NIEDERÖSTERREICH Zehn Dinge, die Sie in St. Pölten unbedingt erleben müssen
Eine Liebeserklärung an eine Landeshauptstadt, die voller Überraschungen steckt.

Eine der am meisten unterschätzten Städte Österreichs ist ganz klar St. Pölten. Als Ausflugs- oder gar Urlaubsziel haben die knapp 60.000-Einwohner-Mini-Metropole nur wenige auf dem Zettel. Als der Autor österreichischen Freunden – aus Tirol, aus Wien, aus Salzburg – von seinen Reiseplänen erzählte, erntete er meist ein schulterzuckend-herablassendes „Sanktpödn - ach geh“.
Der Autor war dennoch in St. Pölten. Und sagt an dieser Stelle den österreichischen Freunden und allen anderen: St. Pöltens größte und bedeutendste Sehenswürdigkeit sind seine vielen Überraschungen. Es lohnt sich.
Überraschung eins: die Stadt an sich und ihr Flair
Idealer Startpunkt für einen Schnupper-Spaziergang ist der Rathausplatz. Fast italienisches Flair. Straßencafés säumen das Rechteck, die grünen Wedel der überall aufgestellten Kübelpalmen rascheln im Wind. Die Fassaden wechseln von Romanik zu Barock zu Jugendstil zu Renaissance zu Moderne. An der barocken Dreifaltigkeitssäule auf der Platzmitte picken Stadttauben nach ein paar Krümeln. Die im vergangenen Jahr frisch sanierte, nun wieder schneeweiße 20 Meter hohe Stele mit dem goldenen Kreuz obendrauf hatte in den 240 Jahren ihres Bestehens schon schwer zu tun. Sie wurde 1782 errichtet, um St. Pölten vor Krieg, Feuer, Erdbeben und Seuchen zu verschonen.
Überraschung zwei: Glockenspiel zur Geburt
Plötzlich klingelt das Glockenspiel des achteckigen barocken Rathausturms los. Eine eigens für die neugeborenen St.Pöltener komponierte Melodie. Das funktioniert so: Baby da, per SMS gibt die Hebamme in der Entbindungsklinik das Signal für den öffentlichen Willkommensgruß per Glockenspiel. Ansonsten bimmeln die 48 Glocken nach einem festen, quartalsweise wechselnden Plan. Allerlei populäre, jahreszeitlich passende Gassenhauer, in diesem Fall (autsch) Rathausplatz-Hauer. Auszug aus dem letzten Spielplan: 9.30 Für Dich solls rote Rosen regnen (Hildegard Knef), 12.30 Summertime (George Gershwin), 15 Uhr Wasted Love (JJ), 17.30 Imagine (John Lennon).
Überraschung drei: nahezu autofreie Innenstadt
Beim Umbau des Rathausplatzes wurde die Chance genutzt, unter dem Areal eine veritable Tiefgarage zu etablieren. Insgesamt gibt es rund um die Innenstadt gut 3.000 Tiefgaragenplätze. Auch deshalb kann man in den City-Gassen sehr entspannt flanieren und shoppen.
Überraschung vier: Franz Schubert
Der Franz Schubert. St. Pölten widmet dem Komponisten (1797-1828) gleich ein ganzes Haus. Das hat seinen Grund: Vor gut 200 Jahren wohnte und arbeitete der Liederfürst in St. Pölten. Dort komponierte er seine einzige Oper („Jakob und Estrella“). Er hielt aber auch, gern mit seinem Kumpel Franz von Schober, sogenannte Schubertiaden ab. Fröhliche Liederabende, halbprivate Hauskonzerte, bei denen laut Zeitzeugen Mädels, Alkohol und nachbarliche Beschwerden über Lärmbelästigung eine gewisse Rolle spielten.
Überraschung fünf: der Alumnatsgarten
Leise plätschern Springbrunnen unter üppigen Platanen. Rosen blühen zwischen eisernen Kunstwerken. Der Alumnatsgarten im alten Gerberviertel ist eine 2024 auf der bis dahin verwunschen überwucherten Brachfläche errichtete, beliebte Relax-Oase am Rande der Innenstadt. Hinter einer hohen Mauer tut sich unvermutet dieses grüne Paradies auf. Mit lauschigen Sitzecken unter schattigen Pergolen. Hier hängen die St. Pöltner mit Vorliebe ab. stpoeltentourismus.at/alumnatsgarten
Überraschung sechs: Wochenmarkt
Jeden Donnerstag und Samstag findet man hier alles, was die Region hergibt. Wochenmarkt! Duftendes Brot, leckeren Käse, Pflanzen für den Garten, knackfrisches Gemüse, süffiges Bier aus Kleinbrauereien. Längere Schlangen vor einigen Ständen weisen auf die besonders begehrten Produkte hin.
Zum Ausruhen vom anstrengenden Einkaufen gibt es an jeder Ecke ein Achtel Wachauer Wein plus die obligatorische Wochen-Portion Tratsch. Wenn kein Markt ist, ist es einfach nur der Domplatz.
Überraschung sieben: Archäologie am Domplatz
Unter dem Pflaster entdeckten Archäologen die alte römische Stadt Aelium Cetium, die im 4. Jahrhundert hier stand. Gleich nebenan war bis ins 18. Jahrhundert der größte Friedhof weit und breit. Nach zehn Jahren Buddelei wurde der geschichtsträchtige Domplatz 2023 endlich wieder ein richtiger Platz - und Heimat des beliebten Wochenmarktes. Im romanischen, später barock umgebauten Dom findet sich eine Schädel-Reliquie des Namenspatrons von St. Pölten.
Aber wer war eigentlich der heilige Pölten? Der hieß St. Hippolyt, lebte von ca. 170 bis 230 n.Chr. und galt als der erste Gegenpapst und widerständiger Märtyrer. Im 8. Jahrhundert entstand als Keimzelle der künftigen Stadt St. Pölten das dem heiligen Hippolyt gewidmete Kloster am heutigen Domplatz. Aus „Hippolyt“ wurden im örtlichen Dialekt irgendwann „Pölten“. Damit wäre das mit dem Namen auch geklärt.
Überraschung acht: das Landhausviertel
Zwischen Altstadt und dem Flüsschen Traisen entstand in den 1990er Jahren das architektonisch außergewöhnliche Landhausviertel. Minimalistisch-futuristische Highlights sind das Landesmuseum, das Festspielhaus, der Klangturm und das Landesarchiv. Die Geschichte dazu: Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft - 1986 fanden es die Niederösterreicher an der Zeit, nicht mehr das einzige Bundesland ohne Landeshauptstadt zu sein. Sie entschieden sich für St. Pölten. In Rekordzeit wurde mit dem Landhausviertel die komplette Infrastruktur für eine Landesregierung inklusive Repräsentationsbauten hochgezogen. 1997 siedelten die bis dahin in Wien ansässigen Behörden an den schicken neuen Standort um und St. Pölten wurde offiziell Regierungssitz von Niederösterreich.
Überraschung neun: Entspannung am See
In Fahrraddistanz zur Innenstadt liegen in einem Grüngürtel Viehofner See und Ratzersdorfer See. Ein echtes Freizeitparadies, gut zum Baden, Bötchen fahren oder einfach nur chillen. Das geht besonders gut in der urigen Uferkneipe Seedose. Nichts tun, maximal ein zischiges Bier trinken und den Wingfoilern zuschauen, wie sie über das Wasser brettern. Infos gibt es unter seedose.at
Überraschung zehn: Weinberge
Über kleine Straßen, winzige Sträßchen, knirschige Schotterwege sind wir von St. Pölten rasch in der Wachau. Andreas Ortmann, seit 15 Jahren und in vierter Generation Chef des Winzergutes Ortmann zeigt uns stolz seine Weinberge. 2,4 Hektar entlang von Krems- und Traisental. „Wir bauen hauptsächlich Grünen Veltliner und Muskateller an“, sagt Andreas. „Die gedeihen in der Region einfach am besten.“ Finden offenbar auch die Gäste im lauschigen, gut besuchten Heurigen direkt am Winzergut. Infos unter ortmann.at
Gut zu wissen
Anreise: Mit dem Auto über Dresden, Prag Richtung Budweis, ab Trebon Bundesstraße nach St. Pölten. Mit dem ICE Richtung Wien ab Halle in knapp sechs Stunden ohne Umsteigen nach St. Pölten.
Übernachten: z.B. im Hotel „Das Alfred“, lässiges Stadtrandhotel mit stylisher Dachterrasse, DZ ab ca. 90 Euro. dasalfred.at
Gastronomie: Einkehren kann man etwa im Figl am Hauptplatz im Stadtteil Ratzersdorf. Wirt Matthias Strunz serviert Zitronen-Backhendl, Tatar vom Weiderind oder Eierschwammerl-Gulasch in uriger Atmosphäre. gaststaettefigl.at
Geschichte erleben: Die Ausstellung „Von Steinen und Beinen“ zeigt die größte Knochensammlung der Welt, unter anderem 224 Skelette meist römischen oder keltischen Ursprungs, die bei den Ausgrabungen am Domplatz entdeckt wurden. stadtmuseum-stp.at Im liebevoll wie detailreich eingerichteten Landesmuseum Niederösterreich mit dem Haus der Geschichte und dem Haus für Natur kann man locker einen ganzen Tag zubringen. museumnoe.at
Ausflug: In gut 20 Minuten ist man mit der Bahn in Österreichs Hauptstadt Wien.