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Neues Album Bilderbuch feiern den Luxus Freiheit

Mit einem politischen Album meldet sich die österreichische Band Bilderbuch zurück. Die sechste Platte konzentriert sich auf Freiheit.

23.02.2019, 23:01

Wien (dpa) l Autos, teure Getränke und Smartphones und am besten noch mit Markennamen: Zuletzt haben sich die vier Herren von Bilderbuch an der Konsumwelt im digitalen Zeitalter abgearbeitet. Auf "Vernissage my Heart", das am Freitag (22. Februar) erscheint, geht es jetzt zumindest stellenweise um ein ganz anderes Luxusgut. Mit Texten, die Unbeschwertheit, die Weite von Himmeln und der Galaxie, die Autofahrten ohne Grenzen oder auch mal die Absage an Social Media beschwören, steht dieses Mal vor allem Freiheit im Fokus des neuen Albums.

Und das ist nicht nur das inzwischen sechste, sondern auch das zweite Album der Österreicher innerhalb kurzer Zeit: Erst im Dezember war "Mea culpa" erschienen und schon da "Vernissage my Heart" angekündigt worden. "Natürlich war mehr Material da", erklärt Sänger Maurice Ernst die Entscheidung für zwei Alben kurz nacheinander. "Vielleicht ist es markt-technisch ein Schmarrn, aber man kann es ja auch mal anders angehen. Vielleicht muss nach dem Album erst einmal ein Gedankenstrich gezogen werden, vielleicht geht es aber gleich weiter. Warum soll man sich limitieren?", fragt Ernst.

Den Luxus, sich von Musikmarkt-Regeln zumindest etwas frei zu machen, kann sich das Wiener Quartett inzwischen aber auch leisten. Bilderbuch zählte in den vergangenen Jahren mit zu den erfolgreichsten Pop-Exporten Österreichs. Inzwischen hat die Band aber auch schon längst ihr erstes Jahrzehnt hinter sich gebracht. Auf ihre Ursprünge lässt sich noch durch den Namen schließen.

Anfangs erspielten sich die damals jugendliche Mitglieder eine erste Fangemeinde durch die Vertonung von Kindergeschichten wie dem Struwwelpeter, wie Sänger Maurice Ernst erklärt: "Das hatte auch etwas: diese grobe, todernste Moral der Geschichten gepaart mit unserer düster-pubertären Stimmung. Und der Name passt ja auch heute irgendwie noch: Es geht um eine visuelle Art der Musik und eine gesunde Naivität. Das hat natürlich etwas kindliches."

Dass sich Bilderbuch deshalb nicht mit dem Ernst des Lebens auseinandersetzen würde, ist aber ein fahrlässige Unterstellung. "Politik war schon immer irgendwie da. Das ist nur nie rezipiert worden, weil wir es auch nicht krass in den Vordergrund stellen", sagt Ernst. "Aber natürlich ist das bei uns gegenüber Bands wie den Toten Hosen oder Feine Sahne Fischfilet überhaupt kein Vergleich. Wir wollen auch gar nicht konkret politisch sein. Man muss es den Leuten ja auch nicht reindrücken." Bilderbuch wolle ein Grundgefühl wiedergeben.

Etwas konkreter wird es dann etwa mit "Europa 22", dem letzten der acht Lieder auf "Vernissage my Heart". Ernst singt dabei in seinem typischen Sprachmix: "Ein Leben ohne Grenzen./Eine freedom zum Verschenken./Eine Freiheit nicht zu denken./I better open my eyes./Ich mach die Augen auf."

Dass ihm Europa ein Anliegen ist, betont Ernst auch im Interview: Es nerve ihn, dass Europa nicht wertgeschätzt werde. "Dabei haben wir Tausende Vorteile: Wir können einfach in den Flieger steigen und ins nächste Land fliegen oder mit dem Auto mal eben über eine Grenze fahren. Das ist ein derart leichtfertiges Erleben von Freiheit, wie es noch vor 50 Jahren kaum denkbar war." Zum Lied selbst erklärt Ernst: "Kapitalismus ist ein trauriger Nebeneffekt dieser Freiheit. "Europa 22" soll mich selbst wachrütteln, mich an die Vor- und Nachteile erinnern. Die Zahl "22" soll einfach Spannung reinbringen – ist es ein Ablaufdatum, oder der Startpunkt?"

Dabei kann man der Band beim Bezug zu Europa auch einen marktstrategischen Schachzug unterstellen: Vom virtuellen Europäischen Pass, den sie seit Kurzem auf ihrer Website bereitstellen, machten zuletzt auch prominente Internetnutzer wie Jan Böhmermann Gebrauch. Der Kunstausweis lässt sich mit Daten und Foto personalisieren und wird als Bekenntnis zu Europa eifrig in den Sozialen Netzwerken geteilt.

"Vernissage my Heart" führt vieles, womit sich Bilderbuch zuletzt ein Namen gemacht hat, fort: entspannter Pop mit Spezialeffekten, relaxten Gitarren und Texte mit viel Lautmalerei und viel "Baby", "Bubu", "lala" und "lulu". Gerade Letzteres bescherte Sänger Ernst da oft Dada-Vergleiche, die er nicht allzu gerne hört: "Natürlich gibt es dadaistische Momente, aber ich denke mir natürlich etwas bei meinen Texten." Trotzdem "Vernissage my Heart" solle ein Aufbruch sein, sagt Ernst. "Wir wollen als nächstes den Laptop komplett zuklappen und mehr auf echte Instrumente setzen." An denen mangele es nämlich im aktuellen Pop-Geschäft.