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Sommerserie Bauer: Zwischen Wetter und Erntemaschinen

Die Berufswelt ist vielfältig. Was verbirgt sich hinter welcher Tätigkeit? Volksstimme-Redakteure schnuppern in der Sommerserie „Einen Tag als ...“ in so manch interessanten Beruf hinein und geben Ihnen, liebe Leser, einen besonderen Einblick. Heute Julien Kadenbach als Landwirt in Bördeland.

Von Julien Kadenbach Aktualisiert: 30.08.2023, 16:02
Auf dem Führerstand des Mähdreschers: Julien Kadenbach (rechts) hat neben Alexander Stahlmann Platz genommen. Runde um Runde frisst sich die Maschine durch das Feld.
Auf dem Führerstand des Mähdreschers: Julien Kadenbach (rechts) hat neben Alexander Stahlmann Platz genommen. Runde um Runde frisst sich die Maschine durch das Feld. Julien Kadenbach

Biere - Die Felder rund um Biere sind heute Schauplatz eines wichtigen Ereignisses: Der Weizenernte. Es ist früh am Morgen, als sich die ersten Landwirte auf den Weg machen, um die Arbeiten für den heutigen Tag vorzubereiten. Es soll der letzte Erntetag nach einer nervenaufreibenden Zeit werden. Immer während der Einfuhr hatten erhebliche Regenfälle den Mähdrusch unterbrochen. Um den kostbaren Weizen einzufahren, braucht es neben Fachwissen und technischer Ausstattung vor allem eines: Passendes Erntewetter. Der Tag beginnt zwar um 7 Uhr, doch die Sonne hat sich heute Zeit gelassen.

Für die Ernte ist die Trockenheit des Korns von essenzieller Bedeutung. Die Sonne muss die Körner trocknen, bevor sie eingefahren werden können. Bei zu hohen Feuchtigkeitsgehalten würde das Getreide nicht lagerfähig sein. Schließlich beeinflusst die Feuchtigkeit den Ertrag und die Qualität der geernteten Körner. Doch bevor die Ernte beginnen kann, liegt eine Vielzahl von Aufgaben vor den Landwirten.

Bevor es aufs Feld geht, müssen die Betriebsmittel kontrolliert werden. Eine Havarie auf dem Acker mitten in der Erntezeit kann Ausfälle bedeuten.
Bevor es aufs Feld geht, müssen die Betriebsmittel kontrolliert werden. Eine Havarie auf dem Acker mitten in der Erntezeit kann Ausfälle bedeuten.
Fotos: Julien Kadenbach, Dieter Vorwig

Wartung der Maschinen: Ein notwendiger Schritt

Bevor es auf die Felder geht, ist eine gründliche Wartung der Erntemaschinen erforderlich. Einer mächtigen Kolosse des Typs Claas ist von einem dicken Staubschleier bedeckt.

Ich steige in einen blauen Overall und Landwirt Claus-Dieter Vorwig erklärt mir, welche Arbeiten zuerst anstehen. Kühler, Filter und Motor müssen regelmäßig mit Druckluft entstaubt werden, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. Tägliche Überprüfungen von Ölständen, Keilriemen- und Kettenantrieben gehören ebenso dazu wie das Tanken. Über 600 Liter Diesel fasst der Kraftstofftank. Damit kann der Drescher 15 Stunden am Stück arbeiten. Und genauso lange, sagt Vorwig, ist auch der Arbeitstag in der Vergangenheit immer während der Erntezeit gewesen. Neuerdings stehen Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetz dem entgegen. Das bedeutet heute: Nach zehn Stunden ist Schluss.

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Das große Unverständnis über diese praxisuntaugliche Regel ist ihm anzumerken. Ich bin fest überzeugt: Würde jeder Landwirt diese Gesetze zu einhundert Prozent einhalten, dann wäre die Ernte vielerorts in diesem Jahr nicht eingebracht worden. An die Politik gerichtet, so sind sich die Landwirte alle einig: Hier besteht dringend Handlungsbedarf.

Die reguläre Frühschicht im Zweischichtbetrieb dauert bis 15 Uhr. Danach übernehmen die Kollegen der Spätschicht von 15 bis 23 Uhr. An manchen Tagen beginnen sie später und arbeiten bis in die Nacht hinein, um die Ernte optimal einzubringen.

Dreck und Staub werden einfach weggepustet.
Dreck und Staub werden einfach weggepustet.
Julien Kadenbach

Diesjährige Erntesaison begann Ende Juni

Am 26. Juni hat die Erntesaison begonnen. Zuerst war die Gerste reif, danach der im Frühjahr so schön erblühte Raps, gefolgt vom Weizen. In anderen Betrieben läuft parallel dazu die Kartoffelernte an. Vorwig baut nicht selbst Kartoffeln an, trotzdem stehen Kartoffeln auf seinen Äckern. Mit anderen Landwirtschaftsbetrieben werden Flächen für ein Jahr getauscht und so wird die Fruchtfolge um die Kartoffel erweitert.

Das ist der Blick aus dem Mähdrescher in Fahrtrichtung. Man sitzt ziemlich hoch über dem Boden.
Das ist der Blick aus dem Mähdrescher in Fahrtrichtung. Man sitzt ziemlich hoch über dem Boden.
Julien Kadenbach

Auf dem Weg nach Barby, wo heute der letzte Weizen geerntet werden soll, erklärt Vorwig, dass jedes Jahr auf einem Feld eine andere Kultur angebaut wird. „Das hilft, den Boden gesund zu halten, Nährstoffe aufzufüllen und Schädlingen und Krankheiten vorzubeugen.“ Der eigentliche Ernteakt beginnt. Die Erntemaschinen arbeiten unter der Sonne, um den Weizen zu dreschen. Das Getreide wird vom Stroh getrennt und im Erntetank gesammelt. Das Stroh wird von der Maschine auf dem Feld im Schwad abgelegt und später gepresst. Der Korntank wird über ein Rohr auf den Anhänger entleert, der die Ernte zum Getreidehandel nach Welsleben bringt. Dort wird gewogen und es erfolgt die Analyse, wodurch die Qualität bestimmt wird. Davon hängen wiederum Preisauf- und abschläge ab. Und schnell wird auch mir klar, wie kompliziert die Preisfindung ist. Von der Börse wird er täglich abgeleitet und alle weltweiten Geschehen haben direkten Einfluss auf den Verkaufspreis.

Die Aufsätze des Mähdreschers sind vielfältig. Und sie sind scharf und gefährlich, wie unlängst ein Unfall in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt hat.
Die Aufsätze des Mähdreschers sind vielfältig. Und sie sind scharf und gefährlich, wie unlängst ein Unfall in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt hat.
Julien Kadenbach

Qualität als wichtiger Faktor

Die Qualität des geernteten Weizens ist von großer Bedeutung. Sie wird anhand von Faktoren wie Fallzahl, Proteingehalt, Sedimentationswert und Hektolitergewicht bestimmt, erfahre ich bei einem Einblick in den örtlichen Getreidehandel. Messgeräte stehen dicht an dicht und das Erntegut wird bereits über ein Rohr vom Hänger entnommen. Dann fließt es direkt in eine Maschine, die im Verkaufsbüro steht. Das Büro verlassen muss hier somit niemand mehr.

Ein typisches Erntebild im Spätsommer: Das Korn steht hoch und hat die nötige Reife. Im Hintergrund fährt der Mähdrescher durch das Feld. Jetzt haben die Landwirte Hochsaison.
Ein typisches Erntebild im Spätsommer: Das Korn steht hoch und hat die nötige Reife. Im Hintergrund fährt der Mähdrescher durch das Feld. Jetzt haben die Landwirte Hochsaison.
Julien Kadenbach

Ich frage den Landwirt, wie sich die kräftigen Regenfälle, auf die Ernte auswirken. „In dieser Ernte haben die Regenfälle die Qualität der Ernte stark beeinträchtigt. So sinkt die Fallzahl mit jedem Regenschauer auf den schon erntereifen Weizen“, berichtet Vorwig. Ein anderes Problem dagegen ist hausgemacht. Die Proteinwerte sind zu schwach, um die höchste Qualität, den E-Weizen, zu erreichen. Um Protein zu bilden, ist Stickstoff erforderlich. Die Ausbringung ist sicher aus gutem Grund durch Düngegesetze stark reduziert worden.

Aufgrund des Regens im Frühjahr erreicht der Weizen etwas höhere Erträge als in den Vorjahren, die zulässige Düngung mit Stickstoff richtet sich aber ausschließlich nach den schwachen Erträgen aus den sehr trockenen Vorjahren. Ergebnis: Die Pflanze kann nicht genügend Eiweiß bilden. „Dieser Qualitätsverlust ist in diesem Jahr wirtschaftlich katastrophal. Bis rund 500 Euro beträgt der wirtschaftliche Nachteil je Hektar allein auf Grund des zu geringen Proteingehaltes“, erzählt der Bierer Landwirt.

Düngemethoden tragen zur Ertragssteigerung bei, indem sie den Pflanzen die benötigten Nährstoffe liefern und die Bodenfruchtbarkeit optimieren.

Landwirtschaft ist ein Zusammenspiel

Am späten Nachmittag kehren die Landwirte nach Biere zurück. Die Ernte ist für dieses Jahr geschafft. Die Herausforderungen sind vielfältig, aber die Gemeinschaft unter den Landwirten ist stark. Nach einem Tag voller Arbeit und Mühe endet der Tag mit einem gemeinsamen Grillen, bei dem Erfahrungen ausgetauscht und Erfolge gefeiert werden.

Die Landwirtschaft ist ein Zusammenspiel vieler Schritte: Von der Bodenbearbeitung über die Saat bis zur Ernte. Wetter, Bodenqualität und innovative Praktiken beeinflussen den Ertrag. In den letzten Jahren sind in Biere die Ernteerträge wegen der viel zu trockenen Jahre abgefallen. In diesem liegen sie etwas höher – dank mehr Regen im Frühjahr. Dagegen haben die Niederschläge in der Erntezeit Nerven bei den Bauern gekostet.

Dank moderner Technologien und nachhaltiger Methoden könnten Erträge gesteigert oder abgesichert werden, aber ohne Regen zur richtigen Zeit geht es nicht. Die Düngung spielt eine Schlüsselrolle, um den Boden mit den notwendigen Nährstoffen zu versorgen und somit die Ertragsfähigkeit zu erhalten.