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Corona-Pandemie Kitas sind in Sorge um Vorschulkinder

Nach den Pfingstferien sollen alle Kinder wieder in die Kita zurück. Auch die Kitas in Möckern fordern dies besonders für Vorschüler.

Von Stephen Zechendorf 17.05.2020, 01:01

Möckern l In der Einheitsgemeinde Möckern werden 112 Kinder nach den Sommerferien in die erste Grundschulklasse eingeschult. Normalerweise würden sie in den Kindertagesstätten derzeit verstärkt auf diesen neuen Lebensabschnitt vorbereitet. Doch wegen der Corona-Verordnungen besucht nur etwa ein Drittel der Vorschulkinder zurzeit die Notbetreuung der Kitas. Das bereitet den Erziehern zunehmend Sorge, sagt Birgit Arndt. Sie ist Koordinatorin der kommunalen Kindertagesstätten in der Einheitsgemeinde und zugleich Leiterin der Kita „Birkenhain“ in Möckern.

In einem Schreiben an die Stadtverwaltung Möckern als Kita-Träger bat Birgit Arndt darum, sich beim Landkreis Jerichower Land (als örtlichen Träger der Jugendhilfe) und beim Ministerium für Gesundheit und Soziales dafür einzusetzen, dass die Vorschulkinder zeitnah in die Kitas zurückkehren können.

„Seit Schließung der Kindertageseinrichtungen sind sieben Wochen vergangen. Es bereitet uns Sorge, wie der Übergang von der Kita zur Grundschule von den Vorschulkindern bewältigt werden soll.“

Birgit Arndt weiß von „fast schon tragischen“ Momenten zu berichten, etwa wenn Kinder aus dem Krippenbereich (0 bis 3 Jahre) sich nach sechs Wochen erstmals wieder in der Kita begegnen und in die Arme fallen. Oder von Briefen, in denen die Kinder den Erzieherinnen schreiben: „Vergesst mich nicht!“

„Gerade in letzten Monaten wird besonders an der Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer sowie Sozialverhalten wie Zuhören, Regeln beachten und Geduld aufbringen gearbeitet“, beschreibt Birgit Arndt das übliche Pensum der Kita-Arbeit bei den „ABC-Füchsen“. Bei nicht wenigen Kindern sei das bereits Erlernte aber schon wieder weg. „Es ist ja ein Unterschied, ob ein Kind zu Hause immer sofort die Aufmerksamkeit bekommt, oder, wie später im Klassenverband, sich auch mal gedulden muss“, so die Kita-Chefin:

Nachdem in den vergangenen zwei Wochen immer mehr Kinder in die Notbetreuung der Kindertagesstätten kamen, stellen die pädagogischen Fachkräfte fest, wie unterschiedlich der Entwicklungsstand der einzelnen Kinder jetzt ist: „Es fällt den Kindern schwer, das bereits erworbene Wissen und Können anzuwenden.“

Aus diesen Beobachtungen schließen die Erzieherinnen, dass es dringend notwendig ist, die Kinder in die Kitas zurückzuholen.

Auch die wöchentliche Begleitung durch die Kooperationslehrer der Grundschulen, wie es bis Anfang März durchgeführt wurde, findet in Zeiten von Corona nicht statt. So kommen üblicherweise jeden Montag Grundschullehrer der Grundschule Möckern in die Kita „Birkenhain“, um die Kinder vorzubereiten. Die Grundschule in Wörmlitz empfängt die künftigen Abc-Schützen in den letzten Wochen der Kita-Zeit jeden Donnerstag zu Schnupperschultagen in der Grundschule.

„Die Schulen werden große Probleme feststellen“, so Birgit Arndt. Zu groß seien die Unterschiede, wie die Eltern zu Hause mit den Kindern hätten arbeiten können. Sie betont ihre Hochachtung gegenüber den Eltern, die in dieser Corona-Zeit ihr Bestes gäben.

Das straffe Programm der Kindertagesstätten ließe sich jetzt schon nicht mehr komplett umsetzen. Allerdings bliebe immer noch Zeit, die Vorschulkinder auf die Schule vorzubereiten. Birgit Arndt verweist auf die weggefallende Schließzeit in den kommunalen Kitas der Stadt Möckern. Theoretisch wäre somit eine Betreuung und Vorbereitung bis 31. Juli möglich. Die kommunalen Kitas könnten alle Kinder sofort wieder aufnehmen, heißt es.

Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) – dem freien Träger der Kindertagesstätte „Burgspatzen“ in Loburg – teilt man die Sorgen der kommunalen Kitas. Das bestätigte auf Volksstimme-Nachfrage DRK-Vorstandsmitglied Andy Martius. „Eine Öffnung der Kitas für alle Vorschulkinder ist sinnvoll. Es bleibt aber die Frage, ob dies auch zu leisten ist, angesichts der geltenden Hygienebedingungen und anderen Gruppenkonstellationen.“

Im Landkreis Jerichower Land verweist man auf das in Sachsen-Anhalt geltende Bildungsprogramm „Bildung: elementar“. Dies sehe vor, dass Kinder in den Kitas von Beginn an systematisch auf den Übergang zur Grundschule vorbereitet werden, und nicht nur während der Phase unmittelbar vor dem Wechsel: „Im Hinblick auf diesen kontinuierlich gestalteten Prozess kann man nicht plausibel behaupten, dass Kinder, die nur in wenigen Wochen unmittelbar vor der Einschulung an einem Kita-Besuch gehindert sind, zwingend schlecht auf den Schulstart vorbereitet sind und deshalb der Lernerfolg leidet“, argumentiert Kreis-Sprecherin Claudia Hopf-Koßmann.

„Allerdings verläuft die Vorbereitung in den letzten Wochen und Monaten durchaus gezielter und intensiver. Die pädagogischen Fachkräfte von Tageseinrichtungen und die Lehrer entwickeln ein gemeinsames Konzept für die Gestaltung der Übergänge der Kinder von der Tageseinrichtung in die Schule und setzen es hier in besonderer Weise um. Insofern wäre auch aus rein pädagogischer Sicht die Rückkehr der Vorschulkinder in die Kindertageseinrichtungen zu begrüßen.“

Umsetzbar sei dieser Gedanke allerdings nicht ohne Weiteres, „da die gesundheitlichen Risiken betrachtet werden müssen, die entstehen können, sobald in einem Kita-Gebäude mit begrenzten Raumflächen eine deutlich größere Anzahl an Kindern betreut wird.“

Entsprechende Vorgaben erlässt das Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration.

„Die Kindertageseinrichtungen sind im Rahmen der Notbetreuung bereits an den Kapazitätsgrenzen räumlich sowie fachpersonell angekommen“, heißt es aus dem Landratsamt: „Ohne umfangreiche Änderungen in den vorgegebenen Betreuungssettings, ist eine erweiterte Notbetreuung aus Sicht des Landkreises aktuell nicht umsetzbar. Soweit allerdings das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration eine Erweiterung der Aufnahmekapazitäten für vertretbar hält und entsprechende Regelungen erlässt, würde der Landkreis eine vorrangige Öffnung der Kindertageseinrichtungen für Vorschulkinder ausdrücklich begrüßen.“

Neben den zahlreichen Kindern, die nicht in die Notbetreuung kommen dürfen, gibt es aber auch Eltern mit Betreuungsanspruch, die ihr Kind aber nicht in die Notbetreuung schicken, aus Sorge um die Gesundheit der Kinder, weiß die Kita-Chefin.

Tatsächlich gibt es keine Maskenpflicht in den Einrichtungen, weil zu sehr mit Mimik und Gestik gearbeitet wird. Und auch die Abstandsregelungen können in Krippe und Kita nicht völlig umgesetzt werden. Wohl aber halten die Erwachsenen untereinander viel Abstand, es herrscht zudem deutlich verminderter Publikumsverkehr beim Abholen und es wird viel mit Seifenlauge gearbeitet, so die Leiterin der Kita „Birkenhain“. Es wurde desinfiziert und gereinigt, was das Zeug hält: „Jedes kleine Lego-Teilchen haben wir desinfiziert“, sagt Birgit Arndt.

Ein Vorteil der aktuellen Situation sei, dass sich alle Kinder und auch die Erzieher mal richtig auskurieren konnten: „Seit Wochen haben wir keine Warnzettel wegen ansteckender Krankheiten an der Tür. So gesunde Kinder, wie zurzeit gab es noch nie. Das habe ich in 30 Jahren nicht erlebt“, so Birgit Arndt.