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Operettensommer Die Christel von der Post ist da

Auf dem Bierer Berg kommt die Operette seit 1997 ganz groß aufs Tapet. Zellers "Der Vogelhändler" hatte Premiere.

Von Klaus-Peter Voigt 24.06.2018, 23:01

Schönebeck l Im Salzlandkreis wird die leichte Muse gepflegt. Das kommt an, der Operettensommer lockt inzwischen sein Publikum nicht nur aus der Region an. Ein klassisches Genre kommt zu neuer Blüte. Kaum ein Komponist steht so sehr für die „Goldene Ära“ der Wiener Operette wie Carl Zeller. Nun also „Der Vogelhändler“, der 1891 seine Uraufführung erlebte und nahezu zum Inbegriff der deutsch-österreichischen Heimatoperette wurde. Zahlreiche Melodien haben sich zu Evergreens entwickelt: „Grüß euch Gott, alle miteinander“, „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ oder „Ich bin die Christel von der Post“.

Ein leichtes Spiel für Regisseurin Katharina Kutil? Keineswegs, allein die Suche nach der Urfassung des Stücks hat sie beschäftigt. Bei der Carl-Zeller-Gesellschaft in St. Peter in der Au stieß sie auf eine Handschrift vom Ende des 19. Jahrhunderts, die mühsam von der Kurrentschrift übertragen werden musste. Der Aufwand hat sich gelohnt. Ihre Bearbeitung fußt auf diesem Text, ohne ganz auf zeitgemäße Hinzufügungen zu verzichten; witzige Dialoge prägen die in der Rheinpfalz angesiedelte Operette.

Baron Weps ist knapp bei Kasse, will aber die Schulden seines Neffen, Graf Stanislaus, begleichen. Kurzerhand gibt der sich als Kurfürst aus, das Spiel aus Verwechslungen und Liebesirrungen beginnt.

Im Mittelpunkt stehen der Vogelhändler Adam und seine Christel. Heiraten kommt nicht in Frage, beiden fehlt das nötige Geld. Mit einer Bittschrift geht die Postzustellerin vor den scheinbaren Kurfürsten, um eine Anstellung für ihren Adam zu erwirken. Dieser flirtet indes mit der als Bauernmädchen verkleideten Kurfürstin Marie. Doch wie sollte es anders sein, führen alle Missverständnisse schließlich zum glücklichen Ende, Adam und Christel kriegen sich.

Kutils Inszenierung zeigt sich flott und putzmunter. Auf der Bühne geht es lebendig zu. Lauren Slater-Kleins Choreografie trägt das Ihrige dazu bei, Schuhplattler inklusive. Totos Ausstattung setzt auf ein Bühnenbild, das von Erd- und Goldtönen seine Prägung bekommt. Goldene Eier, blutrote Herzen in 13 goldenen Käfigen gefangen, übergroße Papageien und ein paar Schafe gehen eine Symbiose ein. Das Ganze erscheint wuchtig, macht die Bühne scheinbar größer. Dazu eine Vielzahl prächtiger Kostüme ganz traditionell mit einer Spur von Rokoko. Einige Darsteller sind hinter den Kulissen mit dem Wechsel ihrer Kleidung ständig beschäftigt. Diese Vielfalt wird zum Genuss für die Augen.

Mit den Sängern gelangen gleich mehrere Glücksgriffe. Da wäre Christina Maria Heuel als Christel, die im vergangenen Jahr in der Titelrolle vom „Schwarzwaldmädel“ ihr Debüt auf dem Bierer Berg gab. Gesanglich überzeugt sie, gibt eine Postbotin natürlich und unkapriziös, die um ihren Vogelhändler (Richard Klein) kämpft. Auch der strahlt stimmlich aus, schafft es, den Tiroler so auf die Bühne zu bringen, dass man ihm die Rolle abnimmt. Seine Tiroler Herkunft scheint da von Vorteil. Beide verkörpern bodenständige Volkstypen. Überhaupt prägt die sprachliche Vielfalt unterschiedlicher Dialekte die Handlung, das kommt an.

Karsten Mewes als Baron Weps spielt seine Fähigkeiten als Heldenbariton, der bei ungezählten Wagner-Inszenierungen gefragt ist, aus. Der Wechsel ins, möchte man in diesem Fall sagen, heitere Fach, bekommt der Inszenierung. Da sitzt jede Bewegung, jede Mimik. Einige der Vertreter des kurfürstlichen Hauses erscheinen nicht elitär, haben das Zeug zu liebenswerten Überzeichnungen, wie auch Beate Mewes (Adelaide). Gerd Jaburek (Graf Stanislaus) und Elizabeth Wiles (Kurfürstin Marie) stehen dem Ensemble keineswegs nach. Mit der Interpretation von „Ich bin der Prodekan“ mit Professor Süffle (Alexander Klinger) und Professor Würmchen (Jörg Sändig) gelingt ein regelrechtes fast kabarettistisches Kabinettstückchen.

Unter Gerard Oskamps Dirigat agiert die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie hörenswert, meistert die Besonderheiten der Freilichtbühne ohne Fehl und Tadel. Das Publikum zollte mehr als anerkennenden Beifall. Bravorufe, Pfiffe und Standing Ovations sprachen für sich.

Weitere Aufführungen bis zum 22. Juli täglich außer montags und dienstags, 16 Uhr, am So., 8. Juli, zusätzlich auch um 11 Uhr.