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Bernhard Thüne-Schönborn ist Ahnenforscher und dabei auf über 400 Jahre alte Kirchenbücher angewiesen Er schafft zehn Generationen in 25 Stunden

Von Franziska Ellrich 01.06.2012, 05:21

Über 15 000 Datensätze hat Bernhard Thüne-Schönborn in seinem Computer gespeichert. Alles Namen und Stammbäume aus der Region Elbe-Fläming. Schon so manche Hoffnung auf blaublütige Vorfahren hat der 58-Jährige mit seiner präzisen Arbeit zerstört.

Burg l "Ich bin überzeugt, meine Vorfahren waren Adlige", diesen oder ähnliche Sätze hört Bernhard Thüne-Schönborn immer wieder, wenn es um eine Anfrage geht. So eine Vermutung ist der Startschuss für den Mitarbeiter des Evangelischen Kirchenkreises Elbe-Fläming. Jetzt muss nur ein Name und ein Geburtsdatum her. Dann ist der Burger in seinem Element und denkt nur noch in Generationen. "Vor ein paar hundert Jahren wurde man nicht älter als 60 und heiratete mit Mitte 20." Zeitspannen, mit denen sich Thüne-Schönborn von Generation zu Generation hangelt. Doch welche Rolle spielt die Kirche bei der Ahnenforschung? "Für mich als Genealoge sind die Kirchenbücher enorm wichtig", so der Ahnenforscher.

Schon ab 1570 haben die Pastoren in Elbe-Fläming alle Taufen, Eheschließungen und Sterbedaten in ihren Kirchenbüchern festgehalten. Eine bessere Basis für die Familienforschung gebe es nicht. Denn erst ab 1874 wurde die Erfassung verstaatlicht, und von da an ist das Standesamt für diese Daten zuständig.

Derzeit sitzt der 58-Jährige an einem Stammbaum über neun Generationen hinweg. "Da kommen bis zu 50 Nachnamen ins Spiel", fährt Thüne-Schönborn mit seinem Finger die vielen Verzweigungen ab. Das Geburtsjahr am Beginn des Stammbaumes liegt bei 1787. "Ich kann noch 200 Jahre mehr", erzählt der Burger stolz.

"Bis ins Jahr 1570 ist für mich gar kein Problem."

Fast alle Kirchenbücher im Kreis sind bereits abgefilmt worden. Den ganzen Tag sitzt Thüne-Schönborn vor dem Filmlesegerät, vergrößert die Aufnahmen so weit es geht, entziffert Namen und Daten. "Meistens haben die Pastoren die Bücher abends ausgefüllt und die Schrift ist unleserlich, ob aufgrund des fehlenden Lichts oder eines Gläschens Wein, vermag ich nicht zu beurteilen", so Thüne-Schönborn schmunzelnd. Beurteilen kann er nur den Zustand seiner Augen, der sich mit dieser Arbeit stetig verschlechtert.

Seit über fünf Jahren widmet sich Thüne-Schönborn der Familienforschung. "Das Interesse an den Ahnen ist enorm gestiegen, die Anfragen werden anspruchsvoller und sollen stets weiter in die Vergangenheit zurückgehen", stellt der Forscher fest. Bevor seine Kunden ihren Kindern Geld vererben, hinterließen sie ihnen neuerdings wohl lieber eine Ahnentafel. 30 Minuten forschen kostet den Auftraggeber 20 Euro. "Zehn Generationen zurückzuverfolgen, lässt sich so mancher um die 1000 Euro kosten", weiß der Genealoge aus Erfahrung. Die Motivation dafür sei sehr unterschied- lich.

Da gibt es zum Beispiel den Lehrer, der herausfinden will, ob seine Vorfahren schon Akademiker waren. "In solchen Fällen ist es nicht mit dem Stammbaum und den entscheidenden Kopien aus den Kirchenbüchern getan", erklärt Thüne-Schönborn. Um diese Aufzeichnungen zu verstehen, brauche man historische Kenntnisse. Denn, was ein Tormeister oder ein Lungenführer ist, wisse heute kaum einer mehr. Wer Bernhard Thüne-Schönborn einen Auftrag erteilt, bekommt nicht nur die Kopien der Seiten aus den Tauf-, Trau- oder Sterbebüchern zugesandt, sondern auch einzelne Erläuterungen zum historischen Kontext. Die Vorfahren des Lehrers hätten wirklich bereits vor 350 Jahren schon den gleichen Beruf innegehabt, fand der Forscher heraus.

"Toll ist, wenn Verwandte sich wiederfinden."

Die weit verzweigte Ahnentafel sei das abschließende Sahnehäubchen. So ein Stammbaum hat in Thüne-Schönborns Arbeitsalltag immer mal wieder Familien zusammengeführt. Der 58-Jährige weiß von zwei Auftraggebern zu berichten, die unabhängig von einander bei ihm nach ihrem Stammvater gesucht haben. Es war derselbe. "Ein fantastischer Zufall, ich habe den Norddeutschen und den Burger gemeinsam zum Kaffee eingeladen", freut sich Thüne-Schönborn über die geglückte Zusammenführung zwei weit entfernter Verwandter. Es gäbe aber auch Enttäuschungen, zum Beispiel, wenn der Urahne nur das uneheliche Kind einer Magd war. "Ich würde ja gern öfter mit einer adligen Vergangenheit dienen, doch die Bücher lügen eben nicht."