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  7. Biogasanlage in Gommern: Protest wegen Gestank und vermeintlichem Methanschlupf

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ausbaupläne mit hürden Biogasanlage in Gommern sorgt für Zündstoff: Warum der Protest gegen Ekel-Gestank und Methanausstoß die Falschen trifft

Der Betreiber der Biogasanlage Gommern möchte diese erweitern. Dagegen regt sich Widerstand. Nun gibt es einen Einwohnerantrag. Jedoch könnte das am Ende nichts bringen, denn was kaum einer weiß: Das letzte Wort hat nicht die Stadt.

Von Thomas Schäfer Aktualisiert: 19.03.2025, 13:57
Der Betreiber der Biogasanlage Gommern möchte diese erweitern. Dagegen regt sich aus der Bürgerschaft Widerstand. 
Der Betreiber der Biogasanlage Gommern möchte diese erweitern. Dagegen regt sich aus der Bürgerschaft Widerstand.  Foto: Schäfer

Gommern. - Es scheint erst einmal im Sinne der Energiewende: die Erweiterung einer Biogasanlage. In Gommern jedoch regt sich dagegen nun großer Widerstand. Von mehr Lärm, Gestank und Methanschlupf ist die Rede. Was ist dran an der Kritik? 

Erneuerbare Energien gelten als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft. Windkraft, Solarenergie und Wasserkraft werden als saubere Alternativen zu fossilen Brennstoffen gepriesen. Doch wie sieht es mit Biogas aus? Biogasanlagen verwandeln organische Abfälle und nachwachsende Rohstoffe in Energie – ein Konzept, das auf den ersten Blick umweltfreundlich erscheint.

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Allerdings gibt es Kritik: Der hohe Flächenverbrauch für Energiepflanzen wie Mais, die mögliche Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und Methanemissionen während des Gärprozesses werfen Fragen auf. Sind Biogasanlagen also wirklich eine nachhaltige Lösung oder eher eine Mogelpackung?

Widerstand gegen Biogasanlage in Gommern: Betreiber bezieht Stellung

Letzteres sehen die Initiatoren eines bisher in der Einheitsgemeinde Gommern einmaligen Vorgangs so: Mittels eines Einwohnerantrages, der der Volksstimme vorliegt, soll erreicht werden, dass der Stadtrat eine angestrebte Erweiterung der Biogasanlage Gommern ablehnt. Die Zulässigkeit von Einwohneranträgen ist im Kommunalverfassungsgesetz geregelt.

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In der Tat ist es so, dass die Biogasanlage Gommern schon seit langem erweitert werden soll. Auf Nachfrage teilt Niklas Müller, Geschäftsführer der Biogas Gommern GmbH, mit, dass man es jedoch nicht als Erweiterung, sondern als Ergänzung sieht. „Wir sehen ein Restgaspotenzial in unserem Gärprodukt. Deshalb ist es sinnvoll, einen zweiten Nachgärbehälter zu errichten. Darüber hinaus ist der Bau von Siloplatten vorgesehen, um mehr Substrat direkt vor Ort auf dem Standort zu lagern. Zudem werden wir die Anlage um einen Separator und eine Misthalle mit einer Abluftreinigungsanlage ergänzen“, erläutert er.

Erweiterung der Biogasanlage Gommern: Stadtrat gar nicht zuständig

Um genau das zu verhindern, werden von den Gegnern der Erweiterung/Ergänzung derzeit und schon seit Wochen Unterschriften für den Einwohnerantrag gesammelt. Sollte die notwendige Anzahl von Unterzeichnern erreicht werden und nach abschließender Prüfung durch die Verwaltung alles korrekt sein, wird der Einwohnerantrag in den Stadtrat eingebracht werden. Dann haben sich die Räte damit zu beschäftigen.

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Nur: Der Ausgang ist unklar. Und – was schwerer wiegt: Der Stadtrat ist dafür nicht zuständig. Dazu später mehr.

Warum aber begehren die Einwohner auf? Was sind ihre Kritikpunkte? Die Initiatoren des Antrages führen viele Punkte auf. Unter anderem massive Geruchsbelästigungen: Durch das Ausbringen von Gärresten entstünden starke, unzumutbare Gerüche. Lärm- und Verkehrsbelastung: Starker Verkehr durch große Sattelzüge und Traktoren würde Straßen und Anwohner belasten, insbesondere in Nedlitz und Pöthen. Die Straßen würden erheblich unter der Belastung leiden, ohne dass der Betreiber für Schäden aufkommen würde.

Ein großer Kritikpunkt ist der Methanausstoß - doch stimmt das?

Ein weiterer Kritikpunkt ist der klimaschädlicher Methanausstoß: Biogasanlagen setzen große Mengen Methan frei, das als Treibhausgas 30-mal schädlicher als CO₂ ist, heißt es. Dadurch sei die Klimabilanz negativer als oft dargestellt. Aufgeführt wird zudem der Nitrateintrag ins Grundwasser. Der massive Einsatz von Gärresten als Dünger erhöhe die Nitratwerte im Grundwasser, was eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung darstellt.

Es gibt noch erheblich mehr Ausführungen: Hoher CO₂-Ausstoß durch Transportwege, Bedenken des Stadtrats bereits in der Vergangenheit, widersprüchliche Aussagen des Betreibers, Schädigung der Umwelt durch Monokulturen, unzureichender Beitrag zur Energiewende – Biogasanlagen seien ineffizient, teuer und benötigen große Flächen.

Der Geschäftsführer der Biogasanlage Gommern, Niklas Müller, bezieht dazu Stellung: „Wir haben eine genehmigte Anlage und werden die Einspeiseleitung der Anlage nicht erhöhen. Ziel ist es, mehr regionalen Mist und Gülle mit einer niedrigeren Energiedichte als die bisher eingesetzten Substrate zu verarbeiten.“

Weniger Lieferverkehr in Gommern durch Biogasanlage?

Und weiter führt er aus, dass die Ergänzung Emissionen einsparen würden. „Zum einen reduziert die Halle mit Abluftreinigungsanlage freiwerdende Gerüche. Zum anderen ist mit dem zweiten Nachgärer eine Substrateinsparung möglich. Diese Einsparung sowie die erhöhten Lagerkapazitäten vor Ort reduzieren Lkw-Doppelfahrten (Substrat wiegen, zum Außenlager fahren und wieder zurück). Diese Fahrten sind bei den aktuellen Rahmenbedingungen erforderlich. Perspektivisch entfallen somit Emissionen, die durch die Lkw-Fahrten bisher gegeben waren“, so Niklas Müller.

Auf Nachfrage, warum der Lieferverkehr nicht über die B 184, sondern durch die anliegenden Ortschaften erfolgt, teilt Niklas Müller mit, dass „alle Spediteure, die für uns in der externen Belieferung tätig sind, unsererseits ausnahmslos angewiesen wurden, mit ihren Lkw die Bundesstraße 184 zu nutzen.“ Für einen geringen Teil der Fahrten sei das aber nicht möglich, da lokale Landwirte auch anliefern.

Unternehmer: Wir bezahlen sehr wohl Gewerbesteuer in Gommern

Er nimmt auch Stellung zu in sozialen Medien erhobenen Vorwürfen. Es werde behauptet, dass die Anlage einen Methanschlupf von 5 Prozent produziert. „Das ist sachlich falsch. Unsere Anlage verfügt über eine Abgasnachbehandlung und der Methanschlupf liegt bei 0“, so Müller.

Die Initiatoren des Einwohnerantrages haben der Volksstimme unzählige Fotos geliefert, die das Befahren des Lieferverkehrs zur und von der Biogasanlage durch die anliegenden Ortschaften belegen. Hier auf dem Foto zum Teil über den Gehweg in Nedlitz.
Die Initiatoren des Einwohnerantrages haben der Volksstimme unzählige Fotos geliefert, die das Befahren des Lieferverkehrs zur und von der Biogasanlage durch die anliegenden Ortschaften belegen. Hier auf dem Foto zum Teil über den Gehweg in Nedlitz.
Foto: Dietrich Eggert

Ebenso würde behauptet werden, dass für die Biogasanlage in Gommern keine Gewerbesteuer gezahlt werden würde. „Auch das ist nicht zutreffend. Es wird sehr wohl Gewerbesteuer – in nicht unerheblichem Maße – in Gommern gezahlt, was seitens der Eigentümer unserer Anlage auch immer selbstverständlich war und ist“, kommentiert Niklas Müller.

Weiterhin betont er, dass man es für sehr sinnvoll hält, die Menschen in der Region bei der Weiterentwicklung der Anlage mitzunehmen. Dazu werde man gerne Antworten auf direkte Fragen geben, sich jedoch grundsätzlich nicht auf Social Media äußern.

Baugrund im Privatbesitz - Stadtrat ist gar nicht zuständig

Sollte der Einwohnerantrag erfolgreich sein, muss sich der Stadtrat zum wiederholten Male mit der geplanten Erweiterung der Biogasanlage beschäftigen. Doch ist er dafür überhaupt zuständig? Klare Antwort: Nein.

Nach dem derzeitigen rechtskräftigen Bebauungsplan „Industriepark II“ ist die für die Erweiterung in Rede stehende Fläche – nördlich der Biogasanlage – als Industriebauland festgesetzt. Prinzipiell kann dort also jederzeit – ohne Stadtratsbeschluss – gebaut werden. Dazu müssen lediglich die notwendigen Baugenehmigungen eingeholt werden, die der Landkreis erteilt.

Warum wurde dann bisher nicht gebaut? Nach Informationen der Volksstimme befindet sich die Fläche in Privatbesitz. Bisher habe es keine Einigung zum Verkauf oder Tausch mit einer anderen Fläche gegeben. Im Grunde hängt damit alles an einem einzelnen Flächeneigentümer.