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300. Todestag Leibniz: Erfinder, Entdecker, Weltverbesserer

Viele halten ihn für einen Keksbäcker - dabei ist Gottfried Wilhelm Leibniz einer der wichtigsten Gelehrten der Frühaufklärung. Das Universalgenie starb vor 300 Jahren in Hannover, bis heute birgt sein sagenhafte 200 000 Seiten umfassender Nachlass Überraschendes.

Von Christina Sticht, dpa 11.11.2016, 07:25

Hannover (dpa) - Er sprudelte über vor Ideen und suchte Lösungen für die großen Fragen der Menschheit: Gottfried Wilhelm Leibniz, der am 14. November vor 300 Jahren im Alter von 70 starb, gilt als das letzte Universalgenie.

Zeitlebens trieb ihn ein unerschütterlicher Optimismus an. Der Philosoph, Mathematiker und Fürstenberater war bis zu seinem Tod überzeugt davon, die Welt verbessern zu können. Er wollte die Spaltung der Kirche überwinden und entwickelte eine Universalsprache, um Missverständnisse zwischen den Völkern zu beenden.

Seine Visionen auf unterschiedlichsten Gebieten inspirieren Wissenschaftler bis heute, sagt der Leiter des Leibniz-Archivs in Hannover, Michael Kempe. So sei kürzlich ein Software-Entwickler aus den USA angereist, um in Leibniz' Schriften Anregungen für neue Algorithmen zu finden. Die niedersächsische Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek verwahrt den Nachlass des großen Denkers. Etwa 200 000 handschriftlich beschriebene Seiten lagern hier, darunter der zum Unesco-Welterbe gehörende Briefwechsel mit 1300 Briefpartnern rund um den Erdball. Leibniz dachte global und suchte die Nähe zu Russland und China, um von anderen Kulturen zu lernen.

Im Jubiläumsjahr sind teils noch nie gezeigte Glanzstücke aus dem Nachlass in abgedunkelten, klimatisierten Ausstellungsräumen zu bewundern. Die Schau 1716 - Leibniz' letztes Lebensjahr spiegelt die großen Themen des hochbegabten Wissenschaftlers, der 40 Jahre lang als Hofrat und Bibliothekar des Welfenherzogs in Hannover wirkte. In der Mathematik war er seiner Zeit weit voraus. Ohne das von Leibniz beschriebene Dualsystem gäbe es keine Computer. Seine Überlegung, dass Raum nichts Absolutes ist, verweist bereits auf Einsteins Relativitätstheorie.

Leibniz beschränkte sich nicht auf die Theorie, er war ein Forscher mit Hang zum Abenteuer. Der Hofrat kraxelte durch die Bergwerke des Harzes und konstruierte Windmühlen zum Antrieb von Pumpen. Weil ihm das Schreiben in der wackligen Postkutsche schwerfiel, entwarf er bequeme Reisesitze und Kabinen. Stets hatte der Frühaufklärer das große Ganze im Blick: Seine nie vollendete Geschichte der Welfen im Auftrag des Hofes begann Leibniz mit einer Abhandlung über die Entstehung der Erde. Grundlage waren auch eigene Fossilien wie ein versteinerter Mammutzahn, den er bei Bad Pyrmont fand. Er ist in der Schau erstmals öffentlich zu sehen.

Die Besucher bekommen zudem Einblick in die Zettelwirtschaft des Junggesellen, der gern seinen Wein mit Kirschsaft panschte. Er hat assoziativ gearbeitet und alles auf einmal gemacht, erzählt Kempe. So kann sich auf einem einzigen Blatt eine technische Zeichnung, eine philosophische Idee, eine mathematische Formel und Klatsch vom Hofe finden. Später zerschnitt er solche Zettel. Derzeit wird Leibniz' Werk Mathematica, das aus über 7000 Schnipseln besteht, mit modernster Computertechnik zusammengesetzt.

Erschlossen ist das Gesamtwerk des Multi-Talents noch lange nicht. Es ist der größte Gelehrtennachlass der Weltgeschichte, sagt der Leiter des Archivs in Hannover. Die 1923 begonnene Gesamtedition der Schriften wird voraussichtlich bis zum Jahr 2055 dauern. Kempe glaubt, dass weitere Überraschungen im Nachlass schlummern. Leibniz hält Antworten bereit auf Fragen, die wir im Moment noch gar nicht stellen.

Die vielfältigen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr haben das Universalgenie in Deutschland bekannter gemacht, ist der Leibniz-Experte Georg Ruppelt überzeugt. Noch immer halten ihn mehr Menschen für einen Keksbäcker als für den Erfinder der Integral- und Differentialrechnung. Aber das ändert sich. Leibniz habe nicht nur Grundlagen für die digitale Welt gelegt. Er war auch jemand, der den Ausgleich und den Frieden suchte.

Leibniz 2016

Die Ausstellung 1716 - Leibniz' letztes Lebensjahr ist in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek noch bis zum 31. Dezember montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 15 Uhr zu besichtigen. Nach Anmeldung werden auch Führungen angeboten.

Die Leibniz-Rechenmaschine. Foto: Holger Hollemann
Die Leibniz-Rechenmaschine. Foto: Holger Hollemann
dpa