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Kunstmuseum New Yorker Fotograf stellt in Magdeburg aus

Der in New York lebende Fotograf Phillip Toledano zeigt zwei Porträt-Serien im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen.

Von Grit Warnat 16.11.2017, 00:01

Magdeburg l Phillip Toledano, 1968 in London geboren, seit vielen Jahren in New York lebend, war lange Zeit für die Werbebranche tätig, gefragt von namhaften Magazinen und großen Zeitungen. 2005 begann er mit eigenen künstlerischen Projekten. Zwei seiner ersten Serien sind nun in Magdeburg zu sehen. Eine ist „Days With My Father“, in der Toledano die letzten drei Lebensjahre seines an Demenz erkrankten Vaters fotografisch festgehalten hat. Elf Fotografien der Serie, die von 2006 bis 2009 entstanden war, waren bereits in der jüngst zu Ende gegangenen Reformationsschau ausgestellt. Jetzt hängt die Serie fast vollständig im Kunstmuseum – angeordnet wie das Auf und Ab des Lebens, wie die Brüche der Zeit, und mit Anmerkungen des Sohnes bereichert. „Dies ist ein Tagebuch“, schreibt der Fotograf.

Es sind sehr emotionale, sehr persönliche Bilder, die mit den Texten wie eine Reportage vom späten Leben des Vaters erzählen, die von einer Zeit handeln, in der das Kurzzeitgedächtnis eines Menschen nicht mehr funktioniert. Es ist ein Festhalten des Alterns und des Lebens mit einer Krankheit, die äußerlich nicht sichtbar wird. Da scheint der Vater stark, die Fäuste ballend und lächelnd, fast mit Koketterie in die Kamera blickend, der Vater als eifriger Geschichtenerzähler und als Schauspieler, der er einmal war. Er ist da auf dem Bildschirm zu sehen in dieser Detektivgeschichte mit Charlie Chan, gedreht in den 1930er Jahren. So war der Vater, jung, attraktiv, voller Lebensdrang.

Dieser Blick zurück vermischt sich mit dem Verletzlichen, der immer größer werdenden Hilflosigkeit. Der Greis an der Gehhilfe, auf der Toilette, zärtlich Hand in Hand mit Phillip Toledanos Frau Carla. Ein bunter Luftballon mit der Aufschrift „Happy Birthday“ ist am leeren Rollstuhl festgemacht. Der Vater war da 98 Jahre geworden. Nicht nur dieses, jedes Bild rührt an. Da hat es ein Sohn geschafft, mit Sensibilität und viel Feingespür die Erinnerung und den Abschied als Bild-Textbezogene Arbeit festzuhalten.

Fast zeitgleich, von 2008 bis 2010, arbeitete Toledano an einer ganz anderen Serie. Er porträtierte Menschen, die sich mit Schönheitsoperationen haben verändern lassen, sich einem vor allem in den USA ausgeprägten Schönheitsideal annähern wollten. Bei Toledano wirken diese Männer und Frauen wie Anime-Figuren, voller Künstlichkeit, beinahe skulptural vor dem schwarzen Hintergrund. Ein Alter ist nicht auszumachen. Falten gibt es nicht. Lippen sind prall und wohlgeformt dank Botox, Wangen aufgepolstert und schön ebenmäßig, die Brüste extrem groß unter dem die Nackheit verhüllenden Tuch. Toledano wirft viele Fragen auf. Was prägt den Schönheitsbegriff? Was empfinden wir als schön? Und: Was treibt Menschen, den eigenen Körper so zu bauen, wie man ihn gern haben möchte, und sich somit chirurgischen Eingriffen auszusetzen? Nach welchem Ideal sehnt sich der Mensch?

Angel, eine der Porträtierten, erinnert mit ihrem blonden Haar und rotgeschminkten Lippen an Marilyn Monroe. Steve präsentiert seinen asketischen Körper, aufgehübscht mit Implantaten und Gesichtslifting, selbst bei den Brustwarzen hat der Schönheitschirurg nachgeholfen. Sein Körper erzählt dem Betrachter förmlich von den tiefgreifenden Veränderungen.

Was ist die Sehnsucht all dieser Schönheitsfanatiker? Etwa das Altern ausschalten zu können und die Sterblichkeit, die Toledano so eindringlich in seinen „Days With My Father“ abgelichtet hat? „A New Kind of Beauty“ mit den oft frontalen Blicken in die aufgespritzten Gesichter irritiert und befremdet.

Beide Serien, 2015 in den Hamburger Deichtorhallen schon einmal zu sehen gewesen, sind in Magdeburg unter dem Ausstellungstitel „Who am I?“ vereint, der Frage also, wer man ist. Genau die stellt man sich, wenn man diese Ausstellung verlässt.