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Francisceum Ein Staat namens Schule

Zum zweiten Mal wurde das Francisceum zum Staat. Mit einem umfassenden Ministerialstab.

12.07.2015, 13:17

Zerbst l Fünf Franci-Taler bekommt man für einen Euro. Überall an der Schule gibt es Wechselstuben, an denen Euro in die heimische Währung eingetauscht werden können. Denn das Francisceum ist am Ausklang der Projektwoche zu einem Staat geworden. Geleitet wird er von den Ministern des Wirtschaftskurses der elften Klassen. Die haben auch den Kanzler bestimmt. Schon seit einem Jahr steht fest: Paul Kretschmer.

Der Kanzler findet während seiner Amtszeit Zeit, der Volksstimme einige Fragen zu beantworten. „Unsere Schule ist von Traditionen geprägt, die von Schülern zu Schülern weitergegeben werden“, erklärt er. „Aber Traditionen muss man auch mal gründen“, sagt der Elftklässler über das Projekt „Schule als Staat.“ Das sei im vergangenen Jahr geschehen, und für einen Tag wird 2014 das Francisceum zu einem Staat, anstelle des üblichen Sportfestes für alle Klassen. „Die Schüler haben mit den Sozialkunde- und Wirtschaftslehrern das Konzept entwickelt, wie unsere Schule zum Staat wird. Mit eigener Währung, eigener Verfassung, eigener Regierung.“ Das sei ein großer Erfolg gewesen, sowie eine gute Einnahmequelle. „So haben wir als Wirtschaftskurs gedacht, dass wir das weiterführen möchten. Und haben die wichtigsten Ämter besetzt.“

Die übrigen Schüler der elften Klassen werden in der Verwaltung eingesetzt. „Also in den Wechselstuben, dann bei der Feuerwehr und der Polizei beispielsweise.“ Diese haben auch wichtige Funktionen. Es gebe beispielsweise deswegen viel Polizei, weil einige Stationen außerhalb des Schulgeländes liegen. „Die Polizisten geleiten die jüngeren Schüler zum Anger, sorgen aber auch für Ordnung.“ Ein Gericht gibt es auch.

Die Richterin ist Laura Strohschneider. „Eigentlich bin ich schon in der 12. Klasse“, sagt sie. Aber weil sie schon im vergangenen Jahr den Vorsitz hatte und „ich auch regelmäßig beim Landgericht in Dessau zusehe, helfe ich hier aus“, erklärt sie.

Ihr zur Seite stehen zwei Schöffen, Karl Pietrek erhebt als Staatsanwalt die Anklage, der Verteidiger Johannes Zander ringt um ein mildes Strafmaß oder Freispruch. Wer zu Gericht muss, bekommt bei den Gerichtsdienern Steve Kirchner und Leon Klitsch einen Termin. Es sei gerade Mittagspause, erzählt Laura Strohschneider, erst danach kommen die nächsten Delinquenten.

„Wir entscheiden auf Grund unserer Verfassung und der Hausordnung“, sagt die Richterin. Als Strafen verhängt sie Arbeitseinsätze. Zwischen 30 Minuten und zwei Stunden seien heute die Strafen verhängt worden, berichtet sie. Die Vergehen lagen von unerlaubtem Handygebrauch bis zum Diebstahl eines Lutschers. Nichts ist fingiert. „Die Taten wurden so begangen“, sagt die Abiturientin. Natürlich wird vorher das Prozedere kurz besprochen. „Denn auch im echten Leben gibt es ja Akteneinsicht für die Anwälte.“ Wer eine Strafe bekommt, muss sich beim Hausmeister melden. Der vergibt die Aufgaben und wacht über die Einhaltung des Strafmaßes. „Wenn sie es morgen nicht alle schaffen, werden sie es im nächsten Schuljahr nachholen“, sagt die Richterin. Sollte jemand nicht püntklich zum Termin erscheinen, wird die Polizei nach ihnen gesandt. Zwei Polizistinnen sind Luzie Neumann und Joana Sadurski. Die beiden Zehntklässlerinnen gefällt ihre Rolle. „Wir sind der Geldtransport“, sagt Joana und zeigt einen Beutel. Darin befinden sich Franci-Taler, die gedruckte und abgestempelte Währung des Franci-Staates.

„Könnt ihr uns mal verhaften?“, will eine jüngere Schülerin wissen. „Wir wollen mal wissen, wie das ist.“ - „Klar“, sagt Luzie. „Aber dann müsst ihr auch zum Gericht und dann müsst ihr Arbeitsstunden leisten. Seid ihr euch sicher?“ Die drei Mädchen wollen dann doch nicht und ziehen kichernd von dannen. Auch die Polizistinnen müssen weiter, das Steuergeld abgeben.

„Steuern nehmen wir auch ein“, erklärt der Kanzler. Auf die Frage, wie viel das denn sei , sagt er: „Das weiß ich gar nicht genau. Da muss ich mal meinen Wirtschaftsminister fragen.“

Ganz genau wissen das die Schüler der anderen Klassen. Die haben nämlich überall auf dem Hof Stände aufgebaut und betreiben ein kleines Geschäft. „Zehn Prozent“, sagt Carolin van Ginkel zähneknirschend. Sie und ihre Mitschüler aus der 6/2 haben sich einen Handwerksbetrieb ausgedacht. In der Projektwoche vor dem Staatstag haben sie Platten mit Mosaiksteinen beklebt. Carolien winkt geschäftstüchtig Passanten heran, lobt und preist die Stücke und vergisst nicht zu erwähnen, wie viel Mühe und Aufwand in der Fertigung der Schmuckstücke und Gefäße steckt. 50 Franci-Taler seien da ja geschenkt. Nach den Steuern bleibe ja sowieso nicht mehr viel über.

Alle Klassen haben sich eigene Geschäfte ausgedacht. Handwerkswaren bestimmen die Geschäftszeilen, Dienstleistungen florieren. Die Neuntklässler schieben Lukas Friedrich vor. Er sei der Geschäftsführer von „Bike-Wash“. „Ich wollte etwas machen, was jeder gebrauchen kann“, sagt er. Da viele Francisceer mit dem Rad kommen, habe er es für eine gute Idee gehalten, einen Putz-Service anzubieten. Mit Erfolg. Gleich mehrere Drahtesel stehen in der Warteschlange, die Kasse ist voll, er und seine Mitarbeiter schwitzen. Eine halbe Stunde pro Rad brauche er, sagt er. „Außer dem hier, da sitz ich schon zwei Stunden dran. Das war echt dreckig“, meint er. Später wird Bike-Wash noch expandieren und vor der Schule Autos waschen. Was nach der Steuer bleibt, verwenden die Klassen für ihre Kassen.