Andreas Reinicke aus Lostau hat nach langem Test jetzt einen Vertrag mit Fünf-Jahres-Förderung Der Sprung von Hartz IV in einen festen Job
"Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht." Der Lostauer Andreas Reinicke (29) klingt stolz. Seit Kurzem hat er einen Job bei einem Burger Autohaus. Das hat etwas von einer Allerweltssituation, ist es jedoch nicht.
Burg/Lostau l Zum einen: Reinicke kann nicht lesen und nicht schreiben, war nach einer Phase als Mitarbeiter in einer Magdeburger Reinigungsfirma lange arbeitslos, Hartz IV-Empfänger und schwer vermittelbar. Wie soll man da in einen Job kommen, um auf eigenen Füßen zu stehen.
Der andere Grund: Zwar zählt das Jerichower Land mit einer Quote von 9 Prozent Ende November neben dem Bördekreis zu den Regionen im Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit. Doch der Sockel von Langzeitarbeitslosen, deren Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt generell schwierig ist, ist auch hier hoch. Von den aktuell 4547 Arbeitslosen zählen 3159 Frauen und Männer zu dieser Klientel. Über ein Drittel von ihnen sind langzeitarbeitslos, fast 1000 ohne abgeschlossene Ausbildung. Zwei von fünf sind älter als 50.
Im so genannten SGB II-Bereich, für das das Jobcenter verantwortlich ist, gibt es übers Jahr ein stetes Kommen und Gehen. Seit Jahresbeginn ,,rutschten" 9634 Personen in Hartz IV. Zeitgleich meldeten sich 9435 Frauen und Männer von dort ab. Die Krux dabei: Für gerade 1680 von ihnen fand sich ein echter Arbeitsplatz.
Viele von ihnen haben es verlernt zu arbeiten, haben noch nie gearbeitet, werden von Maßnahme zu Maßnahme geschoben, haben gesundheitliche Probleme. Arbeitgeber sind skeptisch, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das weiß Jobcenter Geschäftsführer Torsten Narr zu genau. ,,Da sind wir über jeden froh, den wir erfolgreich vermitteln können."
,,Das Jobcenter hat uns angefragt", erläutert Horst Dreyer, Niederlassungsleiter der Autowelt A 2-Filiale in Burg. ,,Wir haben ihn acht Wochen getestet. Wir waren sehr zufrieden. Das war auch das Urteil der Belegschaft. Darum haben wir ja gesagt."
"Können es uns nicht leisten, unsere Kunden zu verärgern."
Dreyer und seine Leute haben es sich dabei nicht leicht gemacht. Es geht nicht nur um die Situation von Arbeitsuchenden wie Andreas Reinicke, ganz klar geht es auch um die Interesen der Firma, ums Geschäft. ,,Wir können es uns nicht leisten, unsere Kunden zu verärgern", sagt Dreyer. Also stand vor der Zusage die Prüfung. Doch Reinicke hat überzeugt. ,,Mit klarer Zuordnung und Anleitung kann er selbständig arbeiten", betont Dreyer. Und ganz wichtig: ,,Andreas sieht Arbeit. Er will arbeiten. So einer fehlt uns öfter."
Dabei ist das alles andere als selbstverständlich. Reinickes Handicap, nicht lesen und schreiben zu können, gleicht er mit Einsatz und einer unglaublichen Merkfähigkeit aus. So hat er auch seine Fahrerlaubnis gemacht, ganz wichtig auch für den Beruf und obendrein in einem Autohaus. Wie er das geschafft hat? ,,Alles mündlich. Ich habe mir alles gemerkt. Die Fragen wurden mir gestellt und ich habe sie beantwortet", erzählt Andreas Reinicke. ,,Wenn ich einen Weg einmal gefahren bin, vergesse ich das nicht mehr. Es ist wie ein fotografisches Gedächtnis."
"Vorbereitung einer Beschäftigung kann durch das Jobcenter unterstützt werden."
In einer kleinen Firma fallen stets Arbeiten an, die mit erledigt werden müssen. ,,Ich bin froh, dass er uns angeboten wurde und dass er so gut eingeschlagen ist", erklärt Dreyer.
So wird Reinicke Schritt für Schritt an komplexeres Arbeiten herangeführt. Zu Hilfstätigkeiten wie Autos reinigen oder Reifen einlagern kamen Arbeiten wie Kunden zu befördern oder im Firmenauftrag kleinere Einkäufe zu erledigen. Nach dem Anlernen übernimmt er nun auch schon mal das maschinelle Polieren von Autos.
,,Die Vorbereitung und Aufnahme einer Beschäftigung kann durch das Jobcenter mit zahlreichen Angeboten unterstützt werden", erläutert Torsten Narr. Dazu zählen etwa Qualifizierungsmaßnahmen oder wie im Fall von Andreas Reinicke Eingliederungszuschüsse. Die können Arbeitgeber ,,als zeitlich begrenzte Lohnzuschüsse erhalten, wenn sie jemanden einstellen, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Umstände z.B. lang andauernde Arbeitslosigkeit, fehlende berufliche Kenntnisse oder gesundheitlicher Einschränkungen erschwert ist".
Das Jobcenter hat mit dem Andreas Reinickes neuem Arbeitgeber ein solchen Vertrag über fünf Jahre abgeschlossen. ,,Wenn es läuft, spricht nichts dagegen, dass wir ihn darüberhinaus engagieren", macht Niederlassungsleiter Dreyer eine klare Ansage.