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Der Magdeburger Maler und Grafiker Michael Kott hat einen langen Weg zur Kunst hinter sich "Wenn ich in meinem Atelier arbeite, habe ich das Gefühl, dass ich ganz frei bin"

Von Jörg-Heiko Bruns 04.11.2011, 04:23

Michael Kott hat einen langen Weg zur eigentlichen Berufung hinter sich. Heute arbeitet er als Maler und Grafiker in der Magdeburger Porsestraße. Die Volksstimme hat ihn in seinem Atelier besucht.

Magdeburg l Er war Matrose der Binnenschifffahrt, hat sein Diplom nach dem Studium der Schiffbautechnik an der Universität Rostock abgelegt, studierte schließlich Sozialpsychologie, ehe er von 1991-1997 an der Hochschule für Kunst und Design, Burg Giebichenstein, studierte, nämlich das, was ihn schon seit der Kindheit interessierte: Bildende Kunst. Nach einem Zwischenspiel auf der Burg Wendelstein bei Memleben ist der 1957 im sächsischen Döbeln geborene Kott seit 2005 in Magdeburg ansässig.

Ein großer Raum in einer alten Produktionshalle

Früher roch es hier nach altem Maschinenöl bis hinein ins Nachbaratelier seiner Kollegin Beate Schoppmann. Jetzt sind die Böden der alten Produktionshalle saniert und Ölfarben und Terpentin bestimmen nun die Geruchsskala. Michael Kott hat hier sein geräumiges Atelier bezogen. Eine große Staffelei, die von zwei Seiten gleichzeitig genutzt werden kann, beherrscht den Raum in der Nähe der großen Fenster. An den Wänden Arbeiten des Künstlers, alte Plakate und Produktionsnotizen aus den Vorzeiten.

"1987 fing alles an. Ich habe Grabsteine behauen und mich in Plastik versucht."

Michael Kott arbeitet an mehreren Plätzen, im doppelten Sinn der Worte, gleichzeitig. Seinen "Unterhalt" verdient er im Malsaal des Magdeburger Theaters, eine Arbeit, die ihm Spaß macht, aber eben nicht die freie Kunst verkörpert. "Ich muss Eigenes machen. Wenn ich in meinem Atelier arbeite, habe ich das Gefühl, dass ich ganz frei bin. Und ich habe auch gar keine andere Möglichkeit, mich aus meinem Inneren heraus mitzuteilen", lässt der Künstler wissen.

"Mit Grabsteinen fing 1987 alles an. Ich habe sie behauen und mich in Plastik versucht." Schon damals drängte es ihn zur Kunst. In dem Hallenser Produktionsbetrieb, in dem er an verantwortlicher Stelle arbeitete, musste er bleiben, eine Delegierung zum Kunststudium bekam er dort nicht.

Die Umbrüche von 1989/90 kamen ihm zu Hilfe, 1990 schrieb er sich sogleich an der berühmten Burg Giebichenstein ein und begann 1991 sein Studium, das er 1997 mit dem Diplom beendete.

Mit utopischen Vorstellungen und viel Illusionen ließ er sich mit anderen Künstlern auf der Burg Wendelstein bei Memleben nieder, gründete eine Galerie und führte ein fröhliches Burgleben. "Nach zwei Jahren war aber das Geld alle und die Luft war raus", gesteht Michael Kott.

Er hat noch eine weitere Leidenschaft, bei Künstlern kaum vorstellbar, die Jagd. "Das konnte ich meinen zum Teil übersensibilisierten Kommilitonen natürlich nicht so direkt erzählen, aber einer meiner Professoren kam dahinter und war schließlich von meiner Waffe als Designobjekt fasziniert. Ja, ich erschieße immer mal ein Schwein und esse es dann auch auf."

Sein Revier samt wackliger Waldhütte liegt bei Wippra im Harzer Staatsforst. Allerdings: Dieses Hobby schlägt sich selten sichtbar in seiner Kunst nieder, eine Ausnahme ist da die frech-ironische Acrylmalerei "Horrido". In Frankfurt am Main hat er gerade ein 24 Meter langes, comicartiges Wandbild für das Keltenmuseum fertiggestellt, was er aber eher als Gebrauchskunst sieht.

Veränderungen in jüngster Zeit

In seinem Atelier stapeln sich die Skizzenbücher. "Irgendwie stagniert es wohl gerade bei mir ein wenig, denn es gab in letzter Zeit einige beeinflussende Veränderungen", resümiert der Künstler. Und dennoch gibt es für den Besucher viel zu entdecken.

Da sind seine von der Malerei der Moderne des 20. Jahrhunderts inspirierten Köpfe, die er schon in verschiedenen Ausstellungen zeigte. Dazu sagt er: "Die Beschäftigung mit der inneren Welt, den Wirkungen auf das Ich, offenbart mir ein breites Spektrum bildnerischer Ausdrucksmöglichkeiten. Es ist eine Suche, ein vorsichtiges Freilegen verwundeter und verletzter Orte in mir und den Menschen, die mich umgeben."

"Es ist ein vorsichtiges Freilegen verwundeter und verletzter Orte im Menschen."

Dem stehen abstrakte Versuche gegenüber, die landschaftlich interpretiert werden können, oder das temperamentvolle "Böse Tier", das an einen Stier vor rotem Tuch erinnert. Eine expressive Elblandschaft kommt mit wenigen Farben aus, Schwarz und Weiß bestimmen das Bild, während Brauntöne quer durch das Bild den Damm markieren. Die Gouache entstand im Rosenhof seines Freundes und Kollegen Reinhard Rex, der dort an der altmärkischen Elbe immer mal wieder Kollegen zur gemeinsamen Arbeit einlud.

Eine professionelle Neugier bleibt produktiv

Ganz anders hat sich Kott In verschiedenen Techniken, vom Holzschnitt bis zur Malerei, der symbolhaft reduzierten menschlichen Figur genähert. Hier ist es noch die 25000 Jahre alte Venus von Willendorf, in anderen Arbeiten denkt der Betrachter eher an eine Mumie als Zeichen für Vanitas (Vergänglichkeit) oder das Diesseits und das Jenseits und schon kommen auch Charon, der Fährmann zur Totenwelt, oder auch nur sein Boot ins Bild. Den Künstler interessieren zur Zeit Ausgrabungen, so dass sich hier vielleicht neue Arbeitsfelder verweben könnten.

Kott hatte in den letzten Jahren zahlreiche Ausstellungen, so unter anderem in Magdeburg, Merseburg, Dessau, Quedlinburg, Tangermünde und Potsdam. Seine professionelle Neugier bleibt produktiv, so dass man keine Sorge haben muss, seinen Arbeiten nicht wieder mit Freude zu begegnen.