Professor Wulf Pohle aus Magdeburg hat durch seine Kenntnisse vielen Menschen das Leben gerettet "Wenn Symptome auftreten, sofort zum Arzt gehen!"
Magdeburg (rgm) l Er ist ein bekannter Toxikologe und Pharmakologe, engagiert sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich in der Pilzberatung und hat dadurch schon vielen Menschen das Leben retten können - Professor Wulf Pohle aus Magdeburg. Im September 2010 stand Pohle beispielsweise Ärzten zur Seite, als eine pilzvergiftete Familie ins Krankenhaus eingeliefert wurde (Volksstimme berichtete). Den Wettlauf gegen die Zeit haben die Ärzte und Pohle seinerzeit gewonnen. Die Familie wurde gerettet. Die Volksstimme sprach mit Professor Wulf Pohle.
Volksstimme: Wie viele Pilzvergiftungen gibt es pro Jahr in Deutschland?
Wulf Pohle: Das sind rund 200 bis 300 Fälle, je nachdem wie gut die Pilzsaison ist. Im Jahr 2010 gab es inSachsen-Anhalt 24 Pilzvergiftungen, davon allein sieben durch den Grünen Knollenblätterpilz.Durchschnittlich vergiften sich 15 bis 20 Personen in unserem Bundesland durch giftige Waldpilze.
Volksstimme: Professor Pohle, woran erkennt man eine Pilzvergiftung?
Pohle: Eine einzige Pilzvergiftung gibt es nicht, sondern elf verschiedene, die sich unterschiedlich äußern und durch unterschiedliche Pilze hervorgerufen werden. Die schlimmste Vergiftung ist die durch den Grünen Knollenblätterpilz (siehe den Beitrag oben). 2010 hatten wir in Sachsen-Anhalt sieben dieser Vergiftungen - alle Betroffenen konnten gerettet werden.
"Rund 15 bis 20 Sachsen-Anhalter vergiften sich jährlich."
Volksstimme: Was sind weitere sehr schlimme Vergiftungen?
Pohle: Auf Platz 2 folgt das Gyromitra-Syndrom. Aus der Gattung der Lorchel (Gyromitra sp.) sind drei giftige Lorcheln bekannt, die das Gyromitra-Syndrom verursachen - beispielsweise die Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta). Der ebenfalls zu den Schlauchpilzen gehörende Kronenbecherling enthält ebenfalls das hochgiftige Gyrometrin. Die Frühjahrslorchel wird oft mit essbaren Morcheln verwechselt. Auch dieses Syndrom zerstört die Leber. Und den 3. Platz bei den häufigsten Pilzvergiftungen in unseren Breiten ist das Orellanus-Syndrom, das zur Nierenzerstörung führt.
Volksstimme: Wie äußern sich die Beschwerden beim Gyromitra-Syndrom?
Pohle: Die Symptome sind sehr ähnlich wie bei einer Vergiftung durch den Grünen Knollenblätterpilz, auch wenn das Gift ein anderes ist. Die Symptome treten in zwei Phasen auf. Zuerst treten plötzlich Blähungen, Übelkeit, Erbrechen und Bauchkrämpfe auf, die zwei Tage anhalten. In schweren Fällen kann es zu Flüssigkeits- und Salzverlust mit Schwäche kommen, der Blutdruck fällt ab. In der zweiten Phase kommt es zu druckhaften Schmerzen in der Lebergegend und zum Zerfall der Leber.
"Wirkungsvolle Medikamente gibt es bis heute nicht."
Volksstimme: Wann soll man einen Arzt aufsuchen?
Pohle: Bei allen Symptomen sollte man sofort einen Arzt aufsuchen. Und zu ihm sollte auch unbedingt ein Pilz von denen mitgenommen werden, die der Betroffene gegessen hat. Viele Ärzte kennen die Pilze, können dann gezielter Hilfe leisten. Oft werden auch Pilzsachverständige hinzugezogen, die mit ihrem Wissen, die Ärzte unterstützen können. So war das auch vor zwei Jahren, als wir eine Familie, die Grüne Knollenblätterpilze gegessen hatte, gemeinsam haben retten können. Aber natürlich ist es besser, wenn es erst gar nicht zu einer Vergiftung kommt. Deshalb rate ich eindringlich dazu, von Pilzen, die man nicht kennt, unbedingt die Finger zu lassen beziehungsweise sich bei Pilzsachverständigen Rat zu suchen.
Volksstimme: Gibt es heute wirkungsvollere Medikamente, um die Gefahren für die Gesundheit nach einer Vergiftung abzuwenden?
Pohle: Die gibt es nicht. Heute sind die Menschen aber viel besser informiert als noch vor Jahren. Sie wissen oft um die Gefahren, die kennen oft giftige Pilze und kennen die Gefahren, die von ihnen ausgehen und lassen sie im Wald stehen.