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"The Handmaid's Tale" Promi-Geburtstag vom 18. November: Margaret Atwood

Kaum einer Schriftstellerin der Gegenwart wird so viel Weitsicht zugesprochen wie Margaret Atwood. Ihr düsteres Meisterwerk erinnert manch einen an das Amerika unter Donald Trump - und wird zum Symbol des Widerstands.

Von Benno Schwinghammer, dpa 17.11.2019, 23:01

Toronto (dpa) - Es war vor zwei Jahren, als Frauen weltweit Margaret Atwoods düstere Dystopie "The Handmaid's Tale" ("Der Report der Magd") Realität werden ließen. Nicht nur vor dem US-Kapitol zogen Demonstrantinnen mit rotem Umhang und weißer Haube auf, um gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetze in den USA zu demonstrieren. Ihr Outfit glich dem der entrechteten Gebärmaschinen einer fundamentalchristlichen Diktatur aus Atwoods Buch.

Die Politik der Gegenwart und eine gefeierte Serien-Adaption machten Atwoods mehr als 30 Jahre altes Werk bekannter und aktueller denn je. Angesprochen auf die Parallelen sagte Atwood im September der "New York Times": "Rechtsextremisten existieren und sie kommen heraus, wenn die Bedingungen günstig sind. Wie in den Vereinigten Staaten gerade." Dass nun Demonstrantinnen die von ihr erdachte Kleidung für den Protest nutzen, nannte sie "eine brillante Taktik". Am 18. November wird die kanadische Schriftstellerin 80 Jahre alt.

Vor zwei Jahren, im Oktober 2017, wurde sie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Geehrt wurde sie für "Humanität, Gerechtigkeitsstreben und Toleranz" in ihrem umfangreichen Schaffen. Nicht nur wegen ihres beeindruckenden Lebenswerks hört man Atwood zu, wenn sie - wie damals auf der Frankfurter Buchmesse - die heutige Zeit mit der vor dem Zweiten Weltkrieg vergleicht. "Das erinnert an die 1930er Jahre", sagte sie da. Wie damals gebe es starke totalitäre Tendenzen - mit dem Unterschied, dass sie diesmal vor allem auch in den USA zu beobachten seien.

Für literarisches Aufsehen sorgt Atwood, die 1939 in Ottawa geboren wurde, schon seit langem. Seit den 60er-Jahren schrieb die zierliche, doch umso energischere Frau mit den krausen Locken ein gewaltiges Werk von mehr als 50 Büchern zusammen. Neben Romanen gehören dazu Kurzgeschichten, Essays, Theaterstücke, Drehbücher, Hörspiele, Opern-Libretti, Kinderbücher und sogar Comics. Keine Gattung ist der Autorin fremd. Daher wurde sie auch immer wieder für den Literaturnobelpreis gehandelt, der ihr bis heute aber verwehrt blieb.

Ihre Leidenschaft für das Schreiben begründete Atwood mit ihrer Kindheit in Kanadas Wäldern. In ihren ersten Lebensjahren hätten weder Spielgefährten noch das Fernsehen ihr die Zeit vertrieben. So habe sie gelesen und schon mit sechs Jahren begonnen, selbst Gedichte und Prosa zu schreiben. Noch heute sei sie "süchtig" nach Büchern.

In ihren ersten beiden Romanen - "The Edible Woman" (1969; dt. 1985 "Die essbare Frau") und "Surfacing" (1972; dt. 1979 "Der lange Traum") - setzt sich Atwood mit dem Rollenbild der Frau auseinander. In ihrem Zukunftsroman "Oryx und Crake" (2003) lässt Atwood ein jähes Ende der Menschheit durch die Biotechnologie herbeiführen. Sie nutzt das Szenario, um Fragen zur Umweltpolitik, Biotechnologie und den menschlichen Werten aufzuwerfen. Für den Gesellschaftsroman "Der blinde Mörder" (2000) gewann sie im Jahr 2000 den Booker-Preis, die höchste Ehre für englischsprachige Literatur.

Den internationalen Durchbruch schaffte die aktive Umweltschützerin aber 1985 mit dem "Report der Magd" über die Theokratie in "Gilead", das auf dem Boden der einstigen Vereinigten Staaten von Amerika errichtet wurde. Die Verkaufszahlen des Romans schnellten nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wieder in die Höhe. Erst vor zwei Monaten erschien mit "The Testaments" (deutsch: "Die Zeuginnen") Atwoods zweites Buch aus der Welt des Gottesstaates, für das sie erneut mit dem britischen Booker-Literaturpreis ausgezeichnet wurde.

Das Werk wurde mit großem Pomp veröffentlicht, was Atwood so erklärte: "Es ist so, dass nicht mehr viel Zeit bleibt. Und deshalb machen sie so viel Werbung für dieses Buch. Ich weiß, was sie denken. Sie denken: Was ist, wenn sie stirbt?". Nur wenige Tage, nachdem die Schriftstellerin diese Worte im September zur "New York Times" gesagt hatte, starb ihr Partner, Autor Graeme Gibson, im Alter von 85 Jahren. Und auch Atwood scheint zu spüren, dass ihre einst unbändige Energie zur Neige geht. Auf die Frage, ob sie noch ein drittes Buch aus "Gilead" schreiben wolle, antwortete sie schlicht: "Nein, ich bin zu alt."

Nachricht vom Tod Graeme Gibsons

Interview mit der NYT

Protest vor dem Kapitol

Atwood in der Encyclopaedia Britannica

"Die Zeuginnen"