340 000 Begriffe enthält die Aussprache-Datenbank der ARD Wie spricht sich eigentlich Houellebecq aus?
Sie ist eines der meist genutztesten Werkzeuge der ARD: Die Aussprache-Datenbank verrät, wie man schwierige Wörter richtig ausspricht. Für "Tagesschau"-Sprecher ist sie unverzichtbar.
Hamburg (dpa) l Manchmal müssen Nachrichtensprecher wahre Wort-Akrobaten sein. Wenn die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull in der Gemeinde Rangárþing eystra den europäischen Flugverkehr lahmlegt. Für Herzklopfen sorgen auch die neuen Werke der französischen Schriftsteller Michel Houellebecq und Frédéric Beigbeder. Den Moderatoren sollte dann besser "WellBeck" und "Begbedee" anstelle von "Hellebeck" und "Bäschbehda" über die Lippen gehen.
Wechselt der Generalsekretär der Vereinten Nationen von "Koo-fi Annahn" zu "Bahn Ki-Muuhn", verlassen sich Sprecher des öffentlich-rechtlichen Rundfunks längst nicht mehr auf veraltete Lexika oder Aussprache-Karteikärtchen. Exotische Namen und andere Zungenknoten lösen sie seit mehr als 16 Jahren mit der ARD-Aussprache-Datenbank (ADB) - einem Computerprogramm, das wie eine Art interne Wikipedia-Seite funktioniert, erklärt ihr Leiter, Roland Heinemann. Mit wenigen Klicks verrät das Programm, wie man schwierige Wörter korrekt ausspricht.
Heute stehen rund 340 000 Fachbegriffe, Ausdrücke oder Namen zum Abruf bereit. Die Aussprache-Datenbank sei das wichtigste Hilfsmittel aller Nachrichtensprecher, sagt Jan Hofer, Chefsprecher der "Tagesschau".
"Tagesschau"-Sprecherin Linda Zervakis liest gerade die Morgennachrichten vor - ihr Chef hört mit. Hofer tastet nach einem schwanenhalsförmigen Mikrofon: "Das haben Sie sehr schön gemacht." Letztens habe er Zervakis indes bei einem "Sid-nei" erwischt, "Sid-ni" sollte das aber heißen, sagt er. Hofer fährt an einem Computer mit der Maus über ein blaues Suchfeld, tippt den Namen des früheren UN-Generalsekretärs ein. Die ADB spuckt "Annan" in einer Liste aus - als Lautschrift, als verständlichere Umschrift, als Audio-Datei, als Hintergrund-Information. "Wir haben ihn Anfang Ännen genannt, da er aus Ghana kommt, da spricht man Englisch", sagt Hofer.
Ein Korrespondent habe ihn später nach der richtigen Aussprache gefragt: "Annan, like German Anna", lautete die Antwort. In der Regel würde jedoch in Botschaften, Konsulaten oder bei Auslandskorrespondenten nachgefragt, in Enzyklopädien nachgeschlagen oder fremdsprachige Kollegen angerufen.
Die ADB wird seit 16 Jahren vom Hessischen Rundfunk verwaltet - ursprünglich wegen des kurzen Drahts zur Duden-Redaktion in Mannheim. "Der Aussprache-Duden war die Grundlage für die Aussprache-Datenbank. Allerdings ist er teilweise veraltet, weil sich die Sprache ständig ändert", erklärt Hofer. Ein weiteres Problem: Das Nachschlagewerk lehne sich bei Ortsbezeichnungen eng an die Lautsprache an, berücksichtige aber kaum die regionalen Gepflogenheiten.
Aus manchen Sprachen könnten Aussprachen nicht eins zu eins übernommen werden, etwa beim Arabischen. Diese Wörter würden für die Ohren hierzulande eingedeutscht, "weil manches auch in Deutsch merkwürdig klingen würde, wenn wir es so aussprechen würden", sagt Hofer. Es gilt der Grundsatz: "Der Zuschauer muss immer wissen, um was es geht." Auch regionale Sonderregeln für die staatlichen schweizerischen, österreichischen und italienischen Rundfunksender, die ebenfalls an die ADB angeschlossen sind, wurden eingepflegt. Für Österreicher heißt es eben "Schiraffe", nicht "Giraffe", erklärt Heinemann.
Die Regeln der ADB sind für alle Mitarbeiter im Sendegebiet der ARD verbindlich. Trotz des digitalen Helfers sind jedoch selbst erfahrene Ansager gegen manchen fiesen Versprecher nicht gefeit: "Mit Massachusetts habe ich es nicht so", sagt Zervakis.