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Die zeitgenössische Kammeroper "Ios Passion" feierte am Magdeburger Schauspielhaus Premiere Menschliche Göttlichkeiten mit einer Prise Humor in einem gelungenen Experiment

Von Rolf-Dietmar Schmidt 10.04.2012, 03:25

"Ios Passion" ist eine zeitgenössische Kammeroper des britischen Komponisten Harrison Birtwistle, die am Sonnabend Premiere im Magdeburger Schauspielhaus hatte. Das künstlerische Experiment erntete viel Beifall beim Premierenpublikum.

Magdeburg l Streng genommen ist die Kammeroper eine kleine Oper mit nicht mehr als fünf Sängern und einem Kammerorchester. Diese Form ist noch jung, wurde in den 1940er Jahren von Benjamin Britten begründet und ist zumeist in nur wenigen Häusern in großen Städten zu sehen und zu hören. Magdeburg kann sich seit geraumer Zeit in diese Riege einreihen, denn im Schauspielhaus hat man durchaus Erfahrungen mit Kammeropern als Katalysatoren künstlerischer Entwicklung.

Uraufgeführt im englischen Aldeburgh

"Ios Passion" des britischen Komponisten Harrison Birtwistle hatte 2004 seine Uraufführung in Snape Maltings, Aldeburgh. Bekannt ist die Konzerthalle dort vor allem durch das Festival zeitgenössischer Musik, das 1948 von Benjamin Britten ins Leben gerufen wurde.

Entstanden ist die Kammeroper "Ios Passion" nicht in der herkömmlichen Weise "Inhalt-Libretto-Musik", sondern hat sich aus der szenischen Idee des Komponisten entwickelt. Er wusste zuerst, was er auf der Bühne sehen wollte, alles andere folgte dann. Folglich sind die szenischen Anweisungen sehr detailliert und Regisseur Oliver Klöter sowie der musikalische Leiter Jovan Mitic haben diese Grundintention von Birtwistle sehr ernst genommen, ohne ihr sklavisch zu verfallen.

Das hat der Inszenierung sehr gut getan, denn die Musik, Ausführende waren Lea Hamm, Barbara Hentschel, Ingo Fritz, Christoph Schinke und Georgiy Lomakov der Magdeburgischen Philharmonie, bildet einen Rahmen der einzelnen Szenen, ohne sie zu treiben. In ihrer zeitgenössischen Ausprägung verbindet sie auf eine fast zurückhaltende Weise kompositorisch das Geschehen, immer bemüht, rechtzeitig vor dem Hinübergleiten in klassische Harmonien die Richtung zu wechseln.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein musikalischer Spannungsbogen, der in besonderer Weise durch das wechselseitige Agieren der Künstler unterstrichen wird. Es singen und spielen Kammersängerin Ute Bachmaier, Teresa Sedlmair, Michaela Winterstein, Erwin Belakowitsch, Roland Fenes und Axel Strothmann.

Der Inhalt der Kammeroper tritt dabei in den Hintergrund. Es geht vor allem um die szenische Gestaltung einer Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, deren Ursprung und Ausgang im Dunklen bleiben. Er sucht ihre Nähe, sie die Distanz.

In sich wiederholenden, fast gleichen Abläufen verständigen sie sich über Briefe. Beim Lesen eines Buches der griechischen Mythologie werden dann in den Träumen der Frau die Göttergestalten Realität, die trotz einer gehörigen Prise Humor in der Darstellung lediglich die Abgründe menschlichen Handelns widerspiegeln. Gier, Lüge, Täuschung, Sex und Rache - wie menschlich ist da die Göttlichkeit.

Eine Kammeroper ist auch für die Gesangsstimmen eine besondere Herausforderung. Weniger ist hier oft mehr, die stimmliche Nuancierung häufig wichtiger als die gesangliche Kraft, auch den letzten Rang zu erreichen.

"Ios Passion" ist ein gelungenes künstlerisches Experiment, das seinen besonderen Reiz durch die Verbindung von Musik- und darstellendem Theater erzielt. Es festigt den inzwischen weit über die Landesgrenzen gedrungenen Ruf des Magdeburger Theaters, auch in der zeitgenössischen Musikinszenierung ein gewichtiges Wort mitzureden.

Weitere Vorstellungen der Kammeroper "Ios Passion" spielt das Magdeburger Schauspielhaus am 15., 18., 22. und 29. April und am 13. Mai.