1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Regionalzeitung erstattet Anzeige gegen Leser

Hass-Kommentar Regionalzeitung erstattet Anzeige gegen Leser

Wo liegt die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Hass-Kommentar? Die Nordwest-Zeitung zeigt einen Leser an.

Von Peter Wendt 18.09.2017, 12:28

Der Vorgang ist schon denkwürdig: Eine Regionalzeitung zeigt einen ihrer Leser beziehungsweise Nutzer an, der dann verurteilt wird. So geschehen in Oldenburg (Niedersachsen) durch die Nordwest-Zeitung (NWZ). Unter der Überschrift „Deshalb haben wir Anzeige erstattet“ begründete Chefredakteur Lars Reckermann den außergewöhnlichen Schritt. „Wir haben einen Mann angezeigt“, schrieb er, „der öffentlich auf unserer Facebookseite einem Kind den Tod gewünscht hat.“

Wie war es dazu gekommen? Die NWZ hatte berichtet, dass in Mülheim an der Ruhr ein Mann ein schwarzes Kind aufgefangen hat, das aus einem Fenster gestürzt war, und so dem Vierjährigen das Leben rettete. Daraufhin postete jener Leser/Nutzer auf den NWZ-Facebookseiten einen Hass-Kommentar der übelsten Sorte. Zum Verständnis, warum er in dem Fall die Justiz bemühte, gab der Chefredakteur „Einblicke in die Wortwahl der von uns angezeigten Person“. Es sind widerliche Ausfälle, die hier wiederzugeben ich mich scheue. Welchen Kalibers die Hasstirade des Facebook-Kommentators war, wird deutlich, wenn Reckermann an seine Leser gewandt als Haltung der Redaktion betont: „Sie sollen wissen, dass wir nicht einfach daneben stehen, wenn Menschen andere Menschen als Müll beschimpfen, wenn Menschen öffentlich der Tod gewünscht wird, weil sie eine andere Hautfarbe haben.“ Dieser Hass habe „eine Dimension erreicht, die mit Meinungsfreiheit rein gar nichts mehr zu tun hat“, so der Chefredakteur.

Die NWZ hatte den Hass-Kommentar selbstverständlich sofort gelöscht und auch dafür Sorge getragen, dass die Person auf ihren Seiten künftig nicht mehr kommentieren kann.

Zu „Nutzerbeiträgen“ heißt es übrigens im Pressekodex: „Die Presse trägt Verantwortung für ihre Angebote, auch für die von Nutzern beigesteuerten Inhalte (User-Generated Content). Von Nutzern zugelieferte Beiträge müssen als solche klar erkennbar sein. Die Redaktion stellt die Einhaltung der publizistischen Grundsätze sicher, wenn sie Verstöße durch Nutzerbeiträge selbst erkennt oder darauf hingewiesen wird.“