Theater Marameo spielt "Die Räuber" in der Magdeburger Möllenvogtei Schiller im Garten: Parabel über die besondere Saat der Gewalt
Magdeburg. Nach Amphitryon und Pinoccio mit dem Poetenpack läuft nun vom Theater Marameo "Die Räuber" von Friedrich Schiller als dritte Klassiksommertheaterproduktion im Magdeburger Möllenvogteigarten. Am Donnerstag erlebten die Zuschauer die Premiere in der Inszenierung von Andreas Lüder.
Die Akteure sind laut und grob, sie sind sehr zornig und auch sehr vergnügt. Die Jugendlichen, die sich um den gescheiterten Studenten Karl Moor scharen, kennen wir alle auch aus der Gegenwart. Sie ziehen mit Bierflaschen umher, pöbeln gern ein wenig, fühlen sich unsicher, von der Gesellschaft abgelehnt und wählen sehr zweifelhafte Mittel sich aufzulehnen.
Bereits als Schillers Jugenddrama 1782 uraufgeführt wurde, traten die zweifelhaften Helden, die Räuber, in damaligen Alltagskostümen auf und ließen sich wiedererkennen, und gerade dies spaltete das Publikum zwischen Begeisterung und Ablehnung ob Schillers sozialkritischer Töne.
Der Anführer ist ein Mädchen
In der Inszenierung des Theaters Marameo ist Spiegelberg, der aggressive Anführer der Truppe ein Mädchen, gespielt von Alexandra Bosshard, die der Spiegelbergerin genau solche aufputschenden Züge gibt, wie man es in heutigen aggressiven Jugendgangs beobachten kann. Ihre Aggressionen werden stärker, weil die Gruppe dann doch "den Kopf", Karl Moor zum Hauptmann erwählt.
Dieser, gut ausbalanciert zwischen jugendlichem Leichtsinn und fast schon ein bisschen zu reifer, überlebter Erwachsenenmoral, wird von Mario Lohmann gespielt. Es ist diese Doppelgesichtigkeit des Karl Moor, die ihn schwach macht. Er ist anfällig gegen Enttäuschungen, und gerade darum spielen alle mit ihm. Seine Moralprinzipien sind das Einzige, an dem er sich festhalten kann, und gerade dadurch wird er sie brechen und alle, die mit ihm verbunden sind zerbricht er auch. Moral und Mitmenschlichkeit sind mit Gewalt nicht durchzusetzen.
Im Hause von Moor herrscht der Patriarch unangefochten. Kurt Eichmann als Maximilian Moor überzeugt mit saturierten Gesten, überlegen, arrogant, stur. Ihm hat die Bühnenbildnerin auch das einzige Ausstattungsstück auf der Spielfläche zwischen den Mauern, Rampen und Toren im südlichen Teil des Möllenvogteigartens hingestellt, einen gutbürgerlichen Ohrensessel auf einem kleinen schwarzen Podest, der über den roten Teppich zu erreichen ist. Die Dramenhandlung wird diesen abgehobenen Sessel immer umkreisen. Man kann Franz Moor gut verstehen, wenn er einfach um seine Daseinsberechtigung kämpft. Aber Tobias Kilian zeigt den Franz bereits fest entschlossen, die unheilvolle Vorliebe des Vaters zum ach so guten Karl zu zerstören und selbst zum Oberhaupt des Hauses aufzusteigen. Kilian gelingt es sehr eindringlich auch bei diesem Moor-Sohn die Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit zu zeigen, die den Benachteiligten zu trotziger Selbstgerechtigkeit und der Abwehr jeder menschlicher Gefühle bringt.
Er ist verbittert und hat für sich selbst die Rolle des Intriganten erwählt. Es fällt ihm leicht, den auf den Sohn Karl fixierten Vater erst zu hintergehen und schließlich physisch auszuschalten. Franz erobert den Sessel, und er erfährt dort auf dem Podeste doch nichts als tiefe Einsamkeit.
Amalia ist die einzig Menschliche zwischen den Moor-Männern. Anika Kleinke ist eine wunderbar zarte, ja fast zerbrechliche Amalia. Man nimmt es ihr sofort ab, dass sie im Traumschloss ihrer Idealvorstellungen von Karl lebt, und das kann sie sich solange bewahren, bis der echte Karl auftaucht. Sogleich zeigt sich, dass sie doch nur ihre Liebe geliebt hat, nicht aber den Menschen Karl mit seinen Fehlern und Fehlschlägen.
Konzentration auf die Psychologie der Figuren
Die Inszenierung und das Spiel aller Akteure konzentrieren sich sehr auf die Psychologie der Figuren, und sie tun es so überzeugend, dass die lange, fast dreistündige Fassung, in der auch viele Szenen ausführlich gezeigt werden, die sonst oft gestrichen werden, einen andauernd spannenden Sog entfaltet. Die Premierenzuschauer harrten auch im Regen aus, ohne dabei unruhig zu sein.
Diese Konzentration auf die inneren Vorgänge ermöglicht es auch, das Spiel als ein durchaus gegenwärtiges Drama zu zeigen, ohne dass es vordergründiger Modernismen bedurft hätte. Die Kostüme (Su-sanne Blatt) sind sehr alltäglich unspezifisch zeitgenössisch, die Räuber sind mit Pistolen und Messern bewaffnet – keine Handys kein Laptop – und der Möllenvogteigarten ist Leipzig, Böhmen und Franken, Stadt, Palast und Wald, ohne überflüssig bebildert zu sein. Es ist das Spiel, das die Geschichte sehr ausführlich, spannend, bewegend erzählt.
Friedrich Schillers Stück "Die Räuber" wird noch bis zum 22. August im Magdeburger Möllenvogteigarten von Donnerstag bis Sonntag aufgeführt. Informationen und Karten gibt es im Internet unter der Adresse unter www.theater-marameo.de oder telefonisch unter der Nummer 0391-744 76 80.