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Radwanderung Auf Tour mit dem Wegewart

Gommerns Wegewart Steffen Grafe bietet regelmäßig Radwanderungen an. Diesesmal ist ein Reporter der Volksstimme dabei gewesen.

Von Thomas Schäfer 05.09.2018, 05:00

Gommern/Plötzky/Pretzien/Ranies l Es ist 9.50 Uhr am Sonntag. Der Himmel ist grau, durch und durch mit Wolken verhangen. Das Thermometer zeigt 18 Grad. „Perfektes Radfahr-Wetter“, sagt Steffen Grafe, Gommerns Wegewart. Heute hat er zu seiner letzten Radwanderung des Jahres eingeladen. Eine Kirchentour. Ich schaue zum Himmel und hoffe, dass das Wetter hält. Die Wolken lassen Schlimmes ahnen. „Heute regnet es nicht, und wir werden die ganze Zeit Rückenwind haben“, sagt Steffen Grafe lachend. „Na hoffentlich“, denke ich.

Nach und nach trudeln die Teilnehmer ein. Altbekannte Gesichter, wie Birgit Reppin und Ramona Geldner, die jede Tour mitzufahren scheinen, und auch ein neues Gesicht können begrüßt werden. Bernd Illig ist aus Parchau gekommen. Aus der Volksstimme hat er von der Tour erfahren, was mich natürlich freut. Letztlich sind wir zu neunt. „Wo genau fahren wir eigentlich hin“, fragt jemand. „Zu erst fahren wir nach Plötzky. Dann geht es nach Pretzien und danach nach Ranies“, gibt Steffen Grafe die Tour vor.

„Ranies? Ach du Schei...“, rutscht es mir raus. „Davon stand aber nichts in der Ankündigung“, sage ich. Was bekomme ich als Antwort? Lachen!

Bis nach Ranies. Das sind bestimmt zehn Kilometer oder mehr. Ich bin mir nicht sicher, ob ich durchhalte. Fahrrad fahren gehört nicht unbedingt zu meinen favorisierten Beschäftigungen. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.

Und dann ist da ja noch mein Fahrrad. Es ist alt. Sehr alt. „Bestimmt aus den 50er Jahren“, meint Bernd. Genauer kann er es nicht bestimmen, das Typenschild fehlt. Einige der mitfahrenden Damen schauen sich das Rad genauer an. Ich weiß nicht, ob es bewundernde oder mitleidige Blicke sind. „Na, wird schon gut gehen“, denke ich.

Gegen 10 Uhr starten wir vor dem Rathaus auf dem Platz des Friedens, nachdem ich das obligatorische Gruppenfoto geschossen habe. Wir fahren Richtung Wasserburg, biegen in die Hagenstraße ein, ehe es in die Salzstraße Richtung Plötzky geht. Kurz nach dem Ortsausgangsschild steigt der Weg leicht an. Der vom Wegewart versprochene Rückenwind fehlt. Er kommt von vorn. „Wenn es windig ist, regnet es nicht“, weissagt er.

Rechterhand kann man die Schäden sehen, die die Stürme des vergangenen Jahres im Wald angerichtet haben. Eindrücke, die man beim schnellen Vorbeifahren mit dem Auto so nicht wahrnimmt.

Nach der Einfahrt zum Ferienpark Plötzky wird der Radweg leicht abschüssig. „Gottseidank“, denke ich und lasse mich rollen.

10.23 Uhr haben wir die Kirche Maria Magdalena in Plötzky erreicht. Die Damen schließen ihre Räder an. „Aber vor einem Gotteshaus wird doch niemand ein Fahrrad klauen“, meine ich. „Ja, genau - so wie auch niemand Blumen auf einem Friedhof stiehlt“, sagt Karin Salwiczek. Die Nedlitzerin ist ebenfalls dabei.

Ich entschließe mich, mein Fahrrad auch anzuschließen. „Das ist doch kein Schloss, das ist ein Geschenkband“, frotzelt Cornelia Scriba. Die Vehlitzerin war das letzte Mal vor etwa vier Jahren bei einer der Touren von Steffen Grafe dabei. Heute hat es zeitlich wieder gepasst.

Nachdem wir die Kirche erkundet haben und Steffen Grafe einiges zur Geschichte erzählt hat, geht es 10.45 Uhr weiter nach Pretzien.

Kurz vor dem Ortsausgang Plötzky kommt eine ziemlich steil ansteigende S-Kurve. „Bitte nicht“, geht es mir durch den Kopf. Und tatsächlich. Steffen Grafe biegt links auf einen Schotterweg in den Wald ab. Links und rechts des Weges liegen hunderte zurechtgeschnittene und akkurat aufgestapelte Baumstämme. Überbleibsel der Stürme.

Nach gut 50 Metern auf dem Schotterweg kommen einige Einsprüche. Der Schotter würde die Reifen kaputt machen, und er ist auch so locker, dass man schlecht darauf fahren könne. Und überhaupt, es gäbe viel zu wenig gut ausgebaute Radfahrwege, meint Karin Salwiczek. Zwar wurden die letzten Jahre auch in der Gemeinde Gommern einige ausgebaut, aber mehr wäre besser. Mir ist es egal. Denn wenn mein Fahrrad eins ist, dann ist es geländegängig...

Wir drehen um, gehen zurück zur Straße und der ansteigenden S-Kurve - dem Klosterberg. Steffen Grafe nutzt die Gelegenheit, uns darauf hinzuweisen, dass direkt gegenüber ein Kloster stand. Daher der Name der Anhöhe. Steffen berichtet, dass viel des alten Inventares in die Kirche nach Pretzien gekommen ist und auch ein bisschen was in die Kirche nach Plötzky.

Wir schieben die Fahrräder über die Straße die kleine Anhöhe hoch, steigen auf und fahren schnurstracks auf der Magdeburger Chaussee nach Pretzien. Etwa 200 Meter vor dem Ortseingang geht es seicht bergab, man kann sich bis in den Ort rollen lassen.

„Mensch, da sind Sie ja fast zu Hause: St.-Thomas-Kirche“, witzelt Birgit Reppin, als wir die Pretziener Kirche Punkt 11 Uhr erreichen und die Glocken läuten. Zum Lachen ist mir gerade nicht, der Dynamo meines altehrwürdigen Fahrrades ist locker und hängt schlapp nach unten.

Kein Problem. Steffen hat sechs Kilo Reparaturausrüstung dabei: Schläuche, Luftpumpe, Sanikasten, Pedale (die gehen oft kaputt, sagt er), Inbus- und Maulschlüssel. Keine drei Minuten später sitzt der Dynamo wieder bombenfest. „Mit einer alten Klapperkiste losfahren und grundsaniert wieder nach Haue kommen“, disst mich Cornelia Scriba. Wir lachen.

Die Kirche ist leider nicht offen, so dass wir sie nur von außen besichtigen können. Per Handy schlagen wir bei Wikipedia nach, schauen, wann und in welchem Stil sie erbaut wurde. Steffen erzählt noch ein bisschen was zu den Begebenheiten der Sanierung, Bernd läuft einmal drum herum, um sie von allen Seiten zu bewundern.

Nun geht es auf den letzten Abschnitt unserer Tour. Wir fahren „Am Park“ südlich aus Pretzien hinaus. Linkerhand haben wir einen wunderbaren Blick auf das Pretziener Wehr. Wir fahren am Wehr auf den Damm hoch, entlang der Alten Elbe und dem Steinhafen. Boote liegen auf dem Trockenen. Die Alte Elbe führt nahezu kein Wasser. Schwerelos gleiten wir auf dem fantastisch ausgebauten Damm durch die wunderschönen Elbauen, lassen unsere Blicke über die herrliche Landschaft schweifen.

Auf halber Strecke nach Ranies verlassen wir den Damm, gehen in den Wald. Steffen zeigt uns die dickste Eiche der Region, über 1000 Jahre soll sie alt sein. Doch auch sie fiel vergangenes Jahr einem Sturm zum Opfer. Majestätisch muss sie ausgesehen haben, als sie noch stand.

12 Uhr erreichen wir die St.-Lukas-Kirche Ranies. Uns erwartet Ingrid Kaschner. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Kirchgemeinde, führt uns durch die Kirche. Sie weist uns auf die aus Holz kassettierte, mit reichen Ausmalungen versehene Decke hin. Wir sind beeindruckt. Keiner der Tourteilnehmer war zuvor in der Ranieser Kirche. Demzufolge verweilen wir ein wenig länger hier.

Cornelia Scriba hat es die Orgel angetan. Es juckt ihr in den Fingern, am liebsten würde sie sofort darauf losspielen. „Ich bräuchte nur noch jemanden, der das Gebläse bedient“, sagt sie. „Ich fasse hier nichts an“, entgegne ich. Ingrid Kaschner hatte zuvor berichtet, dass sie die Orgel bestimmt schon seit 20 Jahren nicht mehr gehört hat. „Das wird schon seine Gründe haben“, sagt Cornelia. „Wir lassen es besser sein.“

Als wir die Kirche gegen 12.30 Uhr verlassen, fängt es an zu regnen. Nicht schlimm, denn wir kehren gleich in der Gaststätte „Zur Tanne“ ein, um uns nach der bisher schon zwölf Kilometer langen Tour zu stärken. Dort vergeht die Zeit wie im Fluge, und als ich auf die Uhr schaue ist es schon 13.20 Uhr.

Nicht gut. Ich muss um 14 Uhr bei meinem nächsten Termin in Gommern sein. Kurzentschlossen entscheide ich, allein zurückzufahren.

Steffen erklärt mir den kürzesten Weg von Ranies über Pretzien durch das Naherholungsgebiet nach Gommern. Ich verabschiede mich, bedanke mich für die tolle Tour und fahre los.

Und es kommt wie es kommen musste. Ich verfahre mich - bitte nicht lachen - schon in Ranies. Wie soll man sich da auch zurecht finden? Alle Straßen sind aufgerissen, und Schilder scheint es auch keine zu geben. Und es regnet und regnet. Ich finde den Weg nach Pretzien, fahre so schnell ich kann über die Landstraße - und es regnet.

Im Naherholungsgebiet finde ich auch nicht den von Steffen beschriebenen Weg, lande irgendwie auf der B 246 a. 13.50 Uhr erreiche ich Gommern.

Ehe die Veranstaltung losgeht, habe ich noch ein paar Minuten Zeit, lasse den Tag Revue passieren. Ich bin klitschnass, aber glücklich und auch ein bisschen stolz, die Tour mitgemacht, nette Leute getroffen und viel von der Gegend gesehen zu haben. Danke.