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Prozess Der Tod eines Strafgefangenen

Richter Winfried Leopold hat einen 49 Jahre alten Arzt aus dem Jerichower Land vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.

Von Bernd Kaufholz 05.04.2017, 04:00

Burg l Am 22. Oktober 2013 gegen 13 Uhr war der Arzt in die Justizvollzugsanstalt gerufen worden, weil ein Kleinkrimineller über Schmerzen im linken Unterbauch geklagt hatte. Wie der Berliner Gutachter Prof. Herbert Koop mitteilte, hatte der 41-Jährige seit April 2013 „immer wieder Phasen von Verstopfung“. Zumeist seien ihm Abführmittel verordnet worden. Bereits am 7. Oktober habe sich der Häftling gemeldet und mitgeteilt, dass er „seit 14 Tagen keinen Stuhl“ habe. Einen Tag später habe er einen starken Einlauf bekommen und am 9. Oktober einen weiteren. Danach habe sich sein Zustand gebessert. Am 21. Oktober sei es ihm dann wieder schlechter gegangen. Der Gefangene habe gegenüber dem Wachpersonal von Alpträumen und Schlafproblemen gesprochen.

Daraufhin sei er durch eine Nervenärztin psychiatrisch untersucht worden. Diese schilderte als Zeugin vor Gericht, dass sie bei dem einfach strukturierten Mann nichts Psychiatrisches festgestellt und der Patient lediglich auf seine Bauchschmerzen verwiesen habe. Im Ergebnis dessen wurde der Angeklagte hinzugezogen. Der Mann, der seit 1993 als Arzt praktiziert, versicherte dem Gericht, dass es während der 45-minütigen Behandlung „keinerlei Symptome für einen akuten Bauch gegeben“ habe. „Der Bauch war nicht hart und nicht druckempfindlich. Und die Frage, ob er noch Bauchschmerzen hat, hat der Patient verneint.“ Er habe bei dem Alkoholiker eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen und ebenfalls nichts Auffälliges festgestellt. Den Rat, sich noch am selben Tag beim medizinischen Dienst der Justizvollzugsanstalt vorzustellen, habe der Gefangene erst gänzlich abgelehnt. Erst nach längerem Zureden habe er sich einverstanden erklärt, sich am folgenden Tag dort zu melden.

Am 24. Oktober 2013 um 5.40 Uhr war der Kranke gestorben. Die Ursache war ein großes Loch in der Magenschleimhaut. Magensäure und Bakterien waren dadurch in den Bauchraum gelangt. Das habe zu einem septischen Schock – einer Blutvergiftung – geführt. Zwischen dem Magendurchbruch und dem Eintritt des Todes, so schätzte der Gutachter ein, hätten 48 bis 24 Stunden gelegen.

Diese Einschätzung veranlasste selbst die Staatsanwältin dazu, auf Freispruch zu plädieren. „Das klinische Bild war bei der Untersuchung durch den Angeklagten nicht eindeutig, eine Magenperforation für ihn nicht erkennbar, da der Verlauf atypisch war.“ Sie verwies zum Beispiel darauf, dass der Patient noch selbst gelaufen ist, als er dem Arzt vorgestellt worden war, was bei einem Magendurchbruch – der normalerweise mit unerträglichen Schmerzen einhergeht – nicht möglich ist. Die Staatsanwältin abschließend zum Angeklagten: „Ich klage nicht gerne Ärzte an, weil ich weiß, dass die meisten ihre Arbeit sehr verantwortungsvoll tun.“

Dem renommierten Strafverteidiger Professor Müller aus Halle blieb nur, sich dem Antrag der Gegenseite anzuschließen.

Richter Leopold sprach den Arzt frei. „Eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung lag nicht vor. Diese hätte es nur gegeben, wenn beim Patienten Indizien auf einen Magendurchbruch hingedeutet hätten und der Arzt nicht reagiert hätte.“ Seinen Freispruch kommentierte Leopold zudem mit der Bemerkung, dass es genau zu dem Verhandlungsergebnis gekommen sei, das er voraus gesehen habe. Der Richter hatte ein Hauptverfahren abgelehnt, war allerdings durch die Beschwerdekammer des Landgerichts Stendal angehalten worden, den Prozess durchzuführen.