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Förderschule Parchen Eine Schule wächst zusammen

Ein Jahr nach der Fusion: 38 lernbehinderte und 34 Schüler mit einem emotional-sozialem Förderschwerpunkt werden unterrichtet.

Von Tobias Dachenhausen 02.09.2015, 21:49

Parchen l Bei Amtsantritt im August 2014 wartete auf Schulleiterin Petra Lubig gleich eine Herkulesaufgabe. Die Förderschule für Lernbehinderte in Parchen und die Förderschule mit Ausgleichsklassen in Burg sollen einen Monat später fusionieren. Zunehmend traumatisierte Schüler trafen auf extrem introvertierte. „Es war eine emotional geladene Situation“, beschreibt die Schulleiterin. Im ersten Schuljahr wurde der Weg zu einer gemeinsamen Schule geebnet. Wir-Stunden, gemeinsame Schulprojekte und Klassenpatenschaften wurden organisiert. Im laufenden Schuljahr sollen Kinder mit den unterschiedlichen Förderschwerpunkten gemischt werden. „Wir müssen völlig neue Wege gehen, aber das Konzept der Fördermischschule funktioniert“, bilanziert Lubig.

Um diesem Konzept gerecht zu werden, mussten bauliche Veränderungen in Parchen her. Davon konnten sich am Dienstagabend auch die Mitglieder des Kulturausschusses überzeugen. Vor der Schule ist ein neuer Parkplatz entstanden, eine neue Schließanlage und entsprechende Fenster wurden im Gebäude installiert. Ein großer Schulhof mit viel Platz wurde eingeebnet. Insgesamt wurden knapp über 200 000 Euro investiert. „Der Schulhof muss jetzt gestaltet werden, auch mit Angeboten für die Kinder“, erklärt Lubig. „Die Schule macht einen gelungenen Eindruck. Es hat sich viel bewegt“, sagt Landrat Steffen Burchhardt (SPD). Ausschussvorsitzender Hartmut Dehne (CDU) ergänzt: „Große Fortschritte sind zu erkennen. Mit der Schule von vor zehn Jahren ist das nicht mehr zu vergleichen.“

Und dabei hat es im Vorfeld erhebliche Kritik an der Fusion gegeben. Es wurde von „Irrsinn“ und „Kalter Schulschließung“ gesprochen. Beide Gruppen bräuchten jetzt jeweils einen geschützten Raum. Der Schulhof solle mit einem hohen Zaun getrennt werden.

Ein Jahr später sieht die Welt ganz anders aus. Kein getrennter Schulhof, keine geschlossenen Räume. Es werden gar miteinander Schulfeste gefeiert. Schon der Start war ruhiger als angenommen. Kein Lehrer hatte einen Versetzungsantrag gestellt, kein Schüler wurde wegen der Fusion von der Schule genommen. Für das laufende Schuljahr kümmern sich 16 Lehrer, sechs pädagogische Mitarbeiterinnen und eine Schulsozialarbeiterin um die insgesamt 72 Schüler. „Die Kinder mit sozial-emotionalem Förderschwerpunkt aufgenommen zu haben, haben wir nie bereut. Sie bereichern unseren Schulalltag“, betont Lubig.

In Zukunft wird es darum gehen, die Schüler zur größtmöglichen Selbstständigkeit und zur gesellschaftlichen Integration zu führen. „Zwei Schüler sind bereits zurück an die Sekundarschule und einer gar auf das Gymnasium gewechselt. Das muss einfach unser Ziel sein“, so Lubig. Der Aufbau von Vertrauen und gegenseitiger Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten stehen genauso im Fokus wie der Erhalt der Freude an der Arbeit bei den Lehrern. Baulich müssen noch Veränderungen in den Klassenräumen und Fluren vorgenommen werden. Zudem soll ein Schallschutz installiert werden. Geplant ist auch die Einrichtung eines Snoozle-Raums, in dem die Kinder mal abschalten können. „Wir haben zwar einen, aber der entspricht nicht unseren Vorstellungen“, macht die Schulleiterin deutlich. Für die letzten Umbaumaßnahmen am Schulgebäude hat der Landkreis Fördermittel aus dem Stark-III-Programm beantragt. Eine Bewilligung dieser Mittel ist bisher noch nicht erfolgt.

Problematisch gestalten sich momentan die individuellen Unterrichtszeiten, die vor dem Hintergrund des zu wenigen Personals organisiert werden müssen. Pädagogisch-therapeutische Räume fehlen. Und für die Schüler, deren sozial-emotionales Verhalten schrittweise aufgebaut werden muss, gibt es keine landesweiten Konzepte. „Wir müssen da unseren Weg ebnen, der alle Partner an die Belastungsgrenze führt“, sagt die Schulleiterin. Das Team der Lehrer hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gefunden. „Jetzt hoffe ich auf viele gemeinsame Jahre. Sie haben damals mit der Fusion die richtige Entscheidung getroffen“, sagt Lubig mit Blick zu den Ausschussmitgliedern.

Als „atemberaubend“ bezeichnet Landrat Steffen Burchhardt die Leistung der Schulleiterin. „Sie wurden in das kalte Wasser geworfen, haben in ein emotionales Thema Ruhe reinbekommen und den Kindern ein neues Heim geboten.“