Volksstimme-Telefonforum mit der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt Gute Mundgesundheit ist Basis für gesunde Entwicklung
Auskunft zur Mundgesundheit gaben gestern beim Volksstimme-Telefonforum die Magdeburger Zahnärzte Dr. Carsten Hünecke und Dr. Dirk Wagner. Lesen Sie hier eine Auswahl von Fragen und Antworten.
Frage: Bei meinem Enkel, drei Jahre alt, sind an den Zähnen kleine schwarze Flecken zu erkennen. Beschwerden hat er keine. Muss das behandelt werden?
Antwort: Nach Ihrer Beschreibung handelt es sich um die frühkindliche Karies. Vermutlich erhielt der Kleine - wie leider viele andere Kinder auch - regelmäßig und zu lange eine Nuckelflasche mit gesüßten Getränken. Da das zuckerhaltige Getränk dann immer die Zähne umspült, kann das schon im Kleinkindalter zu tiefgreifenden Zerstörungen insbesondere der oberen Frontzähne führen. Eine Behandlung beim Zahnarzt ist unbedingt nötig, auch um dem Kind zu erwartende massive Beschwerden zu ersparen.
Frage: Warum wird den Milchzähnen so viel Bedeutung beigemessen? Sie fallen ja doch wieder aus und neue wachsen nach.
Antwort: Eine gute Mundgesundheit bei Kindern ist die Basis für ihre gesunde körperliche Entwicklung und auch eine Voraussetzung für gesunde Zähne im Erwachsenenalter. Milchzähne haben wichtige Aufgaben für das Kauen, für die Sprachentwicklung, als Platzhalter für bleibende Zähne sowie für eine psychisch gesunde Entwicklung. Richtige Ernährung, optimale Mundhygiene, die altersgerechte Anwendung von Fluoriden und die regelmäßige zahnärztliche Betreuung sind unerlässlich für gesunde Milchzähne.
Frage: Ich habe gehört, man soll ein Kind dem Zahnarzt vorstellen, auch wenn es gar keine Beschwerden hat.
Antwort: Das ist richtig. Aber leider kommen viele Eltern mit ihren Kindern nach wie vor erst dann zum Zahnarzt, wenn bereits ein Schaden vorliegt und die Kleinen Schmerzen haben. Die zahnmedizinische Wissenschaft empfiehlt den Zahnarztbesuch bereits im ersten Lebensjahr. Dann brechen die ersten Milchzähne durch, und die tägliche Mundhygiene sollte einsetzen. Schon ab diesem Alter ist es wichtig, die Gebissentwicklung zu kontrollieren. Zudem kann das Kind frühzeitig an die Umgebung in der Praxis herangeführt werden und zunächst spielerisch und angstfrei eine Untersuchung kennen lernen. Ideal ist es, wenn Mutti oder Vati dies mit einem eigenen Kontrolltermin, möglichst halbjährlich wiederholt, kombinieren. Sie erhalten beim individuellen Gespräch in der Zahnarztpraxis dann auch wertvolle Tipps zu Ernährung und Mundhygiene ihres Kindes.
Frage: Ältere Kolleginnen berichteten, dass Frauen im Rahmen der Schwangerenbetreuung früher auch unbedingt zum Zahnarzt mussten. Ist das heute wegen der verbesserten Mundhygieneartikel nicht mehr nötig?
Antwort: Unbedingt sollte eine Schwangere nach wie vor den Zustand ihrer Zähne kontrollieren lassen. Viele junge Frauen vergessen, dass Karies eine Infektionskrankheit ist, die die Mutter auf ihr Kind übertragen kann. Eine gute Mundgesundheit der werdenden Mutter ist also die beste Voraussetzung für ein geringes Erkrankungsrisiko des Kindes. In Sachsen-Anhalt liegt dem Mutterpass ein Einlegeblatt bei, das jede Schwangere zum Besuch eines Zahnarztes auffordert. Der kann dann noch rechtzeitig vor Geburt des Kindes bei der Patientin präventive und therapeutische Maßnahmen zur Senkung des Erkrankungsrisikos vornehmen, aber auch gleichzeitig wichtige Informationen für die Mundgesundheit des Kleinkindes vermitteln. Vielfach unbekannt ist zum Beispiel, dass durch Sauberlecken eines heruntergefallenen Schnullers oder Vorkosten der Babyflasche oder des Brei-Löffels die zahnschädigenden Bakterien auf das Kind übertragen werden. Je später es aber damit in Berührung kommt, desto besser sind die Chancen für gesund bleibende Zahnsubstanz.
Frage: Bei einem Säugling schon täglich die Zähnchen zu putzen ist doch wohl etwas übertrieben. Wie soll das denn gehen?
Antwort: Sobald der erste Zahn im Mund sichtbar ist, sollte er regelmäßig gesäubert werden. Die Zahnpflege liegt in diesem Alter allein in den Händen der Eltern. Während das Kind anfangs eher spielerisch auf der Zahnbürste herumbeißt, darf es später selbst nachputzen und, je älter es wird, seine Zahnpflege und auch die Verantwortung für die eigene Mundgesundheit mehr und mehr selbst übernehmen. In der Regel kann ein Kind seine Zähne erst dann weitgehend allein säubern, wenn es dazu motorisch in der Lage ist - meist rund um den ersten Schultag. Doch auch dann bleibt es Aufgabe der Eltern, das Ergebnis des sorgfältigen Zähneputzens regelmäßig zu kontrollieren. Neben der Reinigung der Zähne selbst und damit verminderter Risiken für Zahnschäden sollte dem Kind von Anfang an auch der Geschmack sauberer Zähne selbstverständlich werden.
Frage: Mein Mann hat eine künstliche Herzklappe erhalten und soll nun vor jedem Zahnarztbesuch Antibiotika nehmen. Wozu ist das nötig und in welcher Dosierung?
Antwort: Das Antibiotikum dient der Endocarditis-Prophylaxe. Damit soll verhindert werden, dass Bakterien über die Blutbahn bis zum Herzen gelangen. Denn beim Zahnarzt kann es durchaus einmal bluten - sei es bei der Entfernung von Zahnstein oder der Extraktion eines Zahns. In welcher Dosierung und wann genau vor der Zahnarztvisite das Medikament zu nehmen ist, steht in der Regel im Herzpass des Patienten oder wird beim behandelnden Arzt erfragt.
Frage: Bei meinem Kind stehen die Milchzähne schief. Schadet das dem späteren bleibenden Gebiss?
Antwort: Für ein dauerhaft funktionsfähiges Gebiss sind nicht nur gesunde Zähne an ihrem vorgesehenen Platz, sondern auch die korrekte Zuordnung der Zähne zueinander und ihre langfristige, stabile Stellung wichtig. Schon beim Kind im Alter bis zu drei Jahren sollte darauf geachtet werden, dass das physiologisch korrekte Gleichgewicht zwischen Zunge und Mundmuskulatur eingestellt, geübt und beibehalten wird. Die richtige Position ist: Die Zähne stehen im Raum zwischen Zunge und Lippen bzw. Mundmuskulatur. Nur bei korrekter Zungenposition am Gaumen wird die wichtige Nasenatmung geschult und das Wachstum der betroffenen Gesichtspartien kann sich frei entfalten. Eine gesunde, physiologisch korrekt abgestützte Zahnstellung von Anfang an verbessert die Prognose für den langfristigen Erhalt der Zähne ganz wesentlich. Bei bestimmten Fehlstellungen im Milchgebiss ist eine kieferorthopädische Frühbehandlung angezeigt, die eine spätere aufwändigere Behandlung vermeiden könnte. Die Krankenkassen übernehmen auf Antrag in der Regel die Kosten.
Frage: Bei mir wurde kürzlich Zucker festgestellt. Eine Bekannte meinte, ich sollte deshalb auch unbedingt zum Zahnarzt gehen. Was haben die Zähne mit der Zuckerkrankheit zu tun?
Antwort: Zwischen dem Diabetes mellitus und der Entzündung des Zahnhalteapparates (Parodontitis) gibt es tatsächlich viele Wechselwirkungen. Der bei Diabetes erhöhte Zuckerspiegel lässt sich auch im Speichel und in Zahnfleischtaschen nachweisen. Entzündungsfördernde Proteine lagern sich nicht nur im Körpergewebe ab, sondern auch im Zahnhalteapparat und verstärken dort eine sich entwickelnde orale Entzündung. Parodontitis ist also eine echte Komplikation eines Diabetes. Studien haben gezeigt, dass durch Beseitigung der Infektion in der Mundhöhle der Blutzuckerspiegel bei Diabetes gesenkt werden kann. Man nimmt an, dass die aus infizierten Zahnfleischtaschen über die Blutbahn in den Körper wandernden Bakterien und Entzündungsmoleküle die Insulinwirkung hemmen und damit zu einem höheren Blutzuckerspiegel führen können. Durch die Therapie einer Parodontitis wird die Infektions- und Entzündungsquelle im Mund reduziert und dadurch offenbar die Wirkung des Insulins verbessert. Parodontitis ist zudem auch ein Risikofaktor für Arteriosklerose und Blutgerinnung.
Frage: Stimmt es, dass Obstsäfte ohne Zucker-Zusatz auch die Zähne schädigen können?
Antwort: Abgesehen davon, dass das in Obst und Honig natürlich vorkommende, süß schmeckende Kohlenhydrat Fructose manchen Menschen sogar gesundheitliche Probleme bereiten kann, schadet Fruchtzucker den Zähnen genauso wie Weißzucker. Denn Fructose ist ein Einfachzucker und in Verbindung mit Glucose als Zweifachzucker auch im ganz normalen Rüben- oder Haushaltszucker enthalten. Den Bakterien in den Zahnbelägen schmecken sowohl Einfach- als auch Zweifachzucker. Sie wandeln beide Arten in aggressive Säuren um, die dann den Zahnschmelz entmineralisieren und später sogar den Zahn zerstören können. Daher ist es unter dem Aspekt der Zahngesundheit egal, ob Süßes in Form von Frucht- oder von Weißzucker verzehrt wird - die Bakterien in der Plaque starten in jedem Fall einen Säureangriff auf die Zähne. Säuren in Limonade, Saft oder Softdrinks schaden Zähnen auch auf andere Art, ohne bakterielle Hilfe. Denn die chronische Einwirkung von Säuren führt zu Erosionen: Der Zahnschmelz wird zerstört, das Zahnbein (Dentin) freigelegt. Unbehandelt kann ein solcher Zahn nicht ein Leben lang halten. Das heißt aber keinesfalls, auf gesundes Obst oder Obstsäfte zu verzichten, nur um die Zähne zu schonen. Wichtig ist, nicht den ganzen Tag über nur Saures, sondern zum Durstlöschen auch Wasser oder Tee zu trinken und zweimal täglich mit fluoridierter Zahnpaste die Zähne zu putzen.
Frage: Nach medikamentöser Krebs- und Osteoporosetherapie ist bei mir eine umfangreiche Zahnbehandlung geplant. Man sagte mir, der Zahnarzt muss über die Medikamente genau informiert werden. Warum?
Antwort: Sie nehmen wahrscheinlich Bisphosphonate, einen Wirkstoff, der den Knochenstoffwechsel beeinflusst. Bei operativen Eingriffen am Kieferknochen wie einer Zahnentfernung kann es dadurch zu erheblichen Störungen bei der Wundheilung mit weiterem Knochenverlust kommen. Wenn eine Therapie mit solchen Medikamenten geplant ist, sollte am besten vorher eine Zahnsanierung durchgeführt werden. Wurde das versäumt, muss der Zahnarzt spezielle Behandlungsmaßnahmen einleiten. Dafür braucht er aber genaue Kenntnis darüber, welche Medikamente der Patient einnimmt.
Frage: In unserem Kindergarten putzen wir mit den Kindern direkt nach dem Frühstück und nach dem Mittagessen die Zähne. Aber eigentlich soll man nach dem Essen damit doch eine Weile warten, um Schäden an den Zähnen zu vermeiden? Wir können es im KiTa-Alltag aber nicht anders organisieren.
Antwort: Es ist richtig, dass die Zähne am besten eine halbe Stunde nach der Mahlzeit geputzt werden, wenn sich der Säurespiegel im Mund wieder normalisiert hat. Wenn es sich aber nicht anders einrichten lässt, ist das Putzen und damit die Vermeidung von Karies wichtiger als der geringe Substanzverlust an den Milchzähnen.