Von Heinz Kurtzbach Sitzen oder stehen?
Also, ich kann es nicht mehr hören! Ich kann es nicht mehr hören, dass die Entscheidungsträger in Deutschland entscheidungsträge seien und nichts mehr richtig voran geht. Dass wir immer noch auf die ultimative Gesundheitsreform warten; auf eine Reform des Bildungssystems; auf ein Ende des Theaters um Stuttgart 21; auf die Eröffnung des neuen Flughafens Schönefeld; auf einen neuen Außenminister und eine Rentenreform und – na klar - auf eine richtig schöne, große Steuerreform. Na und? Alles Quatsch, diese Klagerei, alles Unsinn. Die wirklich wichtigen Dinge werden angepackt und entschieden. Aber hallo!
Neulich erst war es wieder soweit: Der Bundesfinanzhof (BFH), Deutschlands höchstes Finanzgericht, hat entscheidungsfreudig den gordischen Knoten durchschlagen und knallhart geurteilt, wie die Currywurst zu besteuern ist. Wenn der Kunde sie im Stehen futtert, muss der Imbissbudenbesitzer dem Finanzminister sieben Prozent Mehrwertsteuer überweisen; wird sie im Sitzen vernascht, sozusagen vor einer Pommesbude de Luxe, werden 19 Prozent fällig.
Für so viel Klarheit sind wir dem Finanzgerichtshof aber dankbar. Schließlich ist die Currywurst nicht irgendeine Wurst, sondern eine deutsche Kultwurst die es nicht verdient hat, steuertechnisch sozusagen im Nirwana umherzuirren, zwischen einfachem Lebensmittel (stehend gegessen, ermäßigter Steuersatz von 7 Prozent) und der Gourmetversion (sitzend eingenommen, gastronomische Dienstleistung, 19 Prozent). Nun können Ignoranten ja daherkommen und behaupten, Currywurst sei Currywurst, die schmeckt im Sitzen wie im Stehen gleich und alles andere sei ihnen Wurscht – aber so einfach ist die Sache natürlich nicht, und Ordnung muss sein in deutschen Landen.
Das Urteil ist jedenfalls fein durchdacht – und so staatstragend! Es bietet den Patrioten unter den Budenbesitzern immerhin die Möglichkeit, dem Vaterland finanziell mit ganz einfachen Mitteln unter die Arme zu greifen: Ab sofort werden sie alle vor ihren Buden Tischchen mit Deckchen und Blümchen und entsprechenden Sitzgelegenheiten aufstellen, die Preise ein wenig anheben und Finanzminister Schäuble brav 19 Prozent Steuern überweisen – Würstchen für Würstchen, ob scharf oder weniger scharf, mit oder ohne Zwiebeln. Mahlzeit!
Wie ist das übrigens? Wie behandelt man rein steuermäßig Gyros mit Majo? Ist das steuertechnisch schon entschieden? Und wird das Geld sofort nach Griechenland überwiesen, oder macht es erst den Umweg über Schäubles große Gemeinschaftskasse? Fragen über Fragen, die noch geklärt werden müssen. Sitzend oder stehend, jedenfalls an der Currywurstbude vor dem Bundesfinanzhof.
Ich geh jetzt jedenfalls zu Horst ins "Sportlereck". Der verkauft zwar keine Currywurst, aber prima hausgemachte Bouletten. Aber wie werden die besteuert? An der Theke – da steht man schließlich – sieben Prozent, am Stammtisch – sitzend – 19 Prozent? Hat man das Boulettenproblem eigentlich schon erkannt? Was sagen die Steuerrichter? Und der Finanzminister? Und was sagt Horst? Ich werde ihn mal fragen. Aber später. Horst hat schon die ganze Woche schlechte Laune. Er war kürzlich beim Finanzamt. Ob was mit seinen Bouletten nicht stimmt – ist ja egal. "Horst, mach mal ein Pils." An der Theke stehend getrunken: Sieben Prozent? 19 Prozent? Wie auch immer: Irgendwie hat sie ihre Macken, die Steuergesetzgebung. Irgendwie. Mein Gott Deutschland – Deine Sorgen möchte man haben, vor allem die Griechen.