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Theater Stendaler Lagerhalle wird zur Bühne

Regisseur Louis Villinger inszeniert für das Stendaler Theater in der Altmark "Fräulein Smillas Gespür für Schnee".

Von Grit Warnat 19.11.2020, 00:01

Stendal l Wenn sich die Stahltür öffnet, geht der Blick weit in die große Halle. Das Theater der Altmark hat sie angemietet. Requisiten werden dort gelagert. Hinter einer weiteren Tür eröffnet sich ein nicht geahnter Bühnenraum. Gerüste stehen dort und Fässer. Sie sind Bühnenbild. Davor Stühle für das Publikum. Die Wände sind weiß, grau und schwarz, Metall und Beton, theatral angepasst. Diese Kühle passt zum Stück und belässt zudem den ursprüglichen Hallencharme.

Dass das Theater der Altmark wegen seiner Großbaustelle im eigentlichen Bühnenhaus in der Karlstraße auf solche außergewöhnlichen Ausweichspielstätten mit all den logistischen Herausforderungen ausweichen muss, ist im Moment wohl das geringste Problem des Hauses. Das Theater steckt mitten im Kultur-Lockdown. Für den November haben die Stendaler wie alle Kultureinrichtungen in Deutschland ihre Aufführungen absagen müssen.

Auch die ursprünglich in der kommenden Woche gesetzte Premiere des Stückes "Fräulein Smillas Gespür für Schnee". Sie wurde auf den 4. Dezember verlegt. Jetzt wird gehofft, dass das Datum gehalten werden kann. Noch ist nichts entschieden, wie es für Kunst und Kultur im für die Branche wichtigen Dezember weitergeht. Alles wartet in quälender Ungewissheit auf die kommende Woche und die Entscheidungsrunde der Ministerpäsidenten bei der Kanzlerin.

Auch wenn die Theater noch bis Ende November kein Publikum empfangen dürfen, geht die Arbeit weiter. Auch für Fräulein Smilla und Villinger. Der freie Regisseur ist froh, dass nicht wie im ersten Lockdown alles lahmgelegt ist. "Es tut gut, arbeiten zu können", sagt er und spricht dann nicht nur über finanziellen Einbußen und Sorgen, sondern vom Leben mit und auf der Bühne, vom Publikum und wertschätzendem Applaus. Immerhin wird derzeit geprobt, damit das Theater gleich loslegen kann, wenn es denn die Türen wieder öffnen darf. In diesem Fall die Türen einer Lagerhalle.

Für unser Gespräch wird die Pause genutzt. Villinger, der schon mehrfach am Theater der Altmark inszenierte und für seine Regiearbeiten schon zahlreiche Theaterpreise am Stendaler Haus gewonnen hat, sitzt im Bühnenbild, als er vom Stück und der Arbeit erzählt.

Die Geschichte um die Naturwissenschaftlerin Smilla Jaspersen und den Tod eines fünfjährigen Inuit-Jungen ist vielen bekannt. "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" wurde 1994 ein Bestseller des dänischen Schriftstellers Peter Høeg. 1997 wurde sein Buch verfilmt. Armin Petras hat die Geschichte 2007 für die Bühne adaptiert und am Thalia-Theater Hamburg als Zwei-Personen-Stück aufgeführt.

Diese Theaterfassung von Petras ist Grundlage für Villingers Inszenierung, nur setzt er auf drei Schauspieler. Überhaupt habe er noch mal gestrichen und manches umgeschrieben, auch um 90 Minuten einzuhalten.

Egal, an was man sich erinnert, bei Fräulein Smilla steigen Bilder von Eis, schmelzenden Gletschern und Kälte vor einem auf. Dabei gehe es, so sagte Villinger, um weitaus mehr als um stille Landschaften: Kultur der Inuit, Grönland als dänische Kolonie, Entwurzelung in der Heimat und ein Nichtankommen in der fremden Großstadt, den Raubbau des Menschen an der Natur und das scheinbar endlose Wachstum von Wirtschaftskreisläufen. Villinger meint, das Stück passe sehr ins Heute, auch in die uns gegenwärtig beherrschende Corona-Zeit. Er spricht von einem tiefgreifenden gesellschaftskritischen Krimi. Für dessen Umsetzung nutzt Villinger Musik, Geräusche, Bildsequenzen. Er trommelt auf einem blauen Fass wie später die Schauspieler.

Die Proben liegen gut im Plan, meint der Regisseur. Das Team hat mit der Premieren-Verschiebung eine Woche mehr Zeit. Nicht nur die Anspannung muss gehalten werden – auch die Hoffnung, dass im Dezember Theatermenschen wieder vor Publikum spielen dürfen.