Nur bei sehr kurzfristig annulierten Flügen muss die Airline Entschädigungen zahlen Keine Flüge vom Airport "Willy Brandt": Welche Rechte haben die Passagiere?
Der neue Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg (BER) wird bekanntlich nicht am 3. Juni 2012 eröffnet. Welche Rechte ergeben sich daraus für Passagiere, die ihren Flug für diesen Flughafen gebucht haben? Experten geben Auskunft.
Düsseldorf (rgm) l Grund für die Verzögerungen der Eröffnung des neuen Großflughafens sind Probleme mit dem Brandschutz (Volksstimme berichtete). Die sind ein Ärgernis, ein teures noch dazu: Je länger es dauert, desto höher werden die Zusatzkosten. Die Rechnung erhält wie so oft der Steuerzahler. Die Fluggesellschaften halten sich derzeit mit Forderungen nach Schadenersatz noch zurück, denn sie erwarten kaum Auswirkungen auf die Flugverbindungen. Was passiert jetzt aber mit den gebuchten Flügen, die vom neuen Flughafen starten sollten?
Betroffen sind alle Flüge, die ab dem 3. Juni 2012 von und nach Berlin-Brandenburg geplant waren. In den meisten Fällen wollen die Fluggesellschaften Flüge, die vom und zum neuen Willy-Brandt-Flughafen geplant waren, nun über die Airports Tegel und Schönefeld abwickeln. Die Passagiere müssen selbstverständlich von den Airlines darüber informiert werden, wenn sich Flugzeiten ändern oder gar Flüge ausfallen.
Einzelfall muss geklärt werden
Wer nur einen Flug gebucht hat, kann aber auch von sich aus Kontakt zur jeweiligen Fluggesellschaft aufnehmen. Die Airlines informieren in der Regel auf ihren Internetseiten über mögliche Auswirkungen. Dort werden auch die Ausweichflughäfen genannt. Wer eine Pauschalreise gebucht hat, wendet sich am besten direkt an den Reiseveranstalter.
Unabhängig von den Ereignissen rund um die Eröffnung des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg haben alle Passagiere Rechte, wenn ein Flug sich verspätet oder gar ausfällt. Bei Annulierungen und Verspätungen greifen die Rechte, die in der europäischen Fluggastrechteverordnung festgehalten sind. Pauschalreisende müssen im Zweifel Verzögerungen von mehreren Tagen hinnehmen. Minderungsansprüche werden dann prozentual angerechnet. Die Fluggesellschaften sind in diesem Fall zwar nicht am Flug-Chaos schuld. Sie müssen sich aber trotzdem um die gestrandeten Fluggäste kümmern.
Wem was zusteht, muss im Einzelfall geklärt werden. Hier ein Überblick: Bei kurzfristig annulierten Flügen muss die Airline Entschädigungen zahlen. Die genaue Höhe ist abhängig von der Strecke des Fluges: Bei Flügen bis zu 1500 Kilometern gibt es 250 Euro, bei Flügen innerhalb der EU über 1500 Kilometern und anderen Flügen bis zu 3500 Kilometer sind es 400 Euro und bei längeren Flügen bekommen die Passagiere 600 Euro.
Informiert die Fluggesellschaft dagegen rechtzeitig - das heißt, mindestens zwei Wochen vor der geplanten Abflugszeit - über den Ausfall, kann keine Entschädigung verlangt werden. Im Fall des Berliner Flughafens können es die Airlines noch schaffen, die Passagiere über die neuen Abflugsorte zu informieren. Wer später über die Annulierung unterrichtet wird, bekommt allerdings ebenfalls kein Geld, wenn ihm eine anderweitige Beförderung angeboten wird, die ihn rechtzeitig zum Ziel bringt. Kunden haben außerdem einen Anspruch auf Betreuung während der Wartezeit. Diese Betreuungsrechte sind unabhängig davon, wer die Wartezeit verursacht oder verschuldet hat.
Kurzfristiger Flugausfall
Wer stundenlang am Flughafen warten muss, hat Anspruch auf Verpflegung und Unterkunft. Dazu gehören Mahlzeiten, Getränke, zwei kostenlose Telefonate und bei längeren Aufenthalten über Nacht auch ein Hotel. Bei Flügen bis 1500 Kilometer reichen schon zwei Stunden Wartezeit aus, damit Airline-Kunden sich auf diese Regel beziehen können. Bei Distanzen von bis zu 3500 Kilometern gelten sie ab drei Stunden Verzögerung. Bei Distanzen von mehr als 3500 Kilometern gelten sie ab vier Stunden Verzögerung.
Die Initiative soll von den Airlines ausgehen. Sie müssen Kunden über die Verzögerungen und ihre Rechte informieren und ihnen Restaurant- und Hotelgutscheine aushändigen sowie für Transfers sorgen. Geschieht dies nicht oder nur unzureichend, raten Arag-Experten den Kunden, ihre Rechte einzufordern. Falls die Airline von sich aus nichts anbietet, kann der Wartende sich selbst mit Essen und gegebenenfalls einer Schlafgelegenheit versorgen. Die Kosten muss die Airline dann später erstatten. Wichtig: Belege aufbewahren!
Unterkunft und Verpflegung müssen angemessen sein. Wer sich also auf eigene Faust um Hotel und Restaurant kümmert, sollte nicht das Teuerste vom Teuersten wählen. Nach der sogenannten Schadenminderungspflicht sind Betroffene angehalten, die Kosten im überschaubaren Rahmen zu halten. Beträgt die Verzögerung mehr als fünf Stunden, ist die Airline zur Erstattung des Flugpreises und bei Verspätung eines Anschlussfluges auch zum kostenlosen Rückflug verpflichtet.
Kommt die Airline ihren Verpflichtungen nicht nach, sollten sich Kunden zuerst an das Unternehmen wenden, bei dem sie ihren Flug gebucht haben. Wer mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, kann sich beim Luftfahrt Bundesamt in Braunschweig unter www.lba.de beschweren, so die rag-Experten.
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