Nahrungsergänzungsmittel bringen wenig gesundheitlichen Nutzen Vitaminpillen sind kein Ersatz für Obst und Gemüse
Vitaminpillen und Nahrungsergänzungsmittel sind ein Kassenschlager – fast jeder Dritte nimmt sie ein. In den meisten Fällen ist das völlig unnötig, sagen Ärzte und Ernährungswissenschaftler. Mangelerscheinungen sind selten, und an das gesunde Obst und Gemüse kommen die Pillen und Pulver nicht heran.
Berlin ( dapd ). " Es ist ein Markt, der durch schlechtes Gewissen und unzureichende Information boomt ", sagt Bernhard Watzl vom Bundesforschungsinstitut für Lebensmittel und Ernährung am Max-Rubner-Institut in Karlsruhe. Über 800 Millionen Euro gaben die Deutschen nach Angaben der Verzehrsstudie des Bundesforschungsinstituts aus dem Jahr 2008 für Nahrungsergänzungsmittel aus.
Das Paradoxon : " Die Bevölkerung ernährt sich im Durchschnitt beinahe so vitaminreich, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ( DGE ) empfiehlt ", sagt Watzl. Doch das sei nicht gleichbedeutend mit einer generell guten Ernährungsweise : Die Empfehlungen der DGE – nämlich fünf Portionen Obst ( 400 Gramm ) und Gemüse ( 250 Gramm ) am Tag – beherzigen nicht alle. " Eine entsprechend schlechte Ernährung und ein ungesunder Lebensstil lassen sich aber eben nicht mit Nahrungsergänzungsmitteln kompensieren, auch wenn uns das die Pharmaindustrie oft weismachen will ", betont Watzl.
Vitamin C bereits im Überfluss
Ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Schlaganfall ließen sich durch die Nahrungsergänzungen in der Regel nicht beeinflussen. Man wisse heute, dass die Aufnahme von Mikronährstoffen allein nicht gesund mache. " Entscheidend für eine gute Ernährung ist die Zusammensetzung der gesamten Nahrung und nicht die Menge an einzelnen Vitaminen oder Mineralien ", betont der Karlsruher Ernährungswissenschaftler.
" Wenn man sich vielseitig ernährt, braucht man keine Vitaminpillen ", bestätigt Professor Alfonso Lampen vom Bundesinstitut für Risikobewertung ( BfR ) in Berlin. Gerade der Kauf von Vitamin-C-Präparaten sei rausgeworfenes Geld. Vitamin C sei schon im Überfluss vorhanden, weil es vielen Nahrungsmitteln und Obstsäften zugesetzt werde.
Selbst als Mittel gegen Erkältungen werde Vitamin C überbewertet : Nach der Auswertung von 29 Studien mit mehr als 11 000 Teilnehmern kamen Forscher des internationalen Ärztenetzwerks Cochrane Collaboration zu dem Schluss, dass die vorbeugende Einnahme von Vitamin C keinen Schutz vor Erkältungen biete, sondern lediglich die Dauer der Beschwerden geringfügig verkürze.
Unbestritten ist, dass der Körper zum Überleben Vitamine und bestimmte Mineralstoffe benötigt, beispielsweise für die Immunabwehr oder den Aufbau sowie das Wachstum von Zellen. Weil der Körper Vitamine nicht selbst herstellen kann, muss er sie über Nahrungsmittel aufnehmen.
Von Vorteil sind Zusatzgaben von Jod
Darum kann für Menschen mit einem ungesunden Lebensstil, mit hohem Alkohol- oder Nikotinkonsum eine Vitaminpille besser sein als überhaupt keine Vitamine, sagt Bernhard Uehleke von der Klinik für Naturheilkunde der Charité. Darüber hinaus hätten Schwangere und Stillende, strenge Vegetarier und mitunter Leistungssportler einen erhöhten Bedarf. Ein Bluttest könne klären, ob ein Mangel vorliegt.
Auch das Bundesforschungsinstitut für Ernährung empfiehlt nur in wenigen Fällen den Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln : Beispielsweise könne bei älteren Menschen, die sich in den Wintermonaten eher im Haus aufhalten und kaum Sonnenlicht abbekommen, ein Vitamin-D-Mangel entstehen. Das Vitamin reguliert den Kalziumhaushalt im Körper, im schlechtesten Fall kann ein Mangel nachteilig für den Knochenaufbau sein. Hier sollte der Arzt über eine zusätzliche Gabe entscheiden.
Für schwangere Frauen sei eine ausreichende Versorgung mit Folsäure wichtig, weil sie das Risiko von bestimmten Fehlbildungen beim Baby senkt. Unstrittig sei außerdem der positive Effekt von jodiertem Salz, um einem Jodmangel und einer Störung der Schilddrüsenfunktion entgegenzuwirken.
• Vitamin A : Enthalten in Milch, Eiern, Karotten, Spinat, Leber, Fisch. Es ist beispielsweise wichtig für die Sehfunktion, das Wachstum von Zellen und Geweben. Bei Mangel kann es zu Nachtblindheit und erhöhter Infektanfälligkeit kommen.
• Provitamin A – Beta-Carotin : Gemüse, Obst. Antioxidative Wirkung – Auflösung von freien Radikalen, die Zellen schädigen.
• Vitamin D : Fisch, Ei, Butter. Wichtig für : Kalziumversorgung bei Muskeln und Knochen. Bei Mangel kann es zu Rachitis bei Kindern kommen.
• Vitamin E : Enthalten in Pflanzenölen. Antioxidative Wirkung. Mangelerscheinung : Zystische Fibrose und Herzkrankheiten.
• Vitamin K : Enthalten in grünem Gemüse, Milch. Wichtig für : Blutgerinnung, Thromboseprophylaxe. Bei Mangel kann es zu Blutungen kommen.
• Vitamin C : Enthalten in Gemüse, Obst, Kartoffeln. Antioxidative Wirkung. Mangelerscheinung : Skorbut, Zahnfleischentzündungen.
• Vitamin B 1 : Enthalten in allen Lebensmittel tierischen Ursprungs. Es ist beispielsweise wichtig für Aufbauund Wachstumsprozesse von Nervenzellen und den Stoffwechsel. Bei Mangel kann es zu Störungen der Nervenfunktion kommen.
• Vitamin B 6 : Enthalten in Fleisch, Fisch, Gemüse, Vollkornprodukten. Wichtig für den Eiweißstoffwechsel, Blutbildung, Nervensystem. Bei Mangel kann es zu Dermatitis, Krämpfen und Anämie kommen.
• Vitamin B 12 : In tierischen Nahrungsmitteln, Sauerkraut, Bier. Fördert Wachstum, Konzentration und Gedächtnisleistung. Mangelerscheinungen : Müdigkeit, neurologische Störungen.
• Folsäure : Enthalten in Hefe, Gemüse. Wichtig für die Bildung roter und weißer Blutkörperchen. Beim Mangel in der Schwangerschaft kann es beim Embryo zum Neuralrohrdefekt kommen, einer schweren Fehlbildung am Gehirn oder an der Wirbelsäule.
• Kalzium : Enthalten in Milch. Wichtig für Knochen und Zähne. Mangelerscheinung : Osteoporose, Wirbelbrüche in höherem Alter.
• Eisen : Enthalten in Haferflocken, Fleisch. Wichtig für die Blutbildung. Bei Mangel sind Kopfschmerzen, Schwindel, Blutarmut möglich.
• Jod : Enthalten in Seefisch, jodiertem Speisesalz. Wichtig für die Funktion der Schilddrüse. Mangelerscheinungen : Kropf und Verstopfung.
• Magnesium : Enthalten in Vollkornprodukten, Nüssen, Spinat. Wichtig für die Funktion des Nervensystems. Bei Mangel kann es zu Krämpfen kommen.
• Phosphor : In Fleisch, Fisch, Milchprodukten. Wichtig für Skelett und Zähne. Mangelerscheinung : Verstärkte Neigung zu Karies.
( Quelle : Hans Konrad Biesalski vom Institut der biologischen Chemie und Ernährungswissenschaften an der Universität Hohenheim )