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Auf 20-Zöllern durch den Wald Unterwegs mit einem Gravel-Faltrad

Auf Schotter und Waldwege abbiegen? Das zählt nicht gerade zu den Kernkompetenzen von Falträdern, die vor allem in der Stadt punkten. Es gibt aber Ausnahmen, die hart im Nehmen sind.

Von Stefan Weißenborn, dpa Aktualisiert: 26.10.2021, 04:32
Das Vello-Faltrad mit den parallel verlaufenden Rahmenrohren ist eine galante Erscheinung. An der Gravel-Ausführung fallen auch die Profilreifen mit ihren gelblichen Wänden ins Auge.
Das Vello-Faltrad mit den parallel verlaufenden Rahmenrohren ist eine galante Erscheinung. An der Gravel-Ausführung fallen auch die Profilreifen mit ihren gelblichen Wänden ins Auge. Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Berlin - Falträder sind ideale Stadtbegleiter: Sie eignen sich für Pendler in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Oder für Campingfreunde und Bahnreisende, die, vor Ort angekommen, mobil sein wollen. Was aber wäre, wenn man breite Reifen und einen Rennlenker montiert?

Dann käme ein Gravel-Faltrad heraus, das seinen Aktionsradius um Forst-, Wiesen- und Waldwege erweitern würde. Das war die Idee, die man zu Beginn der Corona-Krise in Wien beim Faltradhersteller Vello hatte und 2021 in die Tat umsetzte.

Falträder auch für Abenteuer jenseits des Asphalts fit zu machen, damit hatte sich auch die Firma Brompton beschäftigt. Der britische Faltradspezialist konfigurierte ein Sondermodell mit robusteren Reifen. Unter dem Label Jeep ist ein Falt-E-Bike mit groben Geländestollen am Markt.

Und auch ein anderer Faltradpionier aus England, Moulton, bezeichnet seine Schlechtwege-Variante XTB als Gravelbike - doch fehlt das prägnante Erkennungsmerkmal: der gebogene Rennlenker. Wir haben das Vello Gravel auf Waldwege und Landstraßen entführt.

- Der Einsatzzweck: Valentin Vodev, Mitgründer von Vello, schreibt dem Modell „perfekte Gravel-Eigenschaften“ zu. Es gehe darum, seine Fahrer zu ermutigen, angestammtes Terrain - den Campingplatz, die täglichen Wege - zu erweitern: „Es ist zum Beispiel ideal für kurze Trips um die Stadt, off-road wie on-road„, so Geschäftsführer Vodev.

Für viele Kunden interessant sei der Unterschied zu gängigen Gravelbikes, der sich dem Faltmechanismus verdanke: Touren seien mit dem Vello spontaner möglich - zumindest, wenn der Ausgangspunkt nicht gleich vor der Haustür liegt.

Das zusammengelegte Vello kann in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln als Gepäck kostenfrei mitreisen - ein vollformatiges Allroad-Bike, wie Gravelbikes auch genannt werden, muss im Zweifel auf den Fahrradträger am Auto, oder man muss ein Zusatzticket lösen.

- Die Technik: Das Vello Gravel rollt wie jedes Faltrad auf vergleichsweise kleinen Laufrädern, mit 20 Zoll sind diese aber größer als etwa die 16-Zöller eines Brompton. Damit ist das Faltmaß für ein Klapprad kompakt, aber nicht ultrakompakt. Weil sich beim Gravel zudem der Rennlenker nicht zusammenlegen lässt, ist es in Höhe und Breite etwas größer als beim Vello-Basismodell und beträgt 65 x 79 x 39 Zentimeter (Höhe mal Länge mal Breite).

Der patentierte Faltmechanismus ist einfach, erfordert aber etwas Übung. Der per Magnet arretierte Hinterbau lässt sich über ein Gelenk am Tretlager rechts neben den Rahmen schwingen. Vorderrad und Gabel, die sich über ein weiteres Gelenk am Gabelkopf lösen lassen, legt man an der anderen Seite an einen weiteren Magneten an.

Mit 11,9 Kilo ist das Bike gerade noch leicht genug, dass man das Tragen vom Bahnsteig zum Ausgang oder vom Keller zum Auto nicht als Zumutung empfindet. Wahlweise kann man es im gefalteten Zustand am Sattel gepackt aber auch vor sich her rollen.

Was das Modell zum Gravelbike qualifiziert sind neben dem Rennlenker Reifen und Schaltung: Die 50 Millimeter breiten Profilreifen Billy Bonkers von Schwalbe sollen laut Hersteller auch auf sandigen Böden für mehr Grip sorgen. Die Kassette bietet ordentlich Bandbreite: Für einen leichtgängigen Berggang sorgt ein großer Zahnkranz mit 36, für flotte Fahrt bei adäquater Übersetzung einer mit 11 Zähnen.

Das Schaltwerk entstammt Shimanos ambitionierter 105er Rennradgruppe - das passt zu den Rennradgenen, die jedem Gravelbike innewohnen. Dem ebenfalls veranlagten Mountainbike-Erbe wiederum verdanken sich auch die Scheibenbremsen, die auch bei Nässe anders als Felgenbremsen volle Funktion versprechen.

- Der Fahreindruck: Quirlig und wendig verrät das Fahrrad schon auf den ersten Metern seinen Charakter. Es lässt sich mühelos beschleunigen, die Reifen surren auf der geraden Landstraße, auf der das Bike ordentlich Tempo aufnimmt und sich dann fast so spurtreu fährt wie ein ausgewachsenes Fahrrad.

Biegt man auf Feld- und Waldwege ab, schwindet der Spaß nicht, im Gegenteil. Erstaunlich komfortabel rollen die 20-Zöller ab. Aufgrund ihrer Breite ist ihr Volumen groß, und sie benötigen weniger Luftdruck, was die Dämpfung verbessert. Die Auflagefläche des Profils ist größer, was die Traktion erhöht.

Ein Elastomer-Hinterbau-Dämpfer zwischen Oberrohr und Sitzstreben mildert zusätzlich die Schläge von unten - zumindest im Kopf. Deutlicher spürbar ist die Verspieltheit des Vello, es lenkt sich so direkt, dass man Freude hat, Wurzeln und Brocken auf dem Waldweg zu umkurven. Für Schlaglöcher und Kuhlen sind die 20-Zöller aber anfälliger als größere Räder, die darüber oft hinwegrollen.

Abstriche gibt’s vor allem aber beim Lenken unter seitlicher Belastung des Teleskop-Vorbaus zu vermelden. Wie die Sattelstange lässt er sich in der Höhe einstellen, um das One-Size-Fahrrad an die Körpergröße anzupassen. Doch spätestens im Wiegetritt, aber auch im Sitzen, wenn es unter Anstrengung bergauf geht, lässt der Vorbau etwas an Steifigkeit vermissen. Der Effekt verringert sich, je mehr der Lenker nach unten gestellt wird.

Der Rennlenker ermöglicht dagegen mehrere Griffpositionen und sorgt damit für Abwechslung bei der Sitzhaltung - besonders bequem ist es, wenn man die Hörnchen der Bremshebel greift. Im Unterlenker, der, wie für Gravelbikes typisch für mehr Kontrolle im Gelände seitlich ausgestellt ist, zu fahren, dürften die wenigsten nutzen. Zu so viel Sport animiert der Off-Road-Falter dann doch nicht.

- Ausstattung, Zubehör, Peripherie: Auch für Alltag und leichtere Touren lässt sich das Vello Gravel optimieren. Als Zubehör können Allwetterradler Schutzbleche bestellen, die sich mit dem Rad falten lassen (89 Euro). Für den gleichen Aufpreis liefert Vello kompakte LED-Beleuchtung mit 80 Lumen, die per USB geladen und Silikonschlaufen befestigt wird und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) entspricht.

Am Steuerrohr lässt sich ein Front-Gepäckträger mit zehn Kilo Tragkraft befestigen, der beim Falten nicht im Weg, aber abnehmbar ist (99 Euro). Spanngurte im Paar kosten weitere 19 Euro.

- Der Preis: Das Vello Gravel, das es wie bei Falträdern üblich in nur einer Rahmengröße gibt, kostet ab 2290 Euro. Damit liegt es 700 Euro über dem Basismodell Vello Rocky ohne Gravel-Ausstattung.

- Das Fazit: Ganz schön fix, ganz schön cross: Das Vello Gravel ist schnell und kommt auf Schotter und auch in leichtem Gelände gut zurecht. Doch als Klapprad bleibt es ein Kompromiss. Wer die Mixtur mag und Fahrradfahren nicht in erster Linie als Sport begreift, dürfte mit dem hochwertigen Bike aus Wien zufrieden sein.