Ausstellung in Wittenberg mit Grafiken und Gemälden aus der Zeit 1933 bis 1945 Zwischen Bedrängnis und Widerstand
"Zwischen Bedrängnis und Widerstand" ist eine Ausstellung in Wittenberg überschrieben, die Arbeiten aus der Sammlung Gerd Gruber zeigt.
Wittenberg l Vor drei Jahren war die beeindruckende Ausstellung "Aufbruch in die Moderne" mit Arbeiten des frühen 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Wittenberger Verfahrenstechnikers Gerd Gruber in den Räumen des Alten Rathauses und gegenüber im Cranach-Haus zu sehen. Nun findet diese Unternehmung eine Fortsetzung in den gleichen Räumen aus der gleichen Sammlung unter dem Titel "Zwischen Bedrängnis und Widerstand - Grafiken und Gemälde der Jahre 1933 bis 1945".
Grubers Sammlung umfasst 9000 Arbeiten
Gerd Gruber aus Wittenberg begann als 15-Jähriger zu sammeln, vor allem Grafik, die seinen schmalen Einkünften angemessen war. Inzwischen ist er in der Kunstlandschaft bekannt und bekommt ob seiner ernsthaften Bemühungen hin und wieder auch mal etwas geschenkt. Diese Bemühungen zielen vor allem auf progressive Kunst seit 1900, dabei ist er sich nicht zu schade, auch agitatorische Kunst in seine Sammlung aufzunehmen. Etwa 9000 Arbeiten umfasst die Sammlung inzwischen.
Und Gruber hat eine fast kriminalistische Forschungsarbeit auf diesem Gebiet geleistet. Es ist nach Erhard Frommholds "Kunst im Widerstand" von 1968 die erste große Dokumentation neuester Erkenntnisse zu diesem Thema: In dem 400-seitigen Katalog sind neben 1200 Abbildungen von Kunstwerken und Dokumenten Angaben zu 382 Künstlern aus 27 Ländern zu finden. Eine Reihe von ihnen wird erstmals veröffentlicht. Gerd Gruber widmet Ausstellung und Katalog 43 Künstlern, die physische Opfer der Nazi-Diktatur wurden. Die Ausstellung selbst kann im Rathaus und im Cranach-Haus nur um die 150 Originale zeigen, sodass Katalog und Ausstellung eine untrennbare Einheit bilden.
Neue Dokumente über die "Kugel"-Künstler
Natürlich locken große Namen wie Pablo Picasso, Joan Miró, Fernand Léger, Marc Chagall oder Käthe Kollwitz, Hans und Lea Grundig, Erich Heckel oder Willi Baumeister. Es sind aber die vielen zum Teil schon in Vergessenheit geratenen Künstler, die das Gewicht dieser Unternehmung ausmachen. Sie zeigen, wie breit die Front der Hitler-Gegner war. Einige Künstler leisteten aktiv Widerstand und bezahlten mit ihrem Leben, andere hatten Demütigungen und Mal- sowie Ausstellungsverbot zu ertragen und zogen die innere Emigration vor. Wie schnell war ein Künstler als "entartet" diffamiert und denunziert ...
Einige regionale Beispiele aus der Ausstellung: Herbert Stockmanns (Quedlinburg/Halle) Radierung "Galgen" dürfte auch auf seine Inhaftierung wegen antifaschistischer Tätigkeit und seine Abschiebung ins Strafbataillon zurückgehen. Der Magdeburger Künstler Bruno Beye entzog sich nach einer Denunziation mit nachfolgender Hausdurchsuchung durch ständige Auslandsreisen weiterem Zugriff, hatte er doch mit mehreren Arbeiten in der "Volksstimme" vor den Nazis deutlich gewarnt.
Max Dungert, wie Beye zur linksprogressiven Künstlervereinigung "Die Kugel" und zur Berliner "Novembergruppe" gehörend, hatte Kontakte zum antifaschistischen Widerstand, wurde als entartet verfemt und fiel am 26. April 1945 (ein ebenfalls durch die Forschungsarbeit Grubers belegtes Datum) einer Verwechslung mit einem hohen Nazi zum Opfer und wurde von sowjetischen Soldaten erschossen. Günther Vogler, der dritte im Bunde der Magdeburger Kugel-Künstler, auch zu ihm neue bisher unveröffentlichte Dokumente von Gruber, wurde nach Gefängnishaft in eine "Bewährungskompanie" gesteckt, verlor ein Bein und starb an den Folgen der Verwundung.
Vom Realismus bis zum Surrealismus
Manche der in Wittenberg ausgestellten Blätter entstanden im Zuchthaus oder KZ, wurden herausgeschmuggelt oder eingemauert. Andere Beispiele zeigen, dass slowenische Partisanen ihre eigene Druckerei hatten und dort auch Kunst druckten. Die Wege der Kunst sind, wie sich in der Ausstellung zeigt, so vielfältig wie ihre Inhalte und die Art der Darbringung und Verbreitung. Die auch heute noch wirkende und überzeugende künstlerische Kraft trägt die gesamte Ausstellung.
Die Sammlung ist offen für alle Spielarten der bildenden Kunst, vom Realismus bis zum Surrealismus, von abstrakten Lösungen bis zu satirisch Überhöhtem. Ihre Vielfarbigkeit, im besten Sinne des Wortes, ist so nicht zu übertreffen und findet sich in dieser Konzentration in keinem Museum Europas. Die Dokumentation unterstützt die Wahrhaftigkeit des Unternehmens um ein Weiteres.
Die Sammlung von Dr. Gerd Gruber wurde vom Land Sachsen-Anhalt als einzige private Sammlung in der Kategorie "national wertvolles" Kulturgut registriert. Der Stadt Wittenberg und der Cranach-Stiftung ist ein großes Dankeschön zu sagen dafür, dass sie sich abseits der Kunstzentren für die Ausstellung und den Katalog so großartig engagiert haben.