Dolomiten in Italien Skisafari für Genießer: Hütten-Hopping mit Spitzenköchen
Kellner auf Schlittschuhen, Frühstücks-Spektakel auf mehreren Hütten, Sterneküche an der Piste – so exklusiv schmeckt der Winter in Alta Badia.

Corvara - Festlicher könnte die Bühne für die jungen Eiskunstläuferinnen kaum sein. Auf dem gefrorenen Sompunt-See stehen Tische mit weißen Decken, die weiß bepuderten Nadelbäume sind effektvoll angestrahlt, Feuerschalen und Kerzenständer verfeinern das Ambiente. Zur blauen Stunde leuchten in der Ferne die Schneefelder unter den Dolomitentürmen.Aus den Boxen erklingt Sinatras Klassiker „cheek to cheek“, während die Mädchen Pirouetten drehen und in Formationen übers Eis wirbeln. Die Kellner auf Schlittschuhen sind mit Sektflasche in der Hand nicht ganz so elegant unterwegs, trotz weißer Handschuhe, Hemd und Fliege. Aber ihr Rosé-Prosecco bringt die Gäste offenbar in Stimmung, ein paar Mutige wagen selbst ein Tänzchen. Vielleicht ist ihnen auch einfach kalt.
Der Aperitif auf dem Eis ist die neueste Extravaganz der Kampagne „Skifahren mit Genuss“, die 2009 begann. Den Anstoß gab Norbert Niederkofler, dessen Restaurant St. Hubertus als erstes in Südtirol mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Niederkofler wollte das Niveau der Küche auf den Berghütten heben. Er lud Spitzenköche ein, die jeweils ein Gericht für eine Hütte kreierten. Bei der ersten Auflage waren nur Südtiroler Sterneköche dabei, später reisten internationale Küchenchefs bis aus Aspen in Colorado an.
Die Feinheiten der Schweinshaxe
„Anfangs war ich skeptisch“, sagt Michaela Irsara. „Denn eine Gourmetküche hat ja viele Köche und wenig Gäste. Bei uns ist es umgekehrt.“ Irsara, 50, ist die Wirtin der Ütia (Hütte auf Ladinisch) „I Tablá“. Die Hütte liegt auf 2.040 Metern Höhe inmitten weiter, sanft geneigter Pisten. Von der Terrasse blickt man auf den breitschultrigen Sellastock mit seinen Bastionen und Türmen.
Irsara ist seit dem ersten Winter beim „Skifahren mit Genuss“ dabei. Auf ihrer Karte stehen noch vier Gerichte, welche die Spitzenköche in den vergangenen Jahren für die Hütte kreiert haben, darunter auch der Bestseller: Schweinshaxe mit Thymian-Polenta und Pfifferlingen. Sie müsse darauf achten, dass ihre Angestellten die aufwendigen Gerichte schaffen, erklärt Irsara. „Aber mit guter Vorbereitung ist vieles möglich.“
Mehrere Winter arbeitete sie dabei mit Simone Cantafio zusammen. Der Lokalmatador führte fünf Jahre ein Zwei-Sterne-Restaurant in Japan, jetzt ist er Küchenchef im Luxushotel „La Perla“ in Corvara. Die Rezepte passe er natürlich an das Können und die Ausstattung der Bergküchen an, erklärt er. „Und ich zeige ihnen jedes Jahr etwas Neues.“ Im vergangenen Winter war das Yuzukoshō, eine japanische Gewürzpaste aus Chili, Salz und einer Zitrusfrucht. Mit ihr verfeinerte Cantafio seine Speck-Zwiebel-Brühe zu den Tortellini, gefüllt mit Graukäse, Kartoffeln und Wildkräutern.
Die Gerichte sollten einfach, aber lecker sein, sagt er, „nicht zu fett, aber den Skifahrern viel Energie geben.“ Seine Lasagne aus Selleriescheiben war so ein Erfolg, dass Gäste sie hier im Gourmetrestaurant des Hotels bestellen wollten – und er sie auf die Speisekarte setzte.
Gourmet-Safari durch den Schnee
Wer Cantafio und die anderen Starköche live beim Anrichten erleben will, reist schon Mitte Dezember an. Bei der „Gourmet-Skisafari“ kurven dann bis zu 300 Wintersportler von Hütte zu Hütte und kosten von den neuen Kreationen. Pro verkauftem Gericht fließen drei Euro an die Organisation „La Miglior Vita Possibile“, die Geld für Kinder-Palliativmedizin sammelt. Mit dabei ist auch wieder Massimiliano Alajmo aus Padua, der mit 28 Jahren der weltweit jüngste Koch war, der drei Michelin-Sterne bekam.
Das kulinarische Hütten-Hopping ist das älteste in einer Liste von Events, die immer länger wird. Beim „SunRisa“ am letzten Montag vor Weihnachten wedeln die Teilnehmer schon kurz nach sieben Uhr über die leeren Pisten und lassen sich ein auf fünf Hütten verteiltes Frühstücks-Menü schmecken.
Die „Roda dles Saus“ präsentiert Mitte März eine Woche lang die ladinische Küche, auf den Hütten im kleinen Skigebiet Heiligkreuz wird dabei jeweils ein traditionelles Gericht wie Kartoffelnocken mit Ziegenkäse oder Krapfen mit Waldhonig serviert. Und bei der „Wein Skisafari“ Ende März können Urlauber auf vier Hütten insgesamt 100 Weine probieren.
Exklusiver geht es beim „Sommelier auf der Piste“ zu. Das Event ist fast immer ausgebucht – was auch daran liegt, dass an den sieben Terminen pro Wintersaison jeweils maximal 24 Gäste mitfahren können. Beim Treffpunkt vor der Bergstation am Piz La Ila werden sie auf zwei Gruppen aufgeteilt, unsere Truppe kurvt durch Schneetreiben zuerst zur Tablá-Hütte.
„Heute schneit es so viel, da fahren wir weniger und trinken mehr“, sagt Denisa Seberová. Die Sommelière (41) aus Tschechien ist schon ihr halbes Leben Südtirolerin. Nachdem sie in der Hütte die Skijacke ablegt, tritt sie in weißem Hemd, schwarzer Weste und Fliege an den Tisch, auf dem dicht gedrängt Weingläser verschiedener Größen stehen.
Seberová soll Urlaubern, die früher Chianti bestellt haben, die Weine Südtirols nahebringen. An diesem Tag hat sie leichtes Spiel. Um den Tisch sitzen Männer mittleren Alters aus einem Ingolstädter Skiclub, die regelmäßig nach Alta Badia kommen. Manche haben gar eine Saisonkarte.
Von mineralisch bis Mon Chéri
Als Erstes schenkt Seberová strohgelben Weißburgunder ein. Sie ermuntert zum Reinschnuppern und erzählt gleich, was man riechen soll: Pfirsich, grüner Apfel und kleine, weiße Blumen. „Salzig“, sagt einer der Herren nach dem ersten Schluck, „mineralisch“, korrigiert Seberová.
Beim Kerner, einer Kreuzung von Riesling und Vernatsch, sollen wir „exotische Früchte wie Mango, Litschi und Maracuja“ erschnüffeln, dazu „Holunder und Pfefferminz“. Der begleitende Skilehrer nickt immer wieder zustimmend. Er ist einer der gut 150 „Ski Wine Ambassadors“, die Alta Badia in den vergangenen drei Jahren geschult hat. Die Skilehrer lernen dabei die Grundlagen Südtiroler Weine und mit welchen Gerichten man sie am besten kombiniert. Zum Kerner beispielsweise würden Käsknödel passen.
Die Stimmung am Tisch steigt mit jedem Gläschen. Ausspucken mag keiner, ein Gefäß dafür wurde gar nicht bereitgestellt. „Fahrt langsam“, rät der Skilehrer beim Wechsel zur zweiten Hütte, „man sieht wenig.“ Ach so, deshalb.
Zum Glück ist die Ütia „Bioch“ nur eine blaue Piste und eine Liftfahrt entfernt. Der Hüttenwirt Markus Valentini führt in seinen Weinkeller mit 12.000 Flaschen, 80 Prozent stammen aus Südtirol. „Auf 2000 Metern Höhe kann man die Weine viel länger lagern“, sagt Valentini, „sie altern langsamer“.
Wir nehmen an einer Tafel inmitten der Regale Platz. Seberová gießt zuerst Blauburgunder und dann Lagrein ein, eine in Südtirol autochthone Rebsorte. Der zwei Jahre im Eichenfass gereifte Wein ist rubinrot, fast violett, die Aromen reichen von dunkler Schokolade über Pflaume und Waldfrüchte bis zu Lakritz. „Wie Mon Chéri“, sagt Seberová. Die Mitverkoster riechen, nippen, lachen auf oder schnauben vor Genuss.
Zum Abschluss bekommen sie einen Blanc de Blancs eingeschenkt, Metodo Classico. „Champagner dürfen wir ja nicht sagen“, erklärt Seberová. Plumpes Nachahmen haben die Südtiroler aber auch gar nicht nötig – weder beim Wein, noch beim Essen.
Links, Tipps, Praktisches
Beste Reisezeit: Das Skigebiet Alta Badia ist von Anfang Dezember bis Anfang Mai geöffnet. Von Januar bis März liegt in der Regel am meisten Schnee.
Anreise: mit der Bahn über Innsbruck bis Franzensfeste. Von dort weiter mit dem Zug bis Sankt Lorenzen und dann mit dem Bus nach Alta Badia.
Unterkunft: In den Dörfern gibt es viele Hotels mit eher gehobenen Preisen. Wer morgens den Panoramablick auf die Dolomiten und die Pisten für sich allein haben will, bucht ein Zimmer in der „Las Vegas Lodge“ in St. Kassian (auf 2.050 Metern in den Dolomiten) oder im Berggasthof „Pralongiá“ in Alta Badia.
Essen/Gastronomie: Wer in Simone Cantafios Restaurant „La Stüa de Michil“ essen will, sollte ein bis zwei Wochen vorher reservieren. Das Restaurant des Hotels „La Perla“ in Corvara, mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, hat nur 30 Sitzplätze in einer urigen Stube. Die Veranstaltung „Gastwirt auf dem Eis“ wird am 29. Januar 2026 stattfinden und 60 Euro kosten.
Weitere Auskünfte: altabadia.org