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TV-Tipp I Am Not Your Negro

Geschichte ist nie vergangen, wir alle tragen sie in uns. Das ist die Botschaft einer sehr sehenswerten Dokumentation.

24.04.2017, 23:01

Berlin (dpa) - Für den schwarzen US-Autor James Baldwin war das Thema Rassismus zeitlebens das große Thema. Er hielt seinen Landsleuten, insbesondere den Weißen, in vielen Reden gnadenlos den Spiegel vor und wollte sie zur Selbstreflexion bewegen.

Die Dokumentation "I Am Not Your Negro" ("Ich bin nicht Euer Neger") zeigt das ausschließlich mit seinen eigenen Worten, die im Original vom US-Schauspieler Samuel L. Jackson und in der TV-Fassung vom deutschen Rapper Samy Deluxe gesprochen werden. Sie ist an diesem Dienstag (20.15 Uhr) bei Arte zu sehen.

James Baldwin (1924-1987) war ein ebenso bekannter wie renommierter amerikanischer Schriftsteller. Am berühmtesten wurden seine Werke "Giovanni's Room" und "Another Country". Im Juni 1979 stellte er sich selbst eine ziemlich schwierige Aufgabe: Anhand der Geschichte von dreien seiner Freunde, die allesamt in den 1960er Jahren ermordet worden waren, wollte er die Geschichte der USA nacherzählen. Bei den dreien handelte es sich um die Bürgerrechtsaktivisten Medgar Evers (1925-1963) und Malcolm X (1925-1965) sowie den Pfarrer Martin Luther King Jr. (1929-1968). Doch diese Aufgabe erwies sich selbst für den als eloquent geltenden Baldwin als zu groß, und so schaffte er lediglich 30 Seiten voll mit Notizen, die er mit dem Titel "Remember this House" versah.

Das Manuskript vertraute Baldwins Testamentsvollstrecker dem Regisseur Raoul Peck (63) an, der 2016 einen feinfühligen und wichtigen Film rund um die Entstehung einer eigenen afroamerikanischen Identität drehte - nur aus den Briefen, Werken und Reden von Baldwin. Mit vielen Ausschnitten aus Film- und Theateraufführungen, Werbefilmen und Nachrichten macht er deutlich, dass die Geschichte von Hass und Gewalt bis heute fortbesteht, ebenso wie die vereinfachte Bildersprache und Darstellung in den Filmen aus Hollywood, die sich noch immer dem offenbar nicht enden wollenden Kampf zwischen Gut und Böse widmen.

Zu Beginn des großartig komponierten Filmes, der in mehrere Kapitel eingeteilt ist, sagt James Baldwin in der "Dick Cavett Show" (1968): "Es geht nicht so sehr darum, was mit den Schwarzen geschieht. Es geht vielmehr darum, was mit unserem Land geschieht." Dazu werden reihenweise Bilder von Schwarzen gezeigt, die von Polizisten gefangen genommen werden - diesen grausamen Bogen kann man bis heute spannen, bis hin zu den blutigen Geschehnissen von Ferguson und Baltimore. Später werden Porträts und Biografien vorgestellt, die seine drei Freunde zeigen, wie sie gelebt haben, wie sie verraten wurden und was ihr Vermächtnis bis heute darstellt.

Der zehnjährige Baldwin war - nach seinen eigenen Worten - von einer jungen weißen Lehrerin namens Bill Miller fasziniert, die ihm früh die Welt der Kunst (Film, Musik, Theater) offenlegte. Auch durch sie ist es ihm nie gelungen, die Weißen zu hassen, obwohl er nach eigener Aussage oft den Wunsch verspürt hatte, mehr als den einen oder anderen umzubringen. So nahm er alsbald an, dass sich die Weißen nicht so verhielten, weil sie weiß waren, sondern aus einem anderen Grund.

Baldwin konnte ihn nicht wirklich herausfinden, aber er fand dennoch mahnende Worte, die heute gültiger denn je erscheinen: "Vergesst das Rassenproblem. Es geht darum, ob man bereit ist, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, und dann anzufangen, es zu ändern. Das große Haus, aus dem ich komme, ist ein Haus, und ich bin eines der Kinder dieses Hauses. Ich gehöre zu den Menschen, die dieses Land aufgebaut haben. Es besteht jedoch kaum Hoffnung auf den amerikanischen Traum - denn die Menschen, denen die Teilhabe daran verweigert wird, werden ihn durch ihre schiere Anwesenheit zerstören. Wenn das passiert, ist das ein schlimmer Moment für den Westen."

I Am Not Your Negro