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Förderung Orchester bangt ums Weiterleben

Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie kämpft um ihre Existenz - obwohl Sachsen-Anhalt ab 2019 mit dem neuen Orchestervertrag mehr Geld gibt.

Von Grit Warnat 01.12.2018, 00:01

Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie kämpft um ihre Existenz – obwohl Sachsen-Anhalt ab 2019 mit dem Orchestervertrag mehr Geld gibt.

Magdeburg/Schönebeck l Anita Bader ist schon lange im Theatergeschäft. Sie weiß, dass der leidige Kampf ums Fördergeld zur Arbeit gehört wie die Musiker auf der Bühne. Die Geschäftsführerin der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie kennt brenzlige Situationen. Aber jetzt, das spürt sie, ist es besonders brenzlig.

Der Vertrag mit dem Land, das etwa ein Drittel der Förderung trägt, läuft Ende des Jahres aus. Das ist keine Kammerphilharmonie-Besonderheit. Für alle Theater und Orchester im Land gibt es neue Verträge für die nächsten fünf Jahre – und damit mehr Geld. Die Grundförderung wird generell angehoben. Wird der Haushalt des Landes kurz vor Weihnachten verabschiedet wie geplant, gibt Sachsen-Anhalt allein im kommenden Jahr 36 Millionen Euro für die Theater und Orchester aus. Aktuell sind es 32,4 Millionen Euro.

Und so könnte sich die Orchester-Geschäftsführerin eigentlich freuen. Wären da nicht die momentanen Diskussionen in den Ausschüssen des Kreistages um die Weiterfinanzierung des Orchesters. „Es geht nie um unsere Qualität“, sagt Bader.

Es geht ums Geld. Um die Finanzen des Salzlandkreises als Träger des Orchesters ist es nicht gut bestellt. Landrat Markus Bauer (SPD): „Der Kreis stützt das Orchester seit Jahren, obwohl angesichts der Finanzlage zunehmend engere Diskussionen geführt werden müssen.“

Mit 405 .000 Euro will das Land bis 2023 jährlich die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie fördern. Das sind fast 64.000 Euro mehr als bisher. Der Landkreis würde sich auf 790.200 Euro verpflichten – eine jährliche Aufstockung um 37.600 Euro.

Zudem beteiligt sich das Land an der sogenannten Dynamisierung der Personalkosten. So hatte es Kulturminister Rainer Robra (CDU) schon vor Monaten für sämtliche Verträge angekündigt. Er sagte aber auch: Wenn das Land mehr gibt, muss sich auch der Träger stärker einbringen.

So will das Land der Kammerphilharmonie im kommenden Jahr 18  500 Euro geben und seine Jahresscheiben bis 2023 auf 95  500 Euro aufstocken. Der Landkreis soll das mit Blick auf eine Annäherung an den Flächentarif ebenso zahlen.

Im Moment liegen die Musiker bei knapp 75 Prozent des Flächentariflohnes. Was anderes als einen Haustarifvertrag, der eigentlich als Übergangslösung gedacht sein sollte, kennen sie nicht.

Trotzdem legte das Land dem Landkreis zwei Verträge vor: Mit und ohne Dynamisierung seitens des Landkreises. Robra sagt: „Inzwischen gibt es Signale aus dem Landkreis, dass auch er im Interesse der Förderung des Orchesters seinen Anteil an der Dynamisierung beibringt.“

Der Beschlussvorschlag der Kreisverwaltung, der im Moment kontrovers diskutiert wird und den Abgeordneten am 3. Dezember im Haushalts- und Finanzausschuss sowie am 5. Dezember im Kreistag in Bernburg vorliegt, sieht denn auch diese Dynamisierung vor. Zudem würde sich der Kreis an einer weiteren Deckungslücke im Wirtschaftsplan beteiligen.

Das Problem: Allein der Nachtragshaushalt des Salzlandkreises weist schon einen Fehlbetrag von einigen Millionen aus. Das Geld ist knapp. Vor diesem Hintergrund gab es selbst im Kulturausschuss nur eine knappe Mehrheit für die Vertragsunterzeichnung.

Es sind die schlechten Finanzen, die auch bei der Stadt Schönebeck herangeführt wurden, sich ab 2019 der Mitunterstützung zu entziehen. 80 .000 Euro fehlen dadurch dem Orchester. Die Entscheidung der Stadt war ein Schlag ins Kontor des Ensembles, das nicht nur seinen Sitz in Schönebeck hat, sondern dort auch seit 22 Jahren zum Operettensommer lädt. Mehr als 17 .000 Besucher kamen allein im vergangenen Sommer.

Zum 70. Geburtstag des Orchesters erst vor zwei Monaten hatte Schönebecks Oberbürgermeister den Klangkörper als ein Glanzlicht bezeichnet und mit Blick auf die Zukunft gemeint, man gebe sich größte Mühe.

Von größter Mühe aber kann der Klangkörper nicht leben.

In der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie spielen 23 festangestelle Musiker. Es ist ein kleines Orchester. Es gibt 130 Konzerte im Jahr – vom Neujahrskonzert bis hin zur Musik in kleinen Dorfkirchen. Das Credo seit vielen Jahren: Kultur auch auf dem Lande und bezahlbar für jeden. „Ohne die Kammerphilharmonie wären wir unverhältnismäßig dauerhaft ärmer, als der Landkreishaushalt kurzfristig finanziell entlastet würde“, sagt der Landrat.

Ein Kreistagsmitglied schlug ein Telefonorchester vor, das auf Bedarf zusammengerufen wird. Andere reden über höhere Eintrittspreise, auch über mehr Konzerte, um die Einspielergebnisse zu verbessern. „Mehr geht nicht“, sagt Anita Bader, die gern auf die 36 Prozent verweist, die das Orchester einspielt. Eine Zahl, die wahrlich ihresgleichen sucht. Bader spricht dann auch gern von der Zusammenarbeit mit dem Theater der Altmark in Stendal, wo die Schönebecker zu Konzerten und Musicals aufspielen. Das Land setzt auf solche Kooperationen.

Trotz all der Diskussionen zeigt sich Kulturstaatssekretär Gunnar Schellenberger (CDU) optimistisch: „Ich denke, es wird ein klares Votum für das Orchester geben.“ Schellenberger ist Mitglied des Kreistages. Er werde wegen Befangenheit nicht mit abstimmen.

Gibt es auch bei anderen Partnern Sorge, dass Verträge nicht unterzeichnet werden? „Nein“, sagt Robra. Auch für das Theater Eisleben sehe das Land keine Anhaltspunkte, dass der Vertrag nicht unterzeichnet werden wird.

Am Montag hat Anita Bader Rederecht im Finanzausschuss. Mittwoch fällt die Entscheidung im Kreistag. Auch das Land wird nach Bernburg schauen.