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Gescheitertes TV-Projekt: Was von Newtopia übrig blieb

Nichts wurde es mit der schönen neuen Welt: Das TV-Spektaktel Newtopia in Brandenburg wäre jetzt ein Jahr alt geworden. Aber es kam ganz anders.

Von Anna Ringle, dpa 22.02.2016, 16:56

Königs Wusterhausen/Kümmritz (dpa) - Im Garten von Heiko Terno in einem Dorf in Brandenburg lebt die Welt von Newtopia weiter. Also ein bisschen zumindest.

Der Landwirt hat sich ein paar Erinnerungsstücke aus dem TV-Spektakel gesichert: Ein kleines Holzhaus steht auf der Wiese, dann gibt es noch ein gemaltes Bild von TV-Kuh Clyde und einen Melkschemel.

Sat.1 hatte vor einem Jahr den Start der Reality-Show als das größte TV-Experiment aller Zeiten angekündigt. In den Wäldern Brandenburgs sollten 15 Leute ein völlig neues Leben aufbauen - abgeschirmt von der Außenwelt und begleitet von vielen Kameras. Aber der Privatsender holte sich damit eine blutige Nase - die Einschaltquoten waren schwach.

Am Dienstag (23. Februar) wäre Newtopia ein Jahr alt geworden. Solange hätte die Show dauern sollen. Der Sender zog im vergangenen Juli kurz nach der 100. Sendung vorzeitig den Stecker.

Terno war quasi ein Teil der Sendung: Der 43 Jahre alte Landwirt lieferte Futter für die Newtopia-Tiere an, erzählt er. Dadurch konnten ihn die Zuschauer im Internet-Live-Stream oder werktags in dem TV-Zusammenschnitt im Vorabendprogramm sehen. Mit zwei Kühen und 25 Hühnern und einer unbeheizten Scheune fing für die Bewohner damals alles an.

Mann, haben die am Anfang gefroren, erinnert sich Terno. Damit die Pioniere, wie der Sender die Newtopia-Teilnehmer nannte, zu Geld kamen, verkauften sie Eier oder Milch an die Außenwelt. Terno brachte die Milch zu einer Abnehmerin im Nachbarort, wie er sagt. In seinem Dorf Kümmritz hätten viele Newtopia geschaut. Abends um 19 Uhr war auf der Straße nichts mehr los. Wenn Terno mal im Fernsehen zu sehen war, habe das Telefon geklingelt.

Newtopia startete zunächst mit guten Werten - fast drei Millionen Zuschauer. Zum Schluss war es nur noch gut eine Million. Das TV-Spektakel geriet immer wieder wegen Pannen in die Schlagzeilen. Einige der Bewohner wollten sich nicht mit dem Nominierungsregeln abgeben - zuhauf kehrten sie Newtopia den Rücken.

Dann gab es einen peinlichen Zwischenfall, der die Vermutung nahe legte, dass der Sender das Reality-Format mit Regieanweisungen steuerte: Die Kameras nahmen auf, wie eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma mit den Bewohnern in der Scheune über den Verlauf des TV-Projekts spricht. Der Versuch, etwas Prominenz in die Newtopia-Welt zu bringen, fruchtete auch nicht wirklich. Von seinem kleinen Gastspiel war Ex-Kommunarde Rainer Langhans enttäuscht.

Und dann war da noch Kuh Clyde. Sie hatte sich überfressen, weil die Pioniere eine Futterbox nicht verschlossen hatten. Es gab einen Aufschrei von Tierschützern. Sie verlangten, dass alle Tiere vom TV-Gelände in Königs Wusterhausen geholt werden. Landwirt Terno erinnert sich: Das war mein großer Moment. Er fuhr die Kuh in eine Klinik für Klauentiere, wie er sagt. Clyde ging es dann besser und sie kam zurück.

Warum wurde Newtopia zum Flop? Die Fernsehforscherin Joan Kristin Bleicher von der Universität Hamburg sagt: Der Skandal um die Regieanweisungen im Live-Stream sorgte für einen Glaubwürdigkeitsverlust des Formats, was letztlich den Untergang einleitete. Zudem hätte die Produktionsfirma zu stark reglementiert, ob Zuschauer mit Newtopia-Bewohnern Kontakt aufnehmen können. In den Niederlanden fand das Format einen fruchtbareren Boden. Das Original von John de Mol (Big Brother) mit dem Titel Utopia läuft dort seit Januar 2014.

Nach dem Flop von Newtopia und weiteren schwachen Quoten im Vorabendprogramm räumte Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow im vergangenen Herbst schließlich seinen Posten. Auf dem Newtopia-Sendeplatz läuft jetzt die Dokusoap In Gefahr.

Für die Stadt Königs Wusterhausen war Newtopia ein Erfolg. Es war ein bunter Farbtupfer, sagt Bürgermeister Lutz Franzke (SPD). Bei der regionalen Wirtschaft habe es einen Effekt gegeben: Restaurantbetreiber, Handwerksfirmen und Fahrdienste profitierten. Dass Newtopia so früh eingeschlafen ist, ist schade, meint Franzke. Was wurde eigentlich aus Kuh Clyde? Ihr Besitzer verkaufte sie nach eigenen Angaben an eine Tierschutzgruppe.

Die Idee von einer schönen neuen Welt ist zumindest bei einem der ehemaligen Bewohner nicht vom Tisch. Ex-Pionier Don Diego (50) zieht es wieder auf das Gelände, wie er berichtete. Dort will er künftig leben - mit Kameras. Sein Traum: Eine Neuauflage der Show auf kleinerer Flamme und im Internet. Dort werde es entsprechende Videos geben, kündigte er an.

Webseite Newtopia

Ankündigung Ex-Pionier