Gericht Körbelitz: Täter kommt in die Psychiatrie
Nach dem Angriff auf den Körbelitzer Bürgermeister Eckhard Brandt im April ist in Stendal nun das Urteil gesprochen worden.
Stendal/Körbelitz l Seitdem der Körbelitzer Bürgermeister Eckhard Brandt am 3. April brutal niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt worden war, ist in der kleinen Gemeinde nichts mehr, wie es war. Schon gar nicht das Leben des Opfers und seiner Familie. Tagelang lag er im Koma, ist immer noch in der Reha, ob er jemals in der Lage sein wird, zu gehen oder allein nur zu sprechen, ist fraglich.
Die Tat ist vor fast genau einem halben Jahr geschehen. Doch am Freitagvormittag, 4. Oktober 2019, wurde mit dem Plädoyer von Staatsanwältin Ramona Schlüter das Geschehene für Eckhard Brandts Ehefrau zur Gegenwart. Zuvor war der Angeklagte Frank H. von der Verhandlung im Saal 218 des Stendaler Landgerichts ausgeschlossen worden, weil er ununterbrochen dazwischengeredet hatte.
Bis zu seinem 19. oder 20. Lebensjahr habe H. eine unauffällige Entwicklung durchgemacht, die zehnte Klasse abgeschlossen, eine Ausbildung absolviert. Dann aber habe eine psychische Krankheit sein Leben und das jener, die mit ihm zu tun hatten, erheblich beeinträchtigt.
Vorsitzender Richter Ulrich Galler hatte den Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen. Seit 2014 waren zahlreiche Verfahren gegen H. gelaufen, zumeist wegen Beleidigung. Hatte es anfangs noch Geldstrafen gegeben, waren die Verfahren zuletzt wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden.
Zu Beginn seiner Krankheit war H. behandelt worden, konnte dann sein reguläres Leben weiterführen. Schließlich entschied er sich allerdings dazu, die Medikamente abzusetzen, hatte – laut Aussage seiner Mutter an einem vergangenen Prozesstag – in den vergangenen Jahren jegliche Behandlung verweigert.
So kam es zu jenem schicksalhaften Mittwoch im April. Durch seine schizophrene Psychose hatte H. einen Verfolgungswahn, der mit Katzen zu tun hatte. Obwohl nicht zuständig, ging H. zur Straßenmeisterei, verwickelte den Leiter in einen Disput. Zufällig kam Eckhard Brandt gegen 14 Uhr vorbei. Laut einer Zeugin hatte sich H. schon als Brandt aus seinem Auto ausstieg unflätig geäußert. Brandt beteiligte sich zunächst an der Diskussion, verwies H. dann des Geländes.
Was dann geschah, schilderte die Staatsanwältin so: „Aus einem Beutel am Lenker seines Fahrrades holte der Beschuldigte eine Stabtaschenlampe von 35 Zentimetern Länge und schlug weit ausholend gezielt auf den Kopf des Geschädigten. Er wurde getroffen und fiel laut Zeugenaussagen um wie ein Baum“. Durch den Schlag und seinen Sturz auf den Asphalt zog sich Brandt mehrere Schädelbrüche zu, hatte Einblutungen ins Gehirn, lag mehrere Tage im Koma.
„Wer auf den Kopf, eines der empfindlichsten Teile des Menschen, schlägt, nimmt billigend in Kauf, dass er stirbt“, meinte die Staatsanwältin. H. könne zwar nicht bestraft werden, aber es sei festzustellen, dass er die Allgemeinheit gefährdet, sich eine solche Tat wiederholen könne. Daher plädierte sie für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Klaus, der die Familie als Nebenkläger vertrat, wollte nicht das Plädoyer der Staatsanwaltschaft wiederholen, brachte aber die rechtliche Dimension des Falls ins Spiel. Eine Behandlung oder Unterbringung von H. sei bislang gegen seinen Willen nicht möglich gewesen. „Wir stufen die Persönlichkeitsrechte und die Freiheit sehr hoch ein“, sagte er. Dafür habe jemand den Preis zahlen müssen, Eckhard Brandt. Er werde nie wieder das Leben führen können, das er hatte, die Familie müsse sich nun um die behindertengerechte Umgestaltung des Hauses und eine 24-Stunden-Pflege kümmern. Da konnte auch die bislang gefasst wirkende Ehefrau ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Das alles, um die Freiheit zu schützen“, meinte Klaus. Eigentlich sei es unmöglich, dass Eckhard Brandt nun allein dasteht, während sich die Gesellschaft nur fragt, wie sie nun mit H. umgehen soll. Der müsse eingewiesen werden und das wohl für sehr lange Zeit.
Die Verteidigung stimmte den beiden Plädoyers in weiten Teilen zu, gab nur zu bedenken, ob H. die Todesfolge tatsächlich absehen konnte. Da es aber um kein Strafmaß gehe, sei das auch nicht entscheidend.
Für das letzte Wort wurde der Angeklagte wieder in den Gerichtssaal geholt. Nach 20 Minuten Behauptungen und Anschuldigungen brach Galler den Redefluss ab und verkündete, dass sich das Gericht für eine halbe Stunde zur Beratung zurückziehen werde.
Um 10.40 Uhr erging schließlich das Urteil, dass H. im Maßregelvollzug untergebracht wird. Für das Gericht standen sowohl die gefährliche Körperverletzung als auch der versuchte Totschlag fest. „Aus einer seiner Aussagen ist abzuleiten, dass er erkannt hatte, dass der Geschädigte ohne Hilfe sterben würde“, erklärte der Vorsitzende Richter. H. sei zwar ein Schuldloser, der nicht zwischen Wahn und Realität unterscheiden könne, sei aber auch nicht freizusprechen. Bei den vorherigen Delikten sei eine Unterbringung noch unverhältnismäßig gewesen. Nun aber stehe fest, dass bei jeder stressenden Situation mit einer Wiederholung zu rechnen sei.
„Musste erst so etwas geschehen“, meinte Brandts Ehefrau nach der Urteilsverkündung gegenüber der Volksstimme. Das ganze Dorf habe sich vor H. gefürchtet, ihr Mann sei der Einzige gewesen, der keine Angst vor ihm hatte – „Eigentlich müsste der Staat auf der Anklagebank sitzen“.