeta, dessen Bedeutung aber weit darüber hinausgeht. Dem Schauspieler Peter Wittig, der ebenso singen und tanzen kann, ist diese Rolle förmlich auf den Leib geschrieben. Er ist der weise Spaßmacher und Strippenzieher, das schlechte Gewissen seines Herrn, die Mozartsche Leporello-Figur und eroberte in Windeseile die Sympathien des Publikums.

Wie wichtig für das Theater Magdeburg das hohe künstlerische Niveau aller Sparten ist, wird an den Erfordernissen einer so opulenten Inszenierung sehr deutlich. Das Ballett war nicht nur für den Cancan im Maxime unverzichtbar, sondern hat mit einer modernen Choreografie, die übrigens ebenfalls Leonard Prinsloo übernahm, ganz eigene und auch eigenwillige Akzente gesetzt.

Der Südafrikaner Prinsloo, der seit 1986 in Deutschland lebt, zählt zu den internationale Größen bei Operette, Musical und Cross-Over-Projekten. Gerade der Cross-Over-Einfluss war spürbar, allerdings so feinfühlig und respektvoll, so dass der eigentliche Charakter des Musikwerkes nicht angetastet wurde.

Die Musik Lehárs in der Operette "Die lustige Witwe" wird häufig als erotisierend beschrieben. Davon ließ sich Prinsloo offenbar anstecken, denn knisternde Erotik war in vielen Szenen ebenso wie feinsinniger Humor vertreten. Da machte es dann auch gar nichts, wenn das begeisterte Publikum bei "Da geh´ich in´s Maxime" mitklatschte oder bei "Ja, das Studium der Weiber ist schwer" eine Zugabe einforderte.

So eine "Lustige Witwe", mit einer solchen üppigen und glamourösen Ausstattung und solchen herausragenden Solisten ist ein Garant für anhaltenden Erfolg. Wann immer man einen zauberhaften Abend mit hinreißender Musik und großen Gefühlen erleben will, ist der Weg zur "Lustigen Witwe" genau der richtige.