Theater am Limit: Schauspieler fordern mehr Rechte
Schauspieler zu sein ist für viele ein Traumberuf. Doch dieser hat auch Schattenseiten: schlechte Bezahlung, ungeregelte Arbeitszeiten, befristete Verträge. Dagegen wollen sich einige Künstler jetzt wehren.
Oldenburg (dpa) - Schauspieler arbeiten, wenn andere Menschen Feierabend haben. Sie stehen bis spät abends auf der Bühne, proben an Wochenenden und lernen ihren Text in der Freizeit. Die Bezahlung: oft alles andere als üppig.
Und der Druck steigt. Viele Theater leiden unter den klammen öffentlichen Haushalten. Sie sparen am Personal, produzieren gleichzeitig aber mehr, um mehr Zuschauer anlocken zu können.
Die Folgen kennt die Schauspielerin Lisa Jopt nur zu gut. Die Leute fallen um wie die Fliegen. Schon Berufsanfänger leiden an Burnout. Doch die wenigsten trauen sich, darüber zu klagen geschweige denn sich dagegen zu wehren - aus Angst, dass das Engagement in der nächsten Spielzeit nicht verlängert wird. Auch Jopt nahm das hohe Arbeitspensum viele Jahre hin. Erst als sie an das Oldenburger Staatstheater wechselte, stellte sie fest: Es geht auch anders.
Die Anproben von Kostümen finden dort während der Arbeitszeit und nicht in der Freizeit statt, Samstagsproben sind eher Ausnahme als Regel, und das Ensemble wird gefragt, ob ein Regisseur wieder für eine Produktion eingeladen werden soll. Die Schauspieler werden hier sehr ernst genommen, sagt Jopt. Und das müsste doch auch an anderen Bühnen möglich sein, findet die 33-Jährige.
Vor einem Jahr hat sie deshalb das Ensemble-Netzwerk gegründet, das sich unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechtere Bezahlung von Schauspielern, Regieassistenten, Dramaturgen und anderem künstlerischen Personal einsetzt. 700 Mitglieder zählt die Initiative inzwischen. Am kommenden Wochenende (27. bis 29. Mai) kommt sie erstmals zu einem bundesweiten Treffen in Bonn zusammen.
Das Ziel: offen über die Probleme reden und sich gemeinsam für seine Rechte einsetzen - was gar nicht so selbstverständlich ist in einer Branche, wo man noch nicht einmal über seine Gage spricht und Kollegen oftmals als Konkurrenz und nicht als Mitstreiter sieht. Etwa 21 000 künstlerische Mitarbeiter gibt es nach Angaben des Deutschen Bühnenvereins an den öffentlich getragenen Theatern. Doch nur wenige sind in der Gewerkschaft, der Bühnengenossenschaft GDBA, organisiert.
Als Ersatz-Gewerkschaft wollen Jopt und ihr Oldenburger Kollege Johannes Lange das Ensemble-Netzwerk jedoch nicht verstanden wissen, sondern als Bewegung für mehr Mündigkeit, Mut und Rückgrat. GDBA-Präsident Jörg Löwer begrüßt deren Engagement, hält manche Forderungen aber für zum Teil unrealistisch. Man kann Theater nicht losgelöst von den politischen Entscheidungsträgern sehen, die die Bühnen finanzieren. Auch er hält die Gagen in manchen Fällen für zu niedrig und das Gehaltsgefälle für zu hoch. Wir können am Ende protestieren. Wo gekürzt wird, entscheidet die Politik. Und meistens geht das dann auf Kosten des Personals.
Schauspieler erhalten nach Angaben des Bühnenvereins im Durchschnitt monatlich 2700 Euro brutto. Generell ist die Höhe des Gehalts Verhandlungssache, muss nach dem Tarifvertrag aber mindestens 1765 Euro betragen. Doch selbst das können sich kleinere Häuser oft nicht leisten. Deshalb engagieren sie Schauspieler nur noch für einzelne Projekte, also als Gäste, um so die Mindestgage umgehen zu können. Die Zahl solcher Verträge sei von früher 8000 auf heute 25 000 gestiegen, sagt Bühnenvereins-Chef Rolf Bolwin.
Wie die Künstlergewerkschaften setzt sich der Bühnenverein als Arbeitgeberverband trotzdem für eine höhere Mindestgage ein - und will diese auch auf Gäste ausweiten. Das geht aber nur, wenn die öffentliche Hand es auch bezahlt, sagt Bolwin. Dass sich viele Probleme an den Theatern aufgrund von finanziellen Zwängen nicht einfach lösen lassen, ist auch Jopt klar. Ich versuche natürlich, uns so schnell wie möglich selbst abzuschaffen, sagt sie. Aber: Wir haben noch viel Energie. Dass das ein bisschen wie eine Drohung klingt, ist beabsichtigt.