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Krankenkasse Kein Geld für die Fahrt zum Arzt?

Krankenkassen übernehmen Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung nur in Ausnahmen. Ein Fall für den Leser-Obmann aus dem Jerichower Land.

Von Gudrun Oelze 08.02.2019, 16:23

Genthin l Den Leser-Obmann erreichte der Hilferuf einer Leserin aus dem Jerichower Land, die wegen ihrer Schulden bei einem Taxi-Unternehmen nicht mehr ein noch aus wusste.

Die Frau hatte sich nicht etwa zu ihrem Vergnügen in der Gegend herumfahren lassen, sondern als chronisch Kranke und Behinderte auf ärztliche Verordnung zu behandelnden Fachärzten. Jahrelang hatte die Krankenkasse die Kosten für solche Fahrten übernommen – doch nicht mehr, seit es die neuen Pflegegrade gibt, schrieb die Genthinerin dem Leser-Obmann.

Für die beim Taxi-Unternehmen aufgelaufenen Verbindlichkeiten – summiert schon beinahe 400 Euro – solle sie sich das Geld doch borgen, habe man ihr bei der Krankenkasse geraten. Aber von ihrer kleinen Rente könne sie das ja nie zurückzahlen, zumal inzwischen Fahrten zur Bestrahlung ihrer Krebserkrankung hinzukämen. Weitere notwendige ambulante Arzttermine könne sie nicht mehr wahrnehmen, weil sie nicht wisse, wie die Fahrten dorthin bezahlt werden, teilte die verzweifelte Frau mit.

Gibt es für derart vielfach und schwer Kranke, die selbst nicht für ihre Fahrten zum Arzt aufkommen können, keine Sonder- oder Ausnahmeregelungen, fragten wir daraufhin den Sprecher der Barmer Landesvertretung Sachsen-Anhalt. „Grundsätzlich sind Fahrtkosten zur ambulanten ärztlichen Behandlung seit 2004 keine Kassenleistung mehr“, erklärte Christopher Kissmann. Nur nach vorheriger Genehmigung und in bestimmten Ausnahmefällen könne eine Kostenübernahme erfolgen.

Das treffe zum Beispiel zu bei Patienten mit einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung und Pflegegrad 3 oder bei Behinderten mit den Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“. Diese Ausnahmeregelung gelte auch für Versicherte, die wegen einer Grunderkrankung nach einem vorgegebenen Therapieschema drei Monate lang mindestens einmal wöchentlich behandelt werden müssen. „Das ist zum Beispiel bei einer Dialysebehandlung, onkologischen Strahlentherapie oder onkologischen Chemotherapie der Fall“, so der Barmer-Sprecher.

Im Allgemeinen werde dann von einer Serienbehandlung gesprochen, was aber keiner Dauergenehmigung für jede Fahrt zu jeder anderen ambulanten Behandlung gleichzusetzen sei.

Im Fall unserer Leserin aus dem Jerichower Land schien sie die (oben beschriebenen) allgemeinen Voraussetzungen nicht zu erfüllen, hatte sie doch „nur“ den Pflegegrad 2 und auch nicht die erforderlichen Merkzeichen im Behindertenausweis. Ihr Antrag auf Kostenübernahme für die Fahrten zum Arzt wurde daher abgelehnt. Dagegen legte die Versicherte Widerspruch ein.

Bei der Krankenkasse wurde die Angelegenheit dem Widerspruchsausschuss übergeben. Dieses Gremium aus Versichertenvertretern hat als höchste außergerichtliche Instanz zur Beurteilung strittiger Sachverhalte den Vorgang noch einmal umfangreich geprüft und festgestellt, dass auf den Verordnungen unserer Leserin nicht sofort ersichtlich war, dass die Versicherte unter anderem an einem metastasierenden Tumorleiden erkrankt ist. „Dies ist dem Widerspruchsausschuss in einer Gesamtbetrachtung aufgefallen und anschließend korrigiert worden“, berichtet der Barmer-Sprecher. Die Krankenkasse habe daraufhin die offenen Fahrkosten für 2018 im Dezember beglichen. „Dass dem Widerspruch von Frau Neugebauer stattgegeben wurde, zeigt, dass die Selbstverwaltung der Krankenkasse ein bewährtes Prinzip ist“, stellt Kissmann fest.