Bienen Beim Stadt-Imker summt und brummt es auf dem Balkon
Imkern wird immer beliebter. Nicht nur auf dem Land können Bienen gehalten werden, auch mitten in der Stadt.
Osnabrück - Wer auf den Balkon von Wolfgang Schön tritt, schaut auf einen großen Holzkasten, um den es summt und brummt. Bienen fliegen unterhalb des Balkongeländers in den Kasten und wieder heraus. „Jetzt bei kühlem Wetter sind es nur ein paar Bienen. Aber wenn das Wetter sonnig ist, können es auch tausend Tiere sein, die da in der Stunde raus und rein fliegen“, erzählt der 48-Jährige in Osnabrück.
Seit dem vergangenem Jahr hält der selbstständige Tischler Bienen, und das mitten in der Stadt, in einer Etagenwohnung am Rande der Altstadt.
Imkern ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden, sagt dazu Kirsten Traynor, Leiterin des zum Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gehörenden Instituts für Bienenkunde in Celle. „Jedes Jahr kommen in Niedersachsen rund 1000 Imkerinnen und Imker neu hinzu.“ In diesem Bundesland gebe es inzwischen um die 14.000 davon, die etwa 100.000 Völker halten. „Auch innerhalb Deutschlands ist es in den vergangenen sechs Jahren enorm populär geworden“, sagt die Biologin.
Aus Umweltbewusstsein
Oft sei es das Umweltbewusstsein, das die Menschen zur Beschäftigung mit den gelbschwarz gemusterten Insekten bringe, sagt Traynor. „Man möchte etwas für die Natur und die Nachhaltigkeit machen.“ Ähnlich ist es bei Wolfgang Schön. Seine Ex-Freundin sei Bienen-Liebhaberin gewesen, und er selber schon immer ein Naturliebhaber. Mit einem Freund zusammen habe er im vergangenen Frühjahr bei einem Bienenverein im Landkreis Osnabrück einen theoretischen Kurs zu den Grundlagen des Bienenhaltens absolviert. Ein Imker mit 40 Jahren Erfahrung als Pate habe ihnen dann die praktische Arbeit gezeigt.
„Eigentlich mag ich Honig gar nicht so gerne“, berichtet Schön. Allergisch gegen Bienenstiche sei er auch, erzählt er und zieht sein Smartphone aus der Tasche. Er zeigt ein Selfie-Video, das ihn nach einem Bienenstich in seine Lippe zeigt: Das ganze Gesicht ist geschwollen. Er musste ins Krankenhaus. Aber der 48-Jährige lacht. „Ist ja klar, dass man als Anfänger auch Fehler macht.“ Er habe damals die Schutzhaube zu dicht an der Lippe getragen. Die Atemorgane seien das bevorzugte Ziel der Stiche. „Sie wissen schon, wie sie einen Bären in Schach halten können - dem stechen sie auch in den Mund oder die Nase.“
Probleme mit den Nachbarn habe es noch nicht gegeben, sagt Schön. „Unten wohnt eine junge Familie mit einem kleinen Kind. Die wollten von mir wissen, ob ich ein Wespen-Problem habe. Als sie gehört haben, dass es Bienen sind, sagten sie, oh, dann ist ja alles gut“, erzählt er. Anders als Wespen kämen Bienen auch nicht in die Wohnung. „Die haben ihre Flugkorridore. Ich sitze hier auf dem Balkon mit Freunden und Bekannten, und die Bienen stören sich nicht an uns.“ Allerdings dürfe sein Besuch angesichts des immer summenden und brummenden Bienenschwarms im Rücken nicht nervös werden.
Vorher mit den Nachbarn sprechen
Imkern in der Stadt sei weltweit in den vergangenen Jahren populärer geworden, sagt dazu Traynor. „Es wird in vielen Großstädten wie New York, Paris und Berlin geimkert, das ist sehr im Trend im Moment.“ In der Bienenzucht werde darauf Rücksicht genommen, die Tiere seien sanftmütiger und weniger stechfreudig. Imkern vom eigenen Balkon sei problemlos möglich, wenn die Tiere Zugriff auf eine Wasserressource in der Nähe hätten.
Allerdings sollten Interessierte vorher mit den Nachbarn sprechen. „Man kann die Flugroute so beeinflussen, dass sie nicht direkt über den Balkon der Nachbarn geht.“
Honig von in der Stadt gehaltenen Bienen sei aus einer Vielfalt von Blüten gewonnen und oft sehr lecker, erklärt die Bienen-Expertin. Bienen suchten in einem Umkreis von bis zu sechs Kilometern nach Blüten und Pollen. „Wir finden oft, dass in der Stadt aufgestellte Bienenvölker auch aus der Stadt herausfliegen.“ Umgekehrt würden auch an Feldern aufgestellte Bienenvölker gerne in die Städte hineinfliegen, um Blüten zu suchen.
Wer mit der Imkerei als Hobby liebäugele, solle auf jeden Fall im Vorfeld einen Grundkurs bei den Imkerverbänden oder Imkervereinen machen und sich einen erfahrenen Paten oder eine Patin suchen, betont Traynor. „Man braucht gutes imkerliches Grundwissen.“ Es reiche nicht, sich im Internet Videos anzusehen und einfach einen Bienenstock in den Garten zu stellen: „Bienen sind Tiere, und können wie andere Tiere auch krank werden.“
Um Krankheiten im Bienenvolk zu erkennen, brauche es einen geschulten Blick. Letztlich könnten diese Krankheiten auch auf andere Völker übertragen werden.
Inzwischen hat Wolfgang Schön drei Völker, insgesamt 15.000 Tiere. Sie stehen nicht nur auf seinem Balkon, sondern auch auf abgeschlossenem Werksgelände zweier Unternehmen in Osnabrück. „Mich fasziniert an den Bienen, wie sie sich als Volk selbst organisieren“, erzählt er. Und man müsse im Umgang mit den summenden Völkern große Ruhe mitbringen, wenn man nicht gestochen werden wolle. „Das hat durchaus einen meditativen Charakter.“