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Wenn Frauen die Brust geben Weltstillwoche: Mütter zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Bestes Fast Food der Welt - das ist Muttermilch für Experten. Auch unter Müttern hat sich das herumgesprochen. Trotzdem stillen viele nicht allzu lang. Warum eigentlich?

Von Gisela Gross, dpa 02.10.2017, 03:29

Berlin (dpa) - Selig nuckelnde Babys. Stolz lächelnde Muttis. Weiches Licht. Selfies stillender Mütter sind inzwischen in den sozialen Medien an der Tagesordnung. Dort scheint es, als sei es für die heutige Generation von Mamas das Normalste der Welt, die Brust zu geben.

Supermodels und Stars haben es vorgemacht, die privaten Momente im Netz zu teilen. Sogar ein eigenes Stichwort ist dafür entstanden: #Brelfie, ein Mix aus Selfie und Breastfeeding, wie Stillen auf Englisch heißt. Aber stimmt der Eindruck aus dem Netz - kommt tatsächlich seltener Milchpulver ins Fläschchen? 

Für Experten klafft zwischen Wunschvorstellung und Praxis beim Stillen eine große Lücke. "Dass Stillen gut für Kinder ist, hat sich herumgesprochen. Viele Frauen fangen mit dem Stillen an", sagt die Stillbeauftragte des Deutschen Hebammenverbandes, Aleyd von Gartzen, vor der Weltstillwoche (2. bis 8. Oktober). Dann kommt das große Aber: Viele Mütter stillten oft nach wenigen Wochen ab, sagt von Gartzen. Studien belegen dies, Erhebungen liegen teils aber längere Zeit zurück.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dagegen empfiehlt, sechs Monate ausschließlich zu stillen und danach bis zu einem Alter von zwei Jahren Stillen und Beikost zu kombinieren. Wenn gewünscht, kann noch länger gestillt werden. Muttermilch gilt heute als optimale Nahrung für Säuglinge und als förderlich für die Bindung von Mutter und Kind. Beide Seiten profitieren gesundheitlich: Beim Baby sinkt etwa das Risiko für Infektionskrankheiten, Allergien und Asthma. Bei Müttern kann Stillen das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs reduzieren.

Als Grund für frühes Abstillen vermutet von Gartzen unrealistische Vorstellungen vom Leben mit Baby und ein Gefühl der Überforderung vom Stillen in der ersten anstrengenden Zeit. Aber es mangele auch an Wissen zur Praxis des Stillens, bei den Frauen und in deren Umfeld.

Die Weichen für erfolgreiches Stillen werden bereits im Krankenhaus nach der Geburt gestellt. Dort fehle aber zunehmend die richtige Betreuung, sagt von Gartzen, die auch Mitglied der Nationalen Stillkommission (NKS) ist, ein Gremium zur Förderung des Stillens. Werde das Kind falsch angelegt, hätten die Mütter oft schon nach zwei oder drei Tagen derartige Schmerzen durch lädierte Brustwarzen, dass sie sich von guten Vorsätzen verabschiedeten. Und das, bevor der Milchfluss überhaupt richtig in Gang gekommen sei.

Von Gartzen sieht eine große Verunsicherung: Frauen werde mit der Vielzahl von Vorsorgeuntersuchungen und Kontrollen bereits in der Schwangerschaft das Gefühl vermittelt, dass die Abläufe nicht von alleine funktionieren. Der Glauben an sich selbst - und damit auch an das intuitiv richtige Verhalten des Babys - werde jungen Müttern genommen. Die Flasche zu geben und zum Beispiel genau zu wissen, wie viel das Kind getrunken hat, suggeriert am Ende mehr Kontrolle.

Doch auch an den Mitmenschen dürfte das Stillen in der Praxis teils scheitern. Laut einer kürzlich erschienenen Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind explizit negative Reaktionen auf öffentliches Stillen zwar eher selten. Allerdings stand jeder vierte Befragte dem Stillen im öffentlichen Raum zwiespältig oder ablehnend gegenüber. Für jede Zehnte der befragten Mütter, die bereits abgestillt hatten, sei die ablehnende Haltung in der Öffentlichkeit ein Grund für das Abstillen gewesen, hieß es.

Gerade in Restaurants und Cafés kann Stillen als unangebracht empfunden werden, wie vor gut einem Jahr auch ein Fall aus Berlin zeigte. Eine junge Mutter geriet mit einem Café-Besitzer aneinander und startete daraufhin eine Petition für einen gesetzlichen Schutz des Stillens in der Öffentlichkeit. Das Thema wurde zwar breit diskutiert, ihre Forderung blieb am Ende aber folgenlos.

Die Nationale Stillkommission, die ihren Sitz am BfR hat, will Frauen darin bestärken, in der Öffentlichkeit zu stillen. In einer Stellungnahme spricht sie sich für einen klaren Appell an die Bevölkerung und an Mütter aus: Stillen sei gesund, könne nicht warten - egal unter welchen Umständen.

Fotos von stillenden Promis sind womöglich ein Schritt in die richtige Richtung. Sie könnten eine breite Vorbildfunktion haben, glaubt Expertin Aleyd von Gartzen. Ob Mütter heute mehr und über einen längeren Zeitraum stillen als noch vor 20 Jahren - und aus welchen Gründen -, das wollen Forscher nun in Erfahrung bringen. Befragt werden sollen in einer Studie im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) Mütter, aber auch Hebammen, Ärzte und Pflegepersonal. Ergebnisse werden 2020 erwartet.

Instagram-Suche nach #Brelfies

WHO über Stillen (Englisch)

Stellungnahme der NKS (mit Umfrage)