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Premiere für die 17. Folge von "Olvenstedt probiert’s" Theater rückwärts: Ein Schelmenstück der Regie

29.07.2011, 04:29

Es war die 17. Folge der Kult-Theaterserie "Olvenstedt probiert‘s", deren Premiere am Mittwochabend von einer eingeschworenen Zuschauergemeinde im Innenhof vom "Forum Gestaltung" in Magdeburg frenetisch gefeiert wurde. Dieses alternative Theater, das stets in einer Olvenstedter Neubauwohnung oder auf einem Campingplatz an der Ehle spielt, hat in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten nichts von seiner Popularität und seiner Ausstrahlung verloren. Im Gegenteil.

Von Rolf-Dietmar Schmidt

Magdeburg. Die Schauspieler werden vom Publikum wie alte Familienmitglieder begrüßt. "Sieh mal, der Achim hat aber ganz schön zugelegt", witzelt eine Zuschauerin und eine andere ergänzt schmunzelnd, dass der Michael Magel mit dem Bart sehr viel männlicher aussehe.

"Olvenstedt probiert‘s" ist Theater der anderen Art. Mit regionalen Wurzeln, auch in der Magdeburger Mundart, nennt es ohne Hemmungen Ross und Reiter, operiert bei kulturellen oder kommunalen Größen auch mit Klarnamen. Die Zuschauer verstehen jede noch so kleine Anspielung, belohnen kräftige Seitenhiebe mit ebenso kräftigem Zwischenbeifall.

Was gespielt wird, ist gar nicht so wichtig. Wie gespielt wird, darum geht es. Und da lassen die Profischauspieler und Laien nichts aus, um die "gebeutelte Region" zu unterhalten, den alltäglichen Problemen von Hoffnungslosigkeit und fehlenden Perspektiven mit Humor die Spitze zu nehmen. Wenn man etwas kaum ändern kann, soll man wenigstens drüber lachen.

Nicht nur die Orte des Geschehens sind immer gleich, auch die Handlungsfäden der 17 Folgen. Wie immer wagt man sich an großes Welttheater – diesmal ist es der "Glöckner von Notre Dame" - um letztlich mit Konzeption und Umsetzung im Chaos zu landen. Der Weg ist das Ziel.

Und auf diesem Weg stoßen die Darsteller wie Susanne Bard als Beate, Michael Günther als Achim, Gerald Fiedler als Basti, Matthias Herrmann als Fränki und Granate Rahel Ohm immer wieder auf die Widersprüche des täglichen Lebens. Da ist die Bewerbung Magdeburgs zur europäischen Kulturhauptstadt, die sie mit ihrer Inszenierung des Glöckners nicht nur befördern, sondern retten wollen.

Und wenn es um die Otto-Festspiele der Stadt geht, dann wird auch schon mal szenisch dargestellt, wie man viel Geld mit Klamauk verplempern kann.

Mischung aus Kritik und Selbstironie

Es ist diese Mischung von ungeschminkter Kritik an Unzulänglichkeiten und Fehlern, gepaart mit einer enormen Portion Selbstironie, der Fähigkeit, im besten lutherischen Sinn "dem Volks aufs Maul zu schau´n" und dabei stets rau, aber herzlich, ja fast liebevoll miteinander umzugehen, die diese enorme Identifikation zwischen Stoff, Darstellern und Zuschauern herstellt.

Und bei allem sozio-kulturellen Ansatz darf allerdings nicht vergessen werden, dass es sich hier mitunter um hervorragende darstellerische Leistungen handelt. Verwunderlich ist das nicht, denn immerhin sind die Protagonisten ausgesprochene Profis, die an Schauspielschulen ihr Handwerk gelernt haben.

Zusammen mit den Laiendarstellern Falko Graf, Jörg Richter, Marvin Abdel-Massih-Richter, Maik Manhartsberger, Michael Magel, Betty Riecke, Jannis Bard und unter der Regie von Jörg Richter verschmelzen sie allerdings zu einem Ensemble, das solche Unter- scheidungen vergessen macht.

Mit dem Einfall des Regisseurdarstellers Basti, die komplette Handlung des "Glöckners von Notre Dame" wie bei einem Video rückwärts laufen zu lassen, gelingt dem tatsächlichen Regisseur der Inszenierung, Jörg Richter, ein theatralisches Schelmenstück. Man kann wohl nur erahnen, wie viel Mühe und Probenarbeit allein diese Szenenfolge gekostet hat.

Aber es hat sich wieder einmal gelohnt. Die 17. Folge der Kultserie, die einst im Schauspielhaus in Magdeburg geboren wurde, hat die alten Fans erneut begeistert und zahlreiche neue Anhänger gewonnen. Gemeinsam freuen sie sich schon auf die 18. Folge im kommenden Jahr.