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Fluchtgeschichte Julius Weckauf kommt auf einem „Pfad“ zurück

Die autobiografische Verfilmung „Der Junge muss an die frische Luft“ machte Julius Weckauf 2018 schlagartig zum Kinderstar. Nun begibt er sich auf neue Pfade - buchstäblich. Sein neuer Film „Der Pfad“ spielt in der Nazi-Zeit.

Von Jonas-Erik Schmidt, dpa 14.02.2022, 10:28
Julius Weckauf (l) und Volker Bruch in einer Szene des Dramas "Der Pfad".
Julius Weckauf (l) und Volker Bruch in einer Szene des Dramas "Der Pfad". Wolfgang Ennenbach/Eyrie Entertainment GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH/dpa

Köln - Die beiden Kinder, die da durch die einsamen Pyrenäen stapfen, könnten kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite Núria - ein patentes Mädchen, das viel zu früh erwachsen werden musste.

Fachmännisch und wortlos schlitzt sie einen Fisch auf, einfach um nicht zu verhungern. Auf der anderen Seite Rolf - ein pausbäckiger Junge, der von Erich Kästners Buch „Der 35. Mai“ fabuliert und überall ist, nur selten im Hier und Jetzt. Dass Nazi-Schergen hinter ihm her sind, merkt man ihm jedenfalls kaum an.

Dieser Rolf wird im Kinofilm „Der Pfad“, der das ungleiche Kinderpaar auf seiner Reise zeigt, vom 14-jährigen Julius Weckauf gespielt - und das macht die Sache interessant und kompliziert zugleich. Denn Weckauf schaffte den Durchbruch im Film „Der Junge muss an die frische Luft“, der auf der Autobiografie von Hans-Peter „Hape“ Kerkeling basiert. Millionen Menschen sahen ihn im Kino. Auch, weil die Besetzung mit dem damals unbekannten Kinderdarsteller aus Jüchen bei Grevenbroich ein großer Glücksgriff war. Julius Weckauf spielte Kerkeling unbefangen und natürlich. Organisch.

Das Interessante an „Der Pfad“ ist nun, dass man Weckauf, der großes Talent hat, nun in einer ganz neuen Rolle auf der Leinwand sehen kann. Das Komplizierte ist, dass diese Rolle - Rolf - in Aussehen und Habitus dann doch die ein oder andere Erinnerung an „Der Junge muss an die frische Luft“ weckt. Anders gesagt: Man ertappt sich ungewollt bei dem Gedanken, dass man in „Der Pfad“ einem etwas ambitionierten Wandertrip von Hape Kerkeling über die Pyrenäen beiwohnt.

Der Plot ist allerdings ein vollkommen anderer. Der Film erzählt eine Fluchtgeschichte aus dem Jahr 1940. Der Journalist Ludwig Kirsch (Volker Bruch) will mit seinem zwölfjährigen Sohn (Weckauf) aus dem vom NS-Regime kontrollierten Europa fliehen. Der Plan: Ein Pfad von Südfrankreich über die Pyrenäen nach Spanien soll sie bis zu einem Schiff führen, mit dem sie nach New York reisen können, wo bereits die Mutter (Anna Maria Mühe) Unterschlupf gefunden hat. Geführt werden sie vom ortskundigen Mädchen Núria (Nonna Cardoner), das ohne Eltern lebt.

Ein Zwischenfall führt allerdings dazu, dass Vater Kirsch den Nazis doch in die Hände fällt - und die Kinder alleine weiterziehen müssen. Wobei Sohn Rolf nie aufgibt, an eine Rückkehr seines Vaters zu glauben. „Er kommt frei! Er hat es geschworen!“, entgegnet er der weitaus realistischeren Núria, als die ihn auf die bittere Realität einstimmen will. Komplettiert wird die Reisegruppe von Rolfs treuem Terrier, der ausgerechnet - Hitler ist noch an der Macht - Adi heißt.

Der Film beruht auf einem Roman, der wiederum auf wahren Begebenheiten basiert. Den Pyrenäen-Fluchtweg gab es tatsächlich. Regisseur Tobias Wiemann („Amelie rennt“) inszeniert das Werk nun als Mischung aus Abenteuerfilm und Historiendrama. Die erdigen Farben erinnern ein wenig an „Das Wunder von Bern“.

Zugleich erzählt Wiemann die Geschichte sehr konsequent, ohne große Brüche oder Mehrdeutigkeiten. Der ganze Film - FSK-Freigabe ab sechs Jahre - ist erkennbar auch darauf ausgelegt, dass ihn Kinder schauen können. Trotz des Krieg-Szenarios gibt es etwa kaum Gewalt zu sehen. Eltern sollten dennoch darauf vorbereitet sein, Antworten geben zu können. Etwa auf die Frage, warum Deutsche damals Totenköpfe auf ihren Uniformen trugen.

Ein wenig ist „Der Pfad“ allerdings auch ein Coming-of-Age-Film. Rolf ist ein tapsiger Träumer, der wirkt, als sei er aus Versehen in ein düsteres Kapitel Weltgeschichte geraten. Aber zum Schluss, ohne zu viel zu verraten, kommt er doch noch sehr in der Realität an. Dann verschwendet man keinen Gedanken mehr an Hape Kerkeling. Sondern nur noch daran, wohin die Reise von Julius Weckauf noch führen kann.

Der Pfad, Deutschland 2021, 99 Min., FSK ab 6, von Tobias Wiemann, mit Julius Weckauf, Volker Bruch, Anna Maria Mühe, Nonna Cardoner