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Friseur Corona sorgt für Aus nach 47 Jahren

In Schweinitz ist eine Tradition zu Ende gegangen. Nach 47 Jahren Dienst am Kunden gibt Renate Senst ihr Friseurhandwerk auf.

Von Stephen Zechendorf 25.05.2020, 11:40

Schweinitz l Am Freitagvormittag kamen noch einmal einige Kundinnen, um sich von Renate Senst so richtig den Kopf waschen zu lassen. Und frisieren natürlich auch. Dann ist Schluss. Ein kleiner handgeschriebener Zettel im Schaufenster macht klar, dass hier etwas zu Ende geht: „Dieses Geschäft bleibt ab 25. 5. geschlossen. Senst“ steht da geschrieben.

Etwas wortgewandter gibt sich die resolute Friseurin im Inneren ihres Geschäftes. In einem selbstverfassten Gedicht wendet sich Renate Senst noch einmal an ihre Kundschaft: „47 Jahre sind vergangen, als ich in Schweinitz mit dem Frisieren hab angefangen, viele Haarschöpfe gingen durch meine Hände, doch nun - das werdet ihr verstehen – kommt die große Wende. Jetzt habe ich mich entschieden, als Rentner wird nun zu Haus geblieben.“

Längst schon hätte Renate Senst ihr Rentnerdasein genießen können. In diesem Jahr begeht sie ihren 72. Geburtstag. Ans Schlussmachen hatte sie aber eigentlich noch gar nicht gedacht. „Ich hätte schon mit 60 in Rente gehen können, aber die Leute brauchten mich doch. Und eigentlich brauchen sie mich doch auch weiterhin“, weiß die Friseurin. Für viele der etwa 30 bis 40 Stammkunden kommt das „Aus“ überraschend. Sie kamen aus Schweinitz und den umliegenden Gemeinden.

Normalerweise würde Renate Senst ja auch noch weiter machen wollen. „Aber nicht unter diesen Umständen.“ Die „Umstände“ – das ist die Corona-Krise. Mit Mundschutz arbeitet die Friseurin, die Eingangstür ist verschlossen, damit nicht zu viele Kunden zugleich in das kleine Geschäft kommen.

In dem Laden im ehemaligen Torweg der Gaststätte „Ehlequell“ ist die Zeit irgendwie stehen geblieben. Die Friseurstühle sind nicht unbedingt die modernsten, aber dafür bietet der kleine Friseursalon von Schweinitz andere Vorteile: Er ist mitten im Ort und kann sich einer treuen Stammkundschaft erfreuen.

Eine ältere Dame wird eingelassen. Auch sie hat für den Abschlusstag noch einen Termin bekommen. Noch in der Tür greift sie sich an den Kopf und sagt: „Ach, jetzt habe ich meinen Mundschutz zu Hause vergessen. Doch das ist kein Problem, Renate Senst hat für solche Fälle natürlich vorgesorgt und Einweg-Masken bereitgelegt.

Begonnen hatte alles am Frauentag 1973. Damals war die damals 25-Jährige von der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) „Figaro“ in Zerbst nach Schweinitz geschickt worden. Die PGH hatte hier im Torhaus der damaligen LPG-Gaststätte eine Stube zum Salon ausgebaut. „Es war auch der einzige Friseurladen weit und breit, in dem man auch frühstücken konnte, denn schließlich war gleich nebenan die LPG-Küche“, erinnert sich Egbert Köhler, der heutige Inhaber der Gaststätte „Ehlequell“.

Ihr Handwerk erlernt hatte Renate Senst in ihrem Geburtsort Reetz. Nach den ersten Einsätzen in Schweinitz blieb sie der Ortschaft und den Menschen hier treu. Seit dem Jahr 2001 arbeitete Renate Senst alleine, ohne Angestellte oder Auszubildende. Da sie keinen Meister hatte, durfte die Friseurin nicht ausbilden. Zuletzt lief das Geschäft als Nebenerwerb. Immer mittwochs und freitags vormittags war geöffnet. Da kamen immer noch etwa zehn Kunden pro Woche in das Friseurstübchen.

Es mag zum Haareraufen sein, aber die Schweinitzer werden sich nun überlegen müssen, wer ihnen von nun an die Frisur gestaltet. Egbert Köhler würde sich freuen, wenn sich ein Nachfolger für Renate Senst fände.