Wie ein Krimi: Viereckige Munition im Museum entdeckt
Im Städtischen Museum in Überlingen am Bodensee sind ganz besondere Geschosse entdeckt worden - sie haben die Form von Drei- und Vierecken. Wozu dienten sie?

Überlingen (dpa) - Auf den ersten Blick sind die Geschosse etwas unscheinbar. In der Hand des Überlinger Museumsleiters Peter Graubach liegen ein paar Blei-Stücke, nicht größer als eine Fingerkuppe. Auf der Vorderseite haben sie die Form eines Zylinders, nach hinten werden sie drei- und viereckig.
Und genau das macht das Besondere aus: Die eckigen Geschosse seien Prototypen aus der Zeit um den Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert, sagt Graubach. Bislang gab es nur Zeichnungen davon, jetzt haben wir erstmals einen Beleg, dass es sie tatsächlich gegeben hat.
Dabei gehört die Kiste, in der die Munition aufbewahrt wurde, schon seit Jahrzehnten zum Bestand des Städtischen Museums am Bodensee. Ein Überlinger Unternehmer hatte sie dem Haus Ende der 20er-Jahre vermacht. Darin waren viele Päckchen, ganz akkurat verpackt, sagt Graubach. Zwar sei auch mal eines geöffnet worden. Es war aber bekannte Munition darin, deshalb hat man die anderen nicht weiter ausgepackt.
Doch dann geschieht gleich eine ganze Reihe von Zufällen. Nummer eins: Hauptkommissar Antonius Rauch sieht 2013 einen Fernsehbeitrag über eine Waffenausstellung in dem Museum. Die Waffen wurden damals zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder ausgestellt. Rauch, der am Kaiserstuhl wohnt, aber das Museum als Kind einmal besucht hatte, wird neugierig und fährt nach Überlingen.
Zufall Nummer zwei: Graubach erzählt Rauch von einer Kiste, in der noch Munition lagert. Der inzwischen pensionierte Hauptkommissar und Waffenexperte bittet darum, sie untersuchen und dokumentieren zu dürfen. Für mich war das ein Krimi, sagt Rauch, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema Munition befasst.
Denn dann kommt Zufall Nummer drei: Aus einem Buch, das gar nichts mit Waffen zu tun hatte, ist ein alter Bogen rausgefallen, erzählt Rauch. Auf dem Papier findet sich die komplette Aufstellung der Objekte. Ich hab einen Schrei losgelassen und gedacht: Wenn es das ist, was ich denke, ist es eine Sensation.
Und er sollte Recht behalten: Im Standardwerk zu Handfeuerwaffen stoßen Graubach und er auf Schautafeln, in denen die eckigen Geschosse genau abgebildet und beschrieben sind. Bislang gab es aber keine Beweise dafür, dass es die Geschosse auch gibt, sagt Rauch. Und ich finde die, habe die zum ersten Mal in der Hand.
Auch Bernd Kellner von der Regionalgruppe Schwäbisch-Gmünd des Verbands für Waffentechnik und -geschichte ist fasziniert von dem Fund. Man habe zwar von solchen Versuchen gewusst. Aber bis jetzt hat noch nie jemand von uns die Munition dazu gesehen. Es ist verblüffend, dass wir endlich etwas in der Hand halten können, das dem entspricht. Noch überraschender findet er jedoch die dreieckige Munition. Die wurde nie erwähnt, sagte der Waffenexperte.
Die Waffenmacher hätten damals mit verschiedenen Geschoss-Formen experimentiert, sagt Graubach. Sie haben immer versucht, das Laden schneller und das Schießen treffsicherer zu machen. Die dreieckige Form stamme aus dem 16. Jahrhundert, die viereckige aus dem 17. Jahrhundert. Aber wurden die Geschosse auch wirklich im Feld benutzt? Nein, glaubt Graubach. Ich denke, das war nur ein Versuch.
