Ernährung von Jungtieren Orang-Utans im Glück: Muttermilch noch für Teenager
Beim Menschen gelten Mütter als "Langzeitstillende", wenn sie ihren Kindern noch im dritten Lebensjahr die Brust geben. Für eine Orang-Utan-Mutter ist das gar nichts.
Nathan (dpa) - Orang-Utan-Mütter stillen ihren Nachwuchs zumindest zeitweise noch bis ins neunte Lebensjahr hinein. Die Kleinen trinken im ersten Lebensjahr ausschließlich Muttermilch. Danach fressen sie auch Früchte und andere Pflanzenteile.
Sie greifen aber immer wieder auf Muttermilch zurück, wenn pflanzliche Kost nicht verfügbar ist, berichten Wissenschaftler im Fachblatt "Science Advances". Sie wiesen in den Zähnen verstorbener Orang-Utans chemische Spuren der Milch nach.
Über viele Aspekte des Verhaltens wildlebender Orang-Utans ist noch immer wenig bekannt, so auch über die Ernährung der Jungtiere. Das liegt vor allem daran, dass die Affen die meiste Zeit des Tages hoch oben in Bäumen verbringen. Gerade wenn sich die Mütter nachts mit ihren Jungen in die Nester verziehen, ist eine Beobachtung kaum mehr möglich.
Die Forscher um Tanya Smith von der Griffith University in Nathan (Australien) umgingen dieses Problem, indem sie bei Zähnen von Orang-Utans die Verteilung von Barium untersuchten. Barium stammt aus Speichern im Körper der Mütter und konzentriert sich in der Muttermilch. Die Jungtiere lagern es dann in Knochen und Zähnen ein. Ähnlich wie Bäume weisen Zähne Wachstumsringe auf, so dass man gemessene Barium-Konzentrationen in einzelnen Schichten mit dem Alter der Tiere in Verbindung bringen kann.
Insgesamt untersuchten die Forscher Backenzähne von vier vor Jahren erschossenen Jungtieren, die in zoologischen Museen aufbewahrt werden. Es handelte sich dabei um Exemplare des Borneo-Orang-Utans (Pongo pygmaeus) sowie des Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii).
Die Forscher stellten fest, dass der Barium-Gehalt im ersten Lebensjahr anstieg. Zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat fiel der Barium-Gehalt dann ab - die Tiere begannen, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Nachfolgend schwankte er dann in einem annähernd jährlichen Rhythmus. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Tiere immer dann auf Muttermilch zurückgriffen, wenn - jahreszeitlich bedingt - weniger Früchte zur Verfügung standen.
Für eines der untersuchten Tiere konnten die Forscher recht genau beziffern, wann es vollständig auf feste Nahrung umstieg: Es war zu diesem Zeitpunkt 8,1 Jahre alt. Ein weiteres Tier hatte wohl bis zu seinem Tod im Alter von 8,8 Jahren noch Muttermilch getrunken. Für keinen anderen nicht-menschlichen Primaten sei ein derart später vollständiger Umstieg auf feste Nahrung nachgewiesen, schreiben die Forscher.
Das Geburtsintervall beträgt bei Orang-Utans vier bis acht Jahre - auch dies ist die längste bei Menschenaffen bekannte Spanne. Aufgezogen wird der Nachwuchs allein von den Weibchen, erst mit fünf bis acht Jahren beginnt die allmähliche Trennung von der Mutter. Wegen der langsamen Fortpflanzungsrate bringen die Weibchen im Laufe ihres rund 50 Jahre währenden Lebens oft nur zwei bis drei Jungtiere zur Welt - was mit ein Grund dafür ist, dass das Überleben der Affen in freier Wildbahn so bedroht ist.
Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, wie die Verfügbarkeit von Nahrung und andere Umweltfaktoren das Stillverhalten bei Primaten beeinflussen, erklärte Smith. "Weitere Studien sind nötig, um herauszufinden, ob ähnliche Stillmuster menschlichen Babys helfen, ihre Widerstandsfähigkeit gegen Umweltstress im Säuglingsalter zu erhöhen."