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Star-Regisseur Radikal, getrieben und ruhelos

Der Dokumentarfilmer Michael Moore wird am 23. April 65 Jahre alt.

Von Christina Horsten 22.04.2019, 23:01

New York (dpa) l Zum ersten Mal begegneten sich Donald Trump und Michael Moore 1998, als sie gemeinsam in eine TV-Show eingeladen waren. Der heutige US-Präsident war damals Immobilienmogul, Moore hatte mit „Roger & Me“ gerade seinen Durchbruch als linker Dokumentarfilmer gefeiert. Trump sah Moore – und drohte die TV-Show platzen zu lassen. Moore ließ sich von den Produzenten überreden, den Immobilienmogul zu besänftigen, wie er sich jüngst in einem Interview mit dem „Hollywood Reporter“ erinnerte.

Knapp 20 Jahre später war Moore dann auch einer der wenigen Menschen, die öffentlich den Wahlsieg des heutigen US-Präsidenten vorhersagten. Seitdem kämpft der Dokumentarfilmer, der am heutigen Dienstag 65 Jahre alt wird, seine bislang härteste Schlacht. „Trump ist unser Frankenstein und wir sind Dr. Frankenstein“, sagt Moore – und meint damit das amerikanische Volk. „Wir haben geholfen, eine Situation zu schaffen, die es zugelassen hat, dass wir jetzt mit Trump dastehen. Die Verdummung unserer Gesellschaft durch die Medien und die fehlende Bildung durch schlechte Schulen führen zu einem verdummten Wahlvolk und dazu, dass er wirklich 63 Millionen Stimmen bekommen konnte.“

Moore polarisiert. Für die einen ist der Filmemacher und Oscarpreisträger ein Held, der die Welt radikal und gnadenlos über die Probleme und Unzulänglichkeiten Amerikas aufklärt – und nun den Kampf gegen Trump anführt, zuletzt mit dem Dokumentarfilm „Fahrenheit 11/9“. Als „einen der großen Kommunikatoren der westlichen Linken“ bezeichnete ihn der britische „Guardian“. Für die anderen ist das Schwergewicht ein linker Populist, der es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau nimmt.

Der „wütendste Mann Amerikas“ kämpft eigentlich nicht in erster Linie gegen Trump, sondern für strengere Waffengesetze und ein besseres Sozial-, Schul- und Gesundheitssystem in den USA. Moore ist ein Radikaler, ein Getriebener und ein Ruheloser, der damit vielen Menschen auf die Nerven geht, aber auch Aufmerksamkeit auf seine Themen lenken kann wie nur wenige andere in der Branche.

Geboren wurde der Regisseur 1954 in der vom Autoriesen General Motors dominierten Stadt Flint im US-Bundesstaat Michigan. Seine Eltern arbeiteten für den Autohersteller. Fast 40 Jahre später sollte Moore seinen ersten Dokumentarfilm über den Niedergang seiner Heimatstadt nach dem Wegzug von General Motors drehen: „Roger & Me“. Bis heute lebt Moore in seiner Heimat Michigan und hängt stark an der in weiten Teilen strukturschwachen Region. In der Stadt Traverse City hat er ein Filmfestival ins Leben gerufen.

Auf seinen Debüt-Erfolg „Roger & Me“ 1989 folgten die Satire „Canadian Bacon“ und „Der große Macher“, der erneut gegen Massenentlassungen protestierte. Mit „Bowling for Columbine“, einer Dokumentation über den Amoklauf an einer Schule im US-Bundesstaat Colorado, bei dem zwei 17- und 18-jährige Schüler zwölf Mitschüler, einen Lehrer und dann sich selbst erschossen, schaffte er den weltweiten Durchbruch und gewann einen Oscar. Bei der Oscar-Verleihung sorgte Moore für einen Skandal, als er den damaligen US-Präsidenten George W. Bush wegen des Irak-Kriegs scharf angriff. „Schande über Sie, Mr. Bush“, rief Moore. Den Krieg gegen den Terror und die Präsidentschaft von Bush kritisierte Moore auch in seinem nächsten erfolgreichen Film. „Fahrenheit 9/11“ wurde beim Filmfestival in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. In weiteren Filmen griff Moore später das US-Gesundheitssystem („Sicko“) und den Kapitalismus („Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte“) an. Auch seine Bücher, wie beispielsweise „Stupid White Men“, wurden besonders in Europa zu Bestsellern.