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Flüchtlinge Für Kostenvergleich fehlt einheitliche Basis

12.223 Euro hat das Jerichower Land 2015 pro Flüchtling ausgegeben. 4000 Euro mehr als der Salzlandkreis.

Von Tobias Dachenhausen 12.07.2016, 09:00

Burg/Genthin l Die Kosten für die Unterbringungen von Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt sind unterschiedlich hoch. Steffen Burchhardt (SPD), Landrat im Jerichower, Land sieht eine Vergleichbarkeit unter den Landkreisen kaum gegeben. Im Volksstimme-Interview spricht er über das komplexe Thema Asyl.

In einer Grafik, die die Volksstimme vor kurzem veröffentlichte, ist das Jerichower Land bei der Flüchtlingsunterbringung am teuersten. Warum?

Steffen Burchhardt: Ob das tatsächlich so ist, können wir anhand einer einzigen Stichtagszahl nicht bestätigen. Bei der letzten Auswertung waren die Kosten des Landkreises deutlich unter dem Durchschnitt.

Eine Momentaufnahme bei der Flüchtlingsunterbringung ist also nicht sinnvoll?

Nein, nicht ohne sich tiefer damit zu beschäftigen. Die Kostendarstellung zum Thema Asyl ist sehr komplex, eine Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Landkreisen und den kreisfreien Städten kaum gegeben. Zudem können sich täglich Änderungen ergeben.

Warum ist dieser Vergleich so schwierig?

Es gibt keine einheitliche Ausgangsbasis. Die Landkreise verfügen alle über unterschiedliche Verwaltungsstrukturen bezüglich der Flüchtlingsbetreuung. Manche erbringen Leistungen mit eigenem Personal, dann taucht es in der Statistik nicht auf, bindet man aber externe Kräfte sind die Kosten des Vertrages zu berücksichtigen. Zudem gibt es Landkreise, die über eigene Immobilien verfügen und denen somit keine Mietkosten entstehen. Eigene Immobilien hat der Landkreis nicht und dementsprechend müssen wir alles von privaten Auftragnehmern anmieten. Und es kommt zu sprungfixen Kosten. Wir haben viele Ausstattungsgegenstände – wie Tische und Stühle in großen Mengen beschafft und damit auch einen Vorrat angelegt und Mengenrabatte realisiert. Davon profitieren wir in den nächsten Jahren, aber die Rechnung schlug natürlich nur im Jahr 2015 zu Buche.

Wie sieht das mit den Mietverträgen für Wohnimmobilien aus?

Ich bin froh, dass wir keine Zehn-Jahresverträge geschlossen haben und wir uns nach und nach von Objekten trennen können, wenn diese nicht mehr gebraucht werden. Natürlich sind auch hier die Konditionen schlechter, wenn man sich nicht so lange binden will.Wenn man die Kosten wirklich vergleichen will, müsste man eine Zeitspanne von wenigestens zehn Jahren als Basis nehmen. Und selbst dann wird es beträchtliche Unterschiede zwischen den Regionen geben, schon allein aufgrund des Mietspiegels.

Welche Laufzeiten ist der Landkreis bei der Anmietung von Wohnraum eingegangen?

Ein Drittel der Unterbringungsmöglichkeiten sind in Gemeinschaftunterkünften mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2020, zwei Drittel sind vom Landkreis angemietete Wohnungen. Diese haben vertragliche Laufzeiten von ein bis maximal fünf Jahren – ein Großteil davon mit kurzer Vertragslaufzeit.

Ist eine Flüchtlingspauschale, die vom Land zugesichert wird sinnvoll oder muss jeder Fall individuell betrachtet werden?

Eine Pauschalabrechnung war anfangs ein gutes Instrument, macht mittlerweile aber wenig Sinn. Die Flüchtlingsaufnahme ist eine vom Land übertragene Aufgabe, dementsprechend müssen auch die Kosten im Zusammenhang mit dieser Aufgabe vollständig übernommen werden. Gerade unter dem Gesichtspunkt einer fallenden Auslastung ist eine Spitzkostenabrechnung der bessere Weg, denn die Fixkosten bleiben für die Landkreise gleich, egal ob voll oder nur zur Hälfte ausgelastet. Pro Kopf steigen die Kosten aber erheblich bei niedriger Auslastung. Es müssen ohnehin alle Kosten sehr detailliert erfasst werden, dann kann man diese auch gleich entsprechend erstatten. Das wäre am fairsten.

Momentan zahlt das Land eine Pauschale von 8600 Euro pro Kopf. Muss der Landkreis einen Teil der Kosten (12 223 Euro) aus der eigenen Tasche bezahlen?

Bei der Unterbringung von Flüchtlingen handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung. Für das Jahr 2015 hat das Land eine Spitzkostenabrechnung zugesagt und auch für das Jahr 2016 ist diese Abrechnungsvariante wahrscheinlich. Das bedeutet, dass der Landkreis jeden Euro vom Land Sachsen-Anhalt zurückerstattet bekommt und keinerlei Kosten selber tragen muss.

Wie viele Asylbewerber leben derzeit im Jerichower Land?

Aktuell sind 386 Personen in Burg, 331 leben in Genthin und 65 Personen sind in Brettin untergebracht.

Würden Sie die Strategie, lieber mehr zahlen und dafür kurzfristig aus den Verträgen kommen, wieder so handhaben?

Durch das Eingehen von kurz- und mittelfristigen Verträgen verfügt der Landkreis über eine gewisse Flexibilität, um auf rückläufige Auslastung zu reagieren und hat bereits einen ersten Kontrakt gekündigt. Mit Blick auf die aktuellen Prognosen plant die Verwaltung weitere Objekte leer zu ziehen und bestehende Mietverträge zu kündigen. Damit der Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten auch im Falle wieder steigender Zuweisungszahlen gewährleistet werden kann, erfolgt der Abbau sukzessiv.