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Ärzte des Magdeburger Universitätsklinikums informierten auf dem Medizinischen Sonntag über Rückenschmerzen Versteifung der Bandscheibe muss nicht zu Einschränkungen der Beweglichkeit führen

Von Uwe Seidenfaden 28.11.2011, 05:36

Entstehung und Behandlung schmerzhafter Wirbelsäulenerkrankungen waren Thema des gestrigen Medizinischen Sonntags - einer Gemeinschaftsveranstaltung von Uniklinikum, Urania und Volksstimme.

Magdeburg l Fast jeder Mensch hat hin und wieder einmal Rückenschmerzen. Zu 90 Prozent klingen die Beschwerden schon nach wenigen Tagen oder Wochen von allein wieder ab. In etwa zehn Prozent der Fälle handelt es sich jedoch um Verschleißerkrankungen an der Wirbelsäule, die langfristig zu Schmerzen und anderen Beschwerden führen. Die durch Rückenschmerzen entstehenden jährlichen Krankheitskosten machen etwa ein Prozent des Brutto-sozialproduktes in Deutschland aus, sagte Privatdozent Dr. Jörg Franke von der Orthopädischen Universitätsklinik in Magdeburg.

Bandscheiben sind wie elastische Puffer

Damit auch medizinische Laien die Entstehung von Rückenschmerzen verstehen können, erklärte Professor Martin Skalej vom Institut für Neuroradiologie den Aufbau der Wirbelsäule, die gewissermaßen das Grundgerüst jedes Menschen ist.

Entlang der Wirbelsäule sitzen 23 Bandscheiben, die als elastische Puffer zwischen den Wirbelkörpern sitzen und Stöße bei Bewegungen wie Gehen oder Springen abfangen. Die Bandscheiben bestehen aus einem elastischen Gallertkern, umgeben von einem festen Faserring. Mit zunehmendem Alter nutzen sie sich ab und werden dünner. Bei einigen Menschen verläuft dieser Verschleißprozess schneller als bei anderen. Grund dafür sind zu 60 bis 75 Prozent die individuellen Gene, die jeder Mensch von seinen Eltern mitbekommen hat, informierte Dr. Franke. Unter- oder Überberlastungen sowie einseitige Tätigkeiten können den natürlichen Verschleißprozess weiter beschleunigen.

An den Wirbelkörpern entstehen dann Knochenwülste und der Knorpelring bekommt Risse, die langfristig zu einem Bruch des Knorpelrings führen können. Dann kann der elastische Gallertkern aus der Bandscheibe austreten, die Wirbel können aufeinander reiben und Nervenfasern können eingeklemmt werden. Osteoporose (Knochenschwund), unter der vor allem Frauen nach den Wechseljahren leiden, kann diesen Krankheitsprozess ebenfalls fördern.

Entscheidend für die optimale Behandlung ist eine gründliche Diagnostik, so der Neuroradiologe Prof. Dr. Martin Skalej vom Uniklinikum Magdeburg. Dazu zählen neben dem ärztlichen Gespräch und der manuellen Untersuchung verschiedene bildgebende Verfahren wie das Röntgen, die Computer- und Kernspintomographie sowie Funktionsdiagnostiken wie die Myelographie. Welche Informationen die Ärzte aus den diagnostischen Verfahren ableiten können, erklärte Professor Skalej ausführlich. So lassen sich auf dem Röntgenbildern und CT-Aufnahmen die Knochenstrukturen gut darstellen. Die Kernspintomographie hat den Vorteil, dass darauf auch die Weichteile wie Muskeln und Sehnen gut sichtbar sind. Eine Funktionsdiagnostik kann zudem zeigen, wie sich die Bandscheiben bei Bewegungen verändern.

Stimmen die individuellen Beschwerden des Patienten zu den Bild- und Funktionsdaten, kann die Therapie beginnen.

Wenn möglich, erfolgt die Behandlung mit konservativen Verfahren wie beispielsweise Chirotherapie und Krankengymnastik. Sind die Schäden an der Bandscheibe jedoch schon weit fortgeschritten, sind entzündungs- und schmerzlinderde Injektionen an den Nervenwurzeln oder eine Operation notwendig.

Eine Operation ist insbesondere dann notwendig, wenn neben den Rückenschmerzen auch Taubheitsgefühle in Armen und Beinen oder gar Lähmungen, zum Beispiel der Füße, Zehen bzw. der Harnblasen-Schließmuskulatur, auftreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch die minimalinvasiven Eingriffe eine Querschnittslähmung ausgelöst wird, ist sehr gering, so Dr. Fahlke. Alternative Verfahren zu den chirurgischen Eingriffen wie die Lasertherapie, die Chemonukleose (Einspritzen von Enzymen) oder die Coblation (eine Radio-Frequenz-Chirurgie-Technik) haben sich noch nicht im klinischen Alltag bewährt bzw. werden noch im Rahmen wissenschaftlicher Studien untersucht.

Manchmal setzten die Ärzte an der Stelle der verschlissenen Bandscheibe ein künstliches Bandscheibenimplantat ein. Insbesondere ältere Menschen haben dagegen eher einen Nutzen von sogenannten Versteifungsoperationen, sagt Fahlke. Dabei entfernt der Chirurg die kranke Bandscheibe und fixiert die benachbarten Wirbel mithilfe kleiner Schrauben-Stab-Systeme. Die Wirbel sind dann wieder stabil und die Schmerzen gelindert. Die Beweglichkeit im normalen Alltag ist durch die Versteifungsoperation nicht eingeschränkt, so der Orthopäde.

Die meist minimalinvasiv durchgeführten, chirurgischen Eingriffe sind schonend für Gewebe, Bänder, Muskeln und die angrenzenden, noch gesunden Bandscheiben.

Minimalinvasiver Eingriff schont das Gewebe

Sobald die starken akuten Schmerzen gelindert sind, beginnt ein nicht weniger wichtiger Teil der Therapie, bei der die Mitwirkung des Patienten ganz wichtig ist. Ziel ist es, die Rückenstreck- und Bauchmuskulatur durch Physiotherapie zu kräftigen, um die Wirbelsäule zu entlasten, und eventuell vorhandenes Übergewicht abzubauen. Eine zu schwach ausgebildete Rückenmuskulatur gehört nämlich zu den Mitverursachern von Rückenproblemen.

Der nächste Medizinische Sonntag von Uniklinikum, Urania und Volksstimme findet erst im kommenden Jahr statt. Am 29. Januar 2012 geht es um Augenerkrankungen, die zur Blindheit führen können.

Die beiden gestern gehaltenen Medizinvorträge können Interessierte Leser in den kommenden Tagen nocheinmal im Internet ansehen:

www.med.uni-magdeburg.de/medizinischer_sonntag